VwGH vom 15.09.2016, Ra 2016/15/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der B Z in W, vertreten durch die SchneideR'S Rechtsanwalts-KG in 1010 Wien, Ebendorferstraße 10/6b, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101032/2015, betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis vom , 2012/15/0106, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid des unabhängigen Finanzsenates in seinem Abspruch betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat. Die belangte Behörde habe insoweit die Rechtslage verkannt, als sie Zahlungen an die C KEG mit der Begründung nicht als Betriebsausgabe anerkannt habe, dass sie an eine nach Konkursabweisung "nicht mehr existente Firma" geleistet worden seien und deshalb Zahlungen an ein "nullum" vorlägen. Der Verwaltungsgerichtshof wies darauf hin, dass die an die Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71b Konkursordnung (nunmehr Insolvenzordnung, im Folgenden IO) geknüpfte Rechtsfolge nicht darin besteht, dass die Gesellschaft erlischt oder zu diesem Zeitpunkt bestehende Forderungen in Wegfall kommen. Aus dem bloßen Umstand, dass ein Konkursantrag den Gläubiger der Revisionswerberin betreffend mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei, könne nicht auf die fehlende Betriebsausgabeneigenschaft der streitgegenständlichen Zahlungen geschlossen werden. Sollte die C KEG die den Teilzahlungen zu Grunde liegende Forderung gegenüber der Revisionswerberin nicht in das Vermögensverzeichnis gemäß § 100a IO aufgenommen haben, könnte dies allenfalls Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Forderung erwecken und Anlass für weitere Erhebungen zur Aufklärung möglicher Widersprüche in den Angaben von Gläubiger und Schuldner der Forderung sein.
2 Im fortgesetzten Verfahren richtete das nunmehr zur Entscheidung zuständige Bundesfinanzgericht an die Revisionswerberin die Aufforderung bekanntzugeben, ob die C KEG die den Teilzahlungen zu Grunde liegenden Forderungen in das Vermögensverzeichnis aufgenommen habe und falls nicht, den Grund hiefür anzugeben. In ihrem Antwortschreiben erwiderte die Revisionswerberin, dass sie nicht Gesellschafterin der C KEG sei und diese Gesellschaft nicht in ihrem Einflussbereich stünde. Aus diesem Grund habe die Revisionswerberin auch keinen Rechtsanspruch auf Herausgabe des Vermögensverzeichnisses. Es sei der Revisionswerberin nicht bekannt, ob die C KEG die den streitgegenständlichen Betriebsausgaben zu Grunde liegende Forderung in das Vermögensverzeichnis aufgenommen habe. Ohne Zweifel habe diese Forderung aber bestanden, weil die Revisionswerberin andernfalls keine Zahlungen geleistet hätte.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab. Das Bundesfinanzgericht begründete seine Entscheidung nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Hinweisen wie folgt:
"Angewendet auf den berufungsgegenständlichen Sachverhalt ist nun primär festzuhalten, dass sich aus dem Akteninhalt kein Hinweis ergibt, wonach die erschöpfende, wahrheitsgemäße Vorhaltsbeantwortung durch die Bf bzw. generelle, eindeutige Anfragebeanwortungen durch sie die nach ihren Verhältnissen zumutbare Sorgfalt übersteigen würden.
Es wurde der Bf mit der Vorhaltserstellung das Recht auf
Parteiengehör ermöglicht.
(...)
Wenn die Bf in ihrer Vorhaltsbeantwortung die ohnehin aktenkundige Tatsache anführt, dass sie keine Gesellschafterin der C KEG sei, ist ihr damit noch nicht gelungen zu beweisen, dass die von ihr nach Bekanntmachung des Beschlusses der Rechtskraft betreffend Nichteröffnung des Konkurses über die C KEG mangels Kostendeckung in bar und 3 Teilbeträgen geleistete Summe eine Betriebsausgabe darstellt. Der VwGH sieht es in seinem Erkenntnis vom , 2012/15/0106 als durchaus dem wirtschaftlichen Leben entsprechend an, dass die C KEG der Bf einen entsprechenden Nachweis lt. Vemögensverzeichnis gem. § 100a IO übermittelt, wenn er ausführt, dass der UFS derartige Feststellungen' (nämlich ob Forderungen gegenüber der Bf ins Vermögensverzeichnis gemäß § 100a IO aufgenommen wurden oder nicht) nicht traf. Da die Bf das Bestehen dieser Forderung behauptete, lag es auch in ihrem Verantwortungsbereich, diese zu beweisen und stellt ein Zurückziehen auf den Umstand, wonach sie keine Gesellschafterin der C KEG sei, keine Beweislastbefreiung dar. Es ist weiters darauf hinzuweisen, dass die Bf es unterließ, das Bestehen der Forderung nachzuweisen (Frage 3 des Vorhalts), indem sie darauf hinwies, dass sie ‚ohne jeden Zweifel bestand', andernfalls sie ‚sonst nicht bezahlt hätte'. - Es ist der Bf zu entgegnen, dass allein das Bezahlen eines bestimmten Betrages diesen noch nicht zur Betriebsausgabe macht, da bei konsequenter Verfolgung dieser Meinung auch diverse privat bedingte Zahlungen eines Unternehmers als Betriebsausgabe zu qualifizieren wären. Da es der Bf nicht gelungen ist zu beweisen, dass die Zahlungen an die C KEG betrieblich bedingt waren, kommt ihnen eine Betriebsausgabeneigenschaft nicht zu."
