VwGH vom 31.05.2011, 2009/22/0288
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2009/22/0291
2009/22/0290
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden
1. des A, 2. des V und 3. der D, alle vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom ,
1.) Zl. 153.106/10-III/4/09 (hg. 2009/22/0288), 2.) Zl. 153.106/4- III/4/09 (hg. 2009/22/0290) und 3.) Zl. 153.106/9-III/4/09 (hg. 2009/22/0291), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Beim Zweitbeschwerdeführer handelt es sich um den Vater der übrigen beschwerdeführenden Parteien. Sie alle sind moldawische Staatsangehörige.
Der Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers - der Mutter der übrigen beschwerdeführenden Parteien - wurden mehrfach Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck der Absolvierung eines Studiums erteilt. Die beschwerdeführenden Parteien verfügten über Aufenthaltsbewilligungen, um die Familiengemeinschaft mit ihrer in Österreich studierenden Ehefrau bzw. Mutter aufrechterhalten zu können (§ 69 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG).
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, die sie als Erstanträge wertete, gemäß § 21 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde - im Wesentlichen gleichlautend - darauf ab, die beschwerdeführenden Parteien seien bis "im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft" mit der Ehefrau bzw. Mutter gewesen. Am seien von den beschwerdeführenden Parteien Verlängerungsanträge eingebracht worden, die vom Erstbeschwerdeführer am und von den übrigen beschwerdeführenden Parteien am zurückgezogen worden seien. (Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass dies unter Anleitung der erstinstanzlichen Behörde im Hinblick auf die Abweisung des von der Ehefrau bzw. Mutter eingebrachten Verlängerungsantrages erfolgte. Der hinsichtlich Letzterer im Instanzenzug erlassene Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof allerdings mit Erkenntnis vom , 2009/22/0105, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.)
Daraufhin seien von den beschwerdeführenden Parteien - so die belangte Behörde weiter - jeweils am selben Tag Zweckänderungsanträge gestellt worden. Am bzw. am hätten die beschwerdeführenden Parteien (neuerlich) "Verlängerungsanträge" gestellt. Die zuletzt genannten Anträge seien im Instanzenzug mit Bescheiden der Bundesministerin für Inneres je vom zurückgewiesen worden.
Der Zweitbeschwerdeführer strebe eine Zweckänderung auf den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsbewilligung-Selbständiger" an. Die beiden übrigen beschwerdeführenden Parteien zielten auf die Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung-Schüler" ab.
Ein Zweckänderungsantrag nach § 2 Abs. 1 Z 12 NAG könne aber nur während der Gültigkeit eines Aufenthaltstitels gestellt werden. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Im Zeitpunkt der Antragstellungen seien die den beschwerdeführenden Parteien erteilten Aufenthaltstitel, die allesamt zuletzt bis gültig gewesen seien, bereits abgelaufen gewesen.
Auch ein Verlängerungsantrag liege nicht vor, weil ein solcher zwar mit einem Zweckänderungsantrag gestellt werden könnte. Diese Anträge müssten aber miteinander verbunden sein; sohin die Antragstellung gleichzeitig erfolgen.
