VwGH vom 21.12.2007, 2004/17/0217
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der S GmbH in K, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner, Rechtsanwälte in 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 468/04, betreffend Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien schrieb der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom Anzeigenabgabe für die anlässlich der Vornahme und Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte (aufgeschlüsselt) für die Zeiträume November 1994 bis Juli 1995, Oktober 1995 und Jänner bis März 1996 in der Höhe von insgesamt S 762.149,--, zuzüglich Verspätungszuschlag in der Höhe von S 76.215,-- und Säumniszuschlag in der Höhe von S 15.242,-- vor.
Begründend wurde ausgeführt, die Festsetzung betreffe die im Spruch angeführten Entgelte für die Verbreitung von Anzeigen im Medienwerk "P", deren Höhe im Schätzungswege hätte ermittelt werden müssen. Als Schätzungsgrundlage hätten die dem Magistrat K erklärten Anzeigenbeträge gedient.
Die für den Verschleiß bestimmten Teilauflagen hätten in Wien durch die hier erfolgte Übergabe an die Vertriebsfirmen die Sphäre des Verlages verlassen. Dieser Verbreitungsvorgang habe daher in Wien seinen Anfang genommen. Dass andere Teilauflagen zwei Tage bzw. einen Tag vor dem bundesweiten Erstverkaufstag vom Verlagssitz K verbreitet worden seien, stehe der Abgabenpflicht in Wien auf Grund einer erstmals von hier aus vorgenommenen Verbreitung nicht entgegen. Eine Zeitdifferenz von maximal zwei Tagen bei der Verbreitung einer Monatszeitschrift sei ausschließlich durch Art und Umfang der Verbreitung bedingt.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei u.a. vor, in ihrem Fall sei die Zeitdifferenz von zwei Tagen bei der Verbreitung nicht durch Art und Umfang der Verbreitung bedingt gewesen, sondern vielmehr durch den bewussten Vorrang bestimmter Abnehmer. Sie stellte den Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu die zu zahlende Abgabe nur mit dem entsprechenden Bruchteil festzusetzen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides insofern abgeändert, als die Schillingbeträge durch Eurobeträge ersetzt wurden.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass bereits zwei Tage vor dem bundesweiten Erstverkaufstag direkt vom Verlagssitz in K aus ca. 200 bis 400 Belegexemplare versendet sowie rund 760 Exemplare an diverse Fluglinien ausgeliefert worden seien. Letztere seien noch am selben Tag deren Fluggästen zugänglich gemacht worden. Ca. 3.000 Stück seien im Abonnementversand einen Tag vor dem bundesweiten Erstverkaufstag direkt vom Postamt K versendet worden. Erst danach, nämlich in der Nacht zum Erstverkaufstag seien die Kioske bundesweit von in Wien ansässigen Vertriebsunternehmen beliefert worden.
Daraus ergebe sich, dass die Verbreitung der jeweiligen Ausgabe des Medienwerkes "P" nebeneinander auf mehreren Wegen erfolgt sei, wobei manche dieser Verbreitungswege ihren Anfang in Wien genommen hätten, andere in K. Diese dabei vorkommende Zeitdifferenz von drei Tagen sei bei einer Monatszeitschrift jedenfalls als geringfügig anzusehen, sodass das vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Kriterium einer "nahezu gleichzeitigen Zugänglichmachung" erfüllt sei.
Im Hinblick auf die gesamte verbreitete Auflage von
34.806 Stück könne für die von Wien aus verbreiteten Stückzahlen von 14.963, die 42,9 % der verbreiteten Auflage ausmachten, nicht davon gesprochen werden, dass diese zahlenmäßig nicht ins Gewicht fielen.
Folgte man der Argumentation der beschwerdeführenden Partei, dass Zeitdifferenzen nur bei einem Vertriebsweg zu beachten seien, würde die Bruchteilsfestsetzungsregelung, aus der sich die Möglichkeit der gleichzeitigen erstmaligen Verbreitung in verschiedenen Gemeinden zwingend ergebe, weitgehend ins Leere gehen, da eine Verbreitung über nur einen Vertriebsweg im Regelfall nur von einer Gemeinde ausgehen werde. Über den mit der Berufung gestellten Bruchteilsfestsetzungsantrag habe die Abgabenbehörde erster Instanz zu entscheiden, weil eine solche Festsetzung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei. Mit den Bescheiden der Abgabenbehörde erster Instanz vom sei bereits auf Grund eines diesbezüglichen Bruchteilsfestsetzungsantrages die Abgabe mit der Hälfte festgesetzt worden.