Die Revision sei nicht zulässig, weil sich das Erkenntnis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungspflicht, Erforschung der materiellen Wahrheit, Offenlegungspflicht, freie Beweiswürdigung und Vereinbarungen unter Familienfremden gründe. Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung lägen nicht vor.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision erwogen:
5 Die Revision wendet sich gegen die Versagung der Anerkennung der Zahlungen an die C KEG als Betriebsausgaben. Das Bundesfinanzgericht habe die Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis negiert bzw. in denkunmöglicher Weise interpretiert. Der Verwaltungsgerichtshof habe es nicht "als dem wirtschaftlichen Leben entsprechend" angesehen, dass die C KEG der Revisionswerberin das Vermögensverzeichnis gemäß § 100a IO übermittle. Auch habe der Verwaltungsgerichtshof selbst für den Fall, dass die fraglichen Forderungen nicht im Vermögensverzeichnis enthalten sein sollten, weitere Ermittlungen als notwendig erachtet. Solche Ermittlungen habe das Bundesfinanzgericht unterlassen. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob das Bundesfinanzgericht vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Mitwirkungspflicht verlangen könne, Gerichtsunterlagen aus einem Konkursverfahren beizubringen, in dem der Steuerpflichtige weder als Gemeinschuldner noch als Gläubiger Parteistellung gehabt habe, und für den Fall, dass dem Auftrag nicht entsprochen werde, in freier Beweiswürdigung zur Feststellung gelangen dürfe, dass die Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug nicht gegeben seien. Fragen des Umfangs der freien Beweiswürdigung seien von wesentlicher Bedeutung für das Funktionieren eines Rechtsstaates und die Gewährleistung eines effizienten Rechtsschutzsystems, sodass die Voraussetzungen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vorlägen.
6 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.
7 Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren. Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen (vgl. etwa Verwaltungsgerichtshof vom , Ra 2014/01/0029, mwN).
8 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings jedenfalls dann vor, wenn das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen hat (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom , Ra 2015/02/0072, mwN).
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Beweiswürdigung ist vielmehr insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen (vgl. für viele Verwaltungsgerichtshof vom , 2009/15/0076).
10 Auch entspricht es ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich die Begründung eines Berufungsbescheides mit dem Berufungsvorbringen in der erforderlichen Weise auseinander zu setzen und den für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhalt festzustellen hat (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom , 2001/14/0066). Keine geringeren Anforderungen sind an Erkenntnisse des nunmehr für Bescheidbeschwerden zuständigen Bundesfinanzgerichts zu stellen.
11 Diesen Ansprüchen wird das gegenständliche Erkenntnis nicht gerecht.
12 Das Finanzamt hat, den Feststellungen des Prüfers folgend, die Zahlungen an die C KEG im Wesentlichen deshalb nicht als Betriebsausgaben anerkannt, weil es unüblich sei, dass eine Rechnung erst drei Jahre nach Vermittlung des Verkaufes gelegt und (nach Konkursabweisung) in bar beglichen werde. Die Revisionswerberin entgegnete diesen Erwägungen in ihrer gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 gerichteten Berufung u.a., dass sie mit der C KEG in den Jahren 2002 bis 2005 in Geschäftsbeziehung gestanden sei, die sich dermaßen gestaltet habe, dass die C KEG für sie einen Vertriebskanal aufgebaut habe. Insbesondere seien auf mehreren hundert Standorten durch die C KEG Drehständer aufgestellt worden. Aufgabe der Revisionswerberin sei es gewesen, die Verkaufsstände zu bestücken und Rechnungen zu legen. Im Jahr 2005 sei die Geschäftsbeziehung zur C KEG "in Schieflage" geraten und seien die Geschäfte endabgerechnet worden. Die C KEG habe eine stückabhängige Provision in Rechnung gestellt, die von der Revisionswerberin bezahlt worden sei. Die Bezahlung sei im Nachhinein erfolgt, weil die Einnahmen bis dahin zur Wiederbestückung der Displays verwendet worden seien. Ursprünglich sei vereinbart gewesen, den im Zeitverlauf aus dem Verkauf zu ermittelnden Gewinn einer Aufteilung zwischen der Revisionswerberin und der C KEG zuzuführen. Auf Grund der belasteten Geschäftsbeziehung sei es jedoch zur Lösung der Zusammenarbeit gekommen und die Zahlung einer stückabhängigen Provision vereinbart worden.
13 In der rechtlich verfehlten Annahme, die Zahlung sei an eine nicht existente Person geleistet worden und stelle deshalb ein "nullum" dar, hat sich die seinerzeit belangte Behörde mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Im Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass aus dem bloßen Umstand der Konkursabweisung mangels kostendeckenden Vermögens nicht auf die fehlende Betriebsausgabeneigenschaft der streitgegenständlichen Zahlungen geschlossen werden könne. Sollte die C KEG die den Zahlungen zu Grunde liegende Forderung gegenüber der Revisionswerberin nicht in das Vermögensverzeichnis gemäß § 100a IO aufgenommen haben, könnte dies allenfalls Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Forderung erwecken und Anlass für weitere Erhebungen zur Aufklärung möglicher Widersprüche in den Angaben von Gläubiger und Schuldner der Forderung sein. Erwägungen darüber, was im gegebenen Zusammenhang "dem wirtschaftlichen Leben" entspricht, hat der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis, worauf die Revision zu Recht hinweist, nicht angestellt. Insbesondere findet sich im Vorerkenntnis nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass alleine aus der Nichtvorlage des Vermögensverzeichnisses gemäß § 100a IO - zumal durch die Revisionswerberin - auf die fehlende betriebliche Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen geschlossen werden könne. Die vom Bundesfinanzgericht aus der Vorhaltsbeantwortung der Revisionswerberin getroffene Schlussfolgerung ist mit den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen. Eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen (das nunmehr als Beschwerdevorbringen gilt) erfolgte auch im fortgesetzten Verfahren nicht.
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am