VwGH vom 26.02.2015, 2012/07/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Beschwerde des Ing. G H in D, vertreten durch die Schwartz Huber-Medek Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. RU4-B-215/004-2010, betreffend Feststellung gemäß § 10 ALSAG (mitbeteiligte Partei:
Bund, vertreten durch das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 10 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) betreffend die Ablagerung von Fremdmaterialen (Baurestmassen und Bodenaushub) auf einem näher bezeichneten Grundstück der beschwerdeführenden Partei in der KG Oberthürnau. Für die dort abgelagerten Materialien seien keine Altlastenbeiträge abgeführt worden, obwohl eine beitragspflichtige Tätigkeit im Sinn des § 3 Abs. 1 ALSAG vorliege und keine Ausnahme von der Beitragspflicht gemäß § 3 Abs. 1a ALSAG gegeben sei. Die Befreiungstatbestände nach § 3 Abs. 1a ALSAG kämen nur dann zum Tragen, wenn die in Frage stehenden Abfälle einer zulässigen Verwendung bzw. Verwertung zugeführt werden würden. Dies setze deren Unbedenklichkeit für den angestrebten Zweck (hier: Geländeanpassungen) sowie das Vorliegen allenfalls erforderlicher behördlicher Bewilligungen voraus.
Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Horn hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Anschüttung gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG fest, dass es sich dabei nicht um Abfall handle, die Ablagerung nicht dem Altlastenbeitrag unterliege und auch keine beitragspflichtige Tätigkeit vorliege.
Gegen den genannten Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung stattgegeben und festgestellt, dass das auf dem Grundstück der beschwerdeführenden Partei abgelagerte Material Abfall sei (Spruchpunkt 1), dem Altlastensanierungsbeitrag unterliege (Spruchpunkt 2), dass eine beitragspflichtige Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 lit c ALSAG idF BGBl. I Nr. 40/2008 vorliege (Spruchpunkt 3) und das Material der Abfallkategorie des § 6 Abs. 1 Z 1 lit b ALSAG idF BGBl. I Nr. 40/2008 zuzuordnen sei (Spruchpunkt 4).
Zu Spruchpunkt 1 führte die belangte Behörde begründend aus, dass hinsichtlich der abgelagerten Materialien - insgesamt
2.500 m3 Bodenaushub mit Steinen von diversen Bauvorhaben und aufbereitete mineralische Baurestmassen von Abbrüchen auf Eigen- bzw. untergeordnet auf Fremdgrund (der Anteil der mineralischen Baurestmassen betrage ca. 40 %) - der subjektive Abfallbegriff erfüllt sei, weil zumindest bei deren Vorinhabern bzw. Voreigentümern Entledigungsabsicht bestanden habe. Durch den schichtweise verdichteten Einbau von Bodenaushub mit Steinen und von mineralischen Baurestmassen sei eine gesonderte Beprobung der Materialien wesentlich erschwert bzw. unmöglich gemacht worden. Als Resultat sei daher das Gesamtgemenge als Abfall zu qualifizieren. Ein Ende der Abfalleigenschaft iSd § 5 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 4 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) sei im konkreten Fall nicht eingetreten, weil sich dem eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz entnehmen lasse, dass die verwendeten Abfälle für den beabsichtigten Zweck nicht unbedenklich einsetzbar seien, was aber eine Voraussetzung für eine zulässige Verwertung gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 darstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie gleichermaßen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist in einem Verfahren nach § 10 ALSAG jene Rechtslage anzuwenden, die zu dem Zeitpunkt galt, zu dem der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht worden ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0153).
Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen wurden die verfahrensgegenständlichen Materialien im ersten Halbjahr des Jahres 2009, zumindest bis , aufgebracht.
Die hier maßgebliche Bestimmung des § 2 ALSAG in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2008 lautet:
"§ 2. (1) Altlasten sind Altablagerungen und Altstandorte sowie durch diese kontaminierte Böden und Grundwasserkörper, von denen - nach den Ergebnissen einer Gefährdungsabschätzung - erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgehen. Kontaminationen, die durch Emissionen in die Luft verursacht werden, unterliegen nicht dem Geltungsbereich des Gesetzes.
(2) Altablagerungen sind Ablagerungen von Abfällen, die befugt oder unbefugt durchgeführt wurden.
(3) ...
(4) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Abfälle gemäß § 2 Abs. 1 bis 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102.
..."
Das AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in der Fassung
BGBl. I Nr. 54/2008, lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1angeführten Gruppen fallen und
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder
2. ...
(2) ...
(3) ...
(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
1. 'Altstoffe'
a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder
b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden,
um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung
zuzuführen.
...
§ 5 (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden.
..."