Der steuerliche Vertreter der Abgabenpflichtigen habe unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 184/73, das Verschulden an der verspäteten Einreichung der Abgabenerklärung dahingehend bestritten, dass dieses Erkenntnis nicht auf das Wiener Anzeigenabgabengesetz übertragen werden könne, da es sich auf die oberösterreichische Regelung beziehe. Diese Rechtsansicht sei keineswegs vertretbar, sondern lasse eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung seit diesem Erkenntnis vermissen. Der Grad des Verschuldens sei zumindest als grob fahrlässig einzustufen, da die Abgabepflichtige trotz Bekanntgabe der gegenteiligen Rechtsansicht der Abgabenbehörde zu Anzeigenabgaben keine Maßnahmen zur Erklärung und Entrichtung der Abgaben gesetzt habe. Die Fristüberschreitung habe bis zur bescheidmäßigen Festsetzung der Abgaben am "zwischen drei bis eineinhalb Jahren" betragen. Die Erklärungsfristen seien damit massiv überschritten worden. Daraus habe die Abgabepflichtige einen finanziellen Vorteil in Höhe von Zinsvorteilen, aber auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber pflichtgemäß pünktlich erklärenden Abgabepflichtigen erreicht und damit ihre Liquidität positiv beeinflusst.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass zunächst 57,1 % der Auflage des Medienwerkes "P" vom damaligen Sitz der beschwerdeführenden Partei in K und erst ein bzw. zwei Tage später 42,9 % der Auflage durch ein Vertriebsunternehmen von Wien aus verbreitet wurden. Strittig ist, ob die beschwerdeführende Partei (auch) nach dem Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983 (in der Folge: Wr AnzeigenAbgG), LGBl. Nr. 22, abgabepflichtig ist.
Nach § 1 Abs. 1 Wr AnzeigenAbgG (idF LGBl. Nr. 29/1984) unterliegen Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Medienwerke (§ 1 Abs. 1 Z 3 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981) gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, sofern die Verbreitung nicht ausschließlich im Ausland erfolgt, einer Abgabe nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes.
Als Erscheinungsort des Medienwerkes gilt gemäß § 1 Abs. 2 Wr AnzeigenAbgG (in der genannten Fassung) Wien dann, wenn die Verbreitung erstmals von hier aus erfolgt oder wenn der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (Verleger) seinen Standort in Wien hat oder wenn die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers (Verlegers) vorwiegend in Wien ausgeübt wird.
Strittig ist, ob im Beschwerdefall der erstgenannte (alternative) Tatbestand, bei dessen Erfüllung Wien als Erscheinungsort gilt, nämlich der der erstmaligen Verbreitung von Wien aus, vorliegt; weder hatte der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (die beschwerdeführende Partei) seinen Standort in Wien noch wurde dort die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers vorwiegend ausgeübt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter Erscheinungsort jener Ort zu verstehen, in dem das Druckwerk der Post zum Versand übergeben wird, um damit einem größeren Personenkreis erstmalig zugänglich gemacht zu werden. Erstmals erfolgt dabei jene Verbreitung, bei welcher "auf einmal" eine Anzahl von Exemplaren eines bestimmten Druckwerkes, welches bis dahin nicht einem größeren Personenkreis zugänglich war, einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, wobei die nach der Art und dem Umfang der Verbreitung üblichen Zeitdifferenzen außer Betracht zu bleiben haben (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 184/73); diese erstmalige Verbreitung löst die Abgabepflicht nach den einzelnen Anzeigenabgabegesetzen, darunter dem hier anzuwendenden Gesetz, aus. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Übergabe eines Druckwerkes an die Post oder an ein anderes den Versand besorgendes Unternehmen erfolgt. Demnach wäre Wien als Erscheinungsort anzusehen und bestünde die Abgabepflicht nach dem Wr AnzeigenAbgG, wenn die in Frage kommende Verbreitungshandlung diejenige wäre, die "erstmals" vorgenommen würde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0025, mwN).
Ein einheitlicher Verbreitungsvorgang kann auch dann vorliegen, wenn dieser über verschiedene Vertriebskanäle erfolgt. Die Prüfung der Üblichkeit der Zeitdifferenzen im Verständnis der Vorjudikatur ist hier also einerseits unter Berücksichtigung des Umfanges der Verbreitung sowie andererseits unter Berücksichtigung der gewählten Art der Verbreitung über verschiedene Vertriebskanäle zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/17/0203).
Dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0260, welches ebenfalls zum Wr AnzeigenAbgG ergangen ist, lag der Sachverhalt zu Grunde, dass am dritten Tag nach der Verbreitung einer Monatszeitschrift von Klosterneuburg aus die restlichen 55 bis 60 % der Auflage von Wien aus an Kioske verteilt wurden. Trotz Vorliegens eines weiteren Vertriebskanals ging der Verwaltungsgerichtshof von einem einheitlichen Verbreitungsvorgang aus. Weiters wurden drei Tagen noch als eine nach Art und dem Umfang der Verbreitung übliche Zeitdifferenz beurteilt.
Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass auch die hier zu beurteilende - ebenfalls am dritten Tag erfolgte - Auslieferung der entsprechenden Auflage des monatlich erscheinenden Medienwerks an die Kioske von Wien aus als Teil eines einheitlichen Verbreitungsvorgang durch einen anderen Vertriebskanal anzusehen ist, sodass insoweit auch eine erstmalige Verbreitung von Wien aus vorliegt.
Dem steht auch der von der beschwerdeführenden Partei behauptete Umstand, wonach die zeitliche Verzögerung durch eine bewusste Bevorzugung einer bestimmten Gruppe von Abnehmern veranlasst worden sei, nicht entgegen.
Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde von einer Anzeigenabgabenpflicht für das gegenständliche Medienwerk (auch) in Wien ausgegangen ist.
Die beschwerdeführende Partei wendet sich gegen die Vorschreibung des Verspätungszuschlages mit dem Vorbringen, dass die verspätete Einreichung der Abgabenerklärung nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen sei, sondern auf einer vertretbaren Rechtsansicht, wonach keine Pflicht zur Entrichtung der Abgabe nach dem Wr AnzeigenAbgG bestehe, beruhe.
Gemäß § 104 Abs. 1 WAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 % der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Vorschrift (und zu der gleichartigen Norm des § 135 Abs. 1 BAO) ist eine Verspätung dann entschuldbar, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, das heißt, wenn er die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist hier auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen. Dem Verschulden des Abgabepflichtigen an der verspäteten Einreichung der Abgabenerklärung ist das Verschulden seines Vertreters gleichzuhalten. Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben gemäß § 54 Abs. 1 WAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0094, mwN).
Die beschwerdeführende Partei beruft sich in ihrer Beschwerde darauf, bis in die Jahre 1994 bis 1996, in welchen sie Entgelte für die gegenständlichen Anzeigen im Druckwerk "P" vereinnahmt habe, habe es eine "eindeutige Judikaturlinie des Verwaltungsgerichshofes" gegeben, "die dafür sprach, dass nur auf eine Verbreitungshandlung, mit der auf einmal ein Teil der verlagsneuen Auflage veröffentlich wird, abzustellen ist". Sie habe daraus Schluss gezogen, dass "nur der erste Akt, mit dem 57 % der verlagsneuen Auflage auf verschiedene Vertriebsarten auf einmal verteilt wurden, eine Verbreitung auf einmal darstellt und damit abgabenrechtlich relevant" sei. Damit gibt die beschwerdeführende Partei aber zu erkennen, dass sie selbst auch bei der Verbreitung durch verschiedene Vertriebswege (Abholung durch die Fluggesellschaften und Versendung an die Abonnementen) von einem einheitlichen Verbreitungsvorgang ausgegangen ist. Sollte sich das Beschwerdevorbringen auf die im Beschwerdefall gegebene Zeitdifferenz zwischen den einzelnen Vertriebshandlungen beziehen, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 84/17/0173, ausdrücklich eine zeitliche Verzögerung von zwei bis drei Wochen (bei einem jährlich erscheinenden Handbuch) noch als durchaus üblich angesehen hat. Die beschwerdeführende Partei konnte somit nicht davon ausgehen, dass die zeitliche Verzögerung von zwei bis drei Tagen der Beurteilung eines einheitlichen Verbreitungsvorganges entgegenstehen würde. Die vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Auslegung der landesgesetzlichen Abgabenvorschriften haben die beschwerdeführende Partei somit noch nicht berechtigt, die Selbstbemessung der Abgabe nach § 7 Wr AnzeigenAbgG zu unterlassen.
Soweit die beschwerdeführende Partei rügt, die belangte Behörde hätte nicht über ihren in der Berufung gestellten Eventualantrag auf Bruchteilsfestsetzung entschieden, war darauf, weil nicht vom Beschwerdepunkt umfasst, nicht weiter einzugehen. Bei der Bruchteilsfestsetzung handelt es sich um eine "andere Sache" als die Festsetzung der Anzeigenabgabe ohne Berücksichtigung der Abgabe einer anderen Gebietskörperschaft.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am