Da weder ein Zweckänderungsantrag noch ein Verlängerungsantrag vorliege, seien die gegenständlichen Anträge als Erstanträge zu werten. Dabei sei § 21 Abs. 1 NAG zu beachten, wonach Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen seien und die Entscheidung im Ausland abzuwarten sei. Ein Ausnahmetatbestand nach § 21 Abs. 2 NAG liege nicht vor. In den Verfahren seien zwar Anträge nach § 21 Abs. 3 NAG gestellt worden, die damit begründet worden seien, dass die Ehefrau bzw. Mutter der beschwerdeführenden Parteien in Österreich als Studentin aufhältig und ihr im Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Jedoch ergebe eine Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK, dass keine ausreichenden Umstände vorlägen, die die Zulassung der Inlandsantragstellung geboten hätten. Die beschwerdeführenden Parteien hätten nämlich im Zeitraum ihres bisherigen Aufenthalts von 2002 bis 2008 ihren Aufenthaltstitel von der Ehefrau bzw. Mutter abgeleitet. Deren Verlängerungsantrag vom sei allerdings mit letztinstanzlichem Bescheid vom mangels Studienerfolgs abgewiesen worden. Dagegen habe diese zwar Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der der Beschwerde auch aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Dies habe für sie auch ein weiteres Aufenthaltsrecht für Österreich bewirkt. Jedoch sei dieses Aufenthaltsrecht bloß bis zur inhaltlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde befristet und beinhalte daher "kein längerfristiges Aufenthaltsrecht".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden, die auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, es lägen Erstanträge, auf die § 21 Abs. 1 NAG Anwendung finde, vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 NAG ist ein Erstantrag der Antrag, der nicht Verlängerungs- oder Zweckänderungsantrag (iSd § 2 Abs. 1 Z 11 bzw. 12 NAG) ist.
Nach § 2 Abs. 1 Z 11 NAG ist ein Verlängerungsantrag der Antrag auf Verlängerung des gleichen oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels (§ 24 NAG). Ein Zweckänderungsantrag ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 NAG der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit anderem Zweckumfang während der Geltung eines Aufenthaltstitels (§ 26 NAG).
Gemäß § 24 Abs. 4 NAG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 157/2005) kann mit einem Verlängerungsantrag (iSd § 24 Abs. 1 NAG) die Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder die Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden, wenn der beantragte andere Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes im Anschluss an den bisherigen Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Nach der im vorliegenden Fall mit Blick auf den Zeitpunkt der Antragstellung relevanten § 81 Abs. 9 NAG gelten Verlängerungsanträge, die bei In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 bereits bei der Behörde anhängig sind, abweichend von § 24 Abs. 1 NAG (danach sind Verlängerungsanträge seit der mit BGBl. I Nr. 29/2009 erfolgten Novellierung des NAG grundsätzlich vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels einzubringen) als rechtzeitig eingebracht und sind als Verlängerungsanträge zuzulassen, wenn sie spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt wurden.
Angesichts dessen, dass die hier gegenständlichen Anträge unbestritten nicht während der Gültigkeit eines den beschwerdeführenden Parteien erteilten Aufenthaltstitels gestellt wurden, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, es lägen Zweckänderungsanträge im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 12 NAG nicht vor, keinen Bedenken.
In Bezug auf Verlängerungsanträge hat der Verwaltungsgerichtshof zur hier maßgeblichen Rechtslage in seinem Erkenntnis vom , 2007/21/0186, (auszugsweise) ausgeführt:
"Zwar gilt gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 NAG auch der während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels gestellte Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels als Verlängerungsantrag nach § 24 NAG. Die darauf abgestimmte Regelung in Abs. 4 der zuletzt genannten Norm sieht allerdings vor, dass mit einem Verlängerungsantrag die Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder die Änderung des Aufenthaltstitels (nur dann) verbunden werden kann, wenn der beantragte andere Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes im Anschluss an den bisherigen Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Mit den 'Bestimmungen dieses Bundesgesetzes' wird erkennbar auf die Regelungen im besonderen Teil des NAG (§§ 41 ff.) Bezug genommen, und zwar dergestalt, dass dort die 'Anschlussfähigkeit' des anderen Titels festgelegt ist (so ausdrücklich auch Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, K 9. zu § 24 NAG).