Nach ständiger hg. Judikatur ist eine Sache als Abfall im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 zu bewerten, wenn bei irgendeinem Voreigentümer bzw. Vorinhaber eine Entledigungsabsicht bestanden hat (vgl. dazu u.a. hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/07/0064). Hinsichtlich der Beurteilung der Abfalleigenschaft eines Materialgemischs hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt, dass dieses dann als Abfall zu qualifizieren ist, wenn darin untrennbar Abfall enthalten ist. Die Vermengung von Abfall mit Nichtabfall führt somit nur dann zur Abfalleigenschaft des Gesamtgemenges, wenn eine Separierung der vermengten Stoffe nicht mehr möglich ist (vgl. dazu hg. Erkenntnis vom , 2006/07/0105).
Vor diesem Hintergrund begegnet die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass hinsichtlich des von diversen "fremden" Bauvorhaben stammenden Bodenaushubs von der Erfüllung der subjektiven Abfalleigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 auszugehen sei, keinen Bedenken. Ebenso beizupflichten ist der belangten Behörde dahingehend, dass durch den schichtweise verdichteten Einbau des Bodenaushubs auf der einen Seite sowie der von Eigengrund stammenden mineralischen Baurestmassen auf der anderen Seite ein als Abfall zu qualifizierendes Gesamtgemenge entstanden ist, zumal der dem Verfahren beigezogene Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz in seiner Stellungnahme vom ausführte, dass durch diese Vorgehensweise eine gesonderte Beprobung der unterschiedlichen Materialqualitäten wesentlich erschwert worden sei.
Zum Beschwerdevorbringen, es habe keine Vermischung vor dem Einbau stattgefunden, sondern es seien die verwendeten Materialien erst nach dem Einbau durch Überlagerung eine Verbindung zu einem nur mit hohem Aufwand trennbaren Materialgemisch eingegangen, wobei dieser Zeitpunkt für die Beurteilung der Beitragspflicht nach dem ALSAG der hg. Judikatur folgend nicht maßgeblich sei, ist anzumerken, dass die vorgenommene Geländeanpassung als einheitlicher Vorgang anzusehen ist, der in seiner Gesamtheit zu betrachten und nicht in Einzelbestandteile aufzuspalten ist.
Soweit die beschwerdeführende Partei allerdings vorbringt, es sei eine zulässige Verwertung im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 und somit das Ende der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 nicht bereits mit dem Argument zu verneinen gewesen, dass eine Beeinträchtigung umweltrelevanter Schutzgüter mangels durchgeführter Materialuntersuchungen nicht ausgeschlossen werden könne, erweist sich die Beschwerde als begründet.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist Voraussetzung für das Ende der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002, dass es sich bei dem in Frage stehenden Material um einen Altstoff iSd § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 handelt. Von einem Altstoff im Sinne dieser Bestimmung kann nur dann gesprochen werden, wenn die Abfälle einer nachweislichen zulässigen Verwertung zugeführt werden, die wiederum zur Voraussetzung hat, dass die betreffende Sache für den beabsichtigten Zweck unbedenklich einsetzbar ist und keine umweltrelevanten Schutzgüter durch die Verwertungsmaßnahme beeinträchtigt werden (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom , 2000/07/0280, und das bereits zitierte Erkenntnis, 2004/07/0153; vgl. nunmehr auch die gesetzliche Normierung in § 15 Abs. 4a AWG 2002 idgF).
Zutreffend wird von der beschwerdeführenden Partei gerügt, dass die belangte Behörde den Ausschluss der zulässigen Verwertung lediglich damit begründet, dass laut Gutachten des Amtssachverständigen vom mangels Durchführung einer Qualitätskontrolle des für die Geländeanpassung verwendeten Materials eine Gefährdung von Boden und Gewässer nicht ausgeschlossen sei. Die verfahrensgegenständlichen Abfälle - so die belangte Behörde - könnten aus diesem Grund nicht unbedenklich für den beabsichtigten Zweck eingesetzt werden.
Das genannte Gutachten lässt diese Schlussfolgerung jedoch nicht zu. Der Amtssachverständige hält darin lediglich fest, dass es jedenfalls einer Überprüfung bedürfe, ob die Anschüttungen der beschwerdeführenden Partei auf Grund ihrer Qualität vor Ort verbleiben könnten, zu sichern oder einer Entsorgung zuzuführen seien. Ausführungen zu etwaigen, von der verfahrensgegenständlichen Geländeanpassung ausgehenden konkreten Gefahren für Boden, Gewässer oder andere umweltrelevante Schutzgüter fehlen sowohl in der zitierten Stellungnahme als auch in den weiteren im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahmen des Amtssachverständigen. Derartige im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht zu gewinnende Feststellungen wären aber für die der behördlichen Entscheidung zugrunde liegende Annahme, es sei im konkreten Fall keine zulässige Verwertungsmaßnahme iSd § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 ergriffen worden und es sei somit ein Ende der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 nicht eingetreten, zu treffen gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II. Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am