§ 8 Abs. 5 NAG wird dagegen von diesem Verweis nicht erfasst und tritt als spezielle Anordnung für Inhaber einer Aufenthaltsbewilligung, die - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - während der Geltungsdauer dieser Bewilligung im Inland um eine Aufenthaltsbewilligung mit anderem Zweckumfang oder um eine Niederlassungsbewilligung ansuchen dürfen, neben das 'Verlängerungsregime' des § 24 Abs. 4 NAG. Das ergibt sich auch aus § 8 Abs. 1 Z 5 NAG, wird dort doch die für Inhaber von Aufenthaltsbewilligungen vorgesehene Möglichkeit, anschließend eine Niederlassungsbewilligung zu erlangen, nur für den Fall vorgesehen, 'sofern dies in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist'. Für Inhaber einer 'Aufenthaltsbewilligung - Humanitäre Gründe' war Derartiges aber nicht vorgesehen (vgl. demgegenüber aber jetzt § 43 Abs. 3 NAG in der seit in Kraft stehenden Fassung nach der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009). Der gegenständliche Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung war daher, wie schon erwähnt, nicht als Verlängerungsantrag im Sinne des § 24 Abs. 4 NAG zu beurteilen. Das eine Sonderkonstellation zum Gegenstand habende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0075, steht diesem Ergebnis nicht entgegen."
Diese Ausführungen sind für die hier in Rede stehenden Anträge insofern von Relevanz, als bezogen auf die von den beschwerdeführenden Parteien mit ihren Anträgen begehrten Aufenthaltstitel im NAG außerhalb der von § 8 Abs. 5 NAG (in der Stammfassung) eingeräumten Möglichkeiten des Wechsels auf einen anderen Aufenthaltstitel - eine von § 8 Abs. 5 NAG erfasste Konstellation liegt hier nicht vor - die sog. "Anschlussfähigkeit" der hier begehrten Aufenthaltstitel im Anschluss an eine nach § 69 Abs. 1 NAG erteilte Aufenthaltsbewilligung nicht festgelegt war. Dies steht sohin nach der hier maßgeblichen Rechtslage der Einstufung der Anträge der beschwerdeführenden Parteien als Verlängerungsanträge entgegen (vgl. demgegenüber aber die nunmehrige Rechtslage des § 24 Abs. 4 NAG, die das Erfordernis der "Anschlussfähigkeit" nicht mehr vorsieht).
Ausgehend davon trifft im Ergebnis die Beurteilung der belangten Behörde, es lägen nach der hier - mit Blick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide - anzuwendenden Rechtslage Erstanträge vor, auf die das Erfordernis der Auslandsantragstellung des § 21 Abs. 1 NAG Anwendung finde, zu.
Unbestritten steht fest, dass die beschwerdeführenden Parteien ihre Anträge im Inland eingebracht und die Entscheidung im Inland abgewartet haben, sodass diesen in § 21 Abs. 1 NAG normierten Erfordernissen nicht entsprochen wurde.
Soweit sich die beschwerdeführenden Parteien aber gegen die Verweigerung der von ihnen beantragten Zulassung der Inlandsantragstellung nach § 21 Abs. 3 NAG (in der Fassung des BGBl. I Nr. 29/2009) wenden, ist ihnen Recht zu geben. Nach dieser Bestimmung kann abweichend von § 21 Abs. 1 NAG die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG).
Jener Bescheid der belangten Behörde, mit dem die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Ehefrau bzw. Mutter der beschwerdeführenden Parteien abgelehnt wurde, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/22/0105, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Da dieser Aufhebung ex tunc-Wirkung zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/01/0474, mwN), ist der Argumentation der belangten Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK, die tragend auf die Abweisung des Verlängerungsantrages der Ehefrau bzw. Mutter der beschwerdeführenden Parteien abstellt, der Boden entzogen. Zudem konnte in den vorliegenden Fällen den öffentlichen Interessen aber auch deshalb kein allzu großes Gewicht beigemessen werden, weil die von den beschwerdeführenden Parteien unter behördlicher Anleitung vorgenommenen Zurückziehungen ihrer ursprünglichen noch vor Ablauf ihrer Aufenthaltsbewilligungen eingebrachten Verlängerungsanträge auf eine inhaltlich falsche behördliche Entscheidung (betreffend die Ehefrau bzw. Mutter) zurückzuführen war.
Die angefochtenen Bescheide waren sohin wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-70635