VwGH vom 21.03.2005, 2004/17/0212
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des GK in G, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3161201/029- 2004, betreffend Anerkennung eines Hundes als Nutzhund nach dem Niederösterreichischen Hundeabgabegesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Gaweinstal, Kirchenplatz 3, 2191 Gaweinstal), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Schreiben vom ersuchte der Beschwerdeführer um Anerkennung seines Hundes als Wachhund nach dem Niederösterreichischen Hundeabgabegesetz und beantragte die entsprechende Festsetzung der Hundeabgabe mit EUR 6,50.
1.2. In der Folge erging an den Beschwerdeführer folgende mit datierte Erledigung:
"Betrifft: Festsetzung der Hundeabgabe als Wachhund BESCHEID
Herr K., (...), hat am um Festsetzung der Hundeabgabe als Wachhund, gemäß NÖ Hundeabgabegesetz 1979, LGBl. 3702-3, § 3a, angesucht.
Als Grund wird angegeben, dass der Betrieb in (...) von einem solchen Hund bewacht werde.
Über diesen Antrag hat der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Gaweinstal in seiner Sitzung am wie folgt entschieden:
Spruch
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 wird die Berufung als unbegründet
abgewiesen.
Begründung
Gemäß § 3 lit. a NÖ Hundeabgabegesetz 1979 gelten als Nutzhunde solche Hunde, die zur Bewachung von einzelstehenden Gebäuden, wenn diese von der nächstgelegenen Siedlung mehr als 100 m entfernt sind, sowie von Warenvorräten oder Binnenschiffen notwendig sind.
Die Liegenschaft (...) liegt inmitten des verbauten Gebietes
im Ortsbereich Gaweinstal.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
(...)
Marktgemeinde Gaweinstal
(...)
Bürgermeister"
1.3. Die gegen diese Erledigung gerichtete Berufung des Beschwerdeführers vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 als unbegründet ab.
1.4. Da die Berufungsbehörde auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht die erforderlichen Ermittlungen unterlassen habe, gab die belangte Behörde der gegen diesen Berufungsbescheid gerichteten Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom statt und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde.
1.5. Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde nach Durchführung eines Lokalaugenscheins den Antrag des Beschwerdeführers vom gemäß § 3a lit. a Niederösterreichisches Hundeabgabegesetz 1979 als unbegründet ab.
1.6. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom "gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet" zurück.
1.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Vorstellung.
1.8. Die belangte Behörde gab der Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom statt, hob den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde.
Die belangte Behörde begründete die Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom damit, dass über den Antrag des Beschwerdeführers vom der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom entschieden habe. Dieser Bescheid gehöre nach wie vor dem Rechtsbestand an, auch wenn die gegen ihn erhobene Berufung noch als unerledigt gelte. Der Bürgermeister habe daher mit Bescheid vom ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage ein zweites Mal in derselben Sache (über denselben Antrag) entschieden. Zur Entscheidung über die gegenständlichen Angelegenheit habe aber nur noch eine funktionelle Zuständigkeit des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde bestanden. Da der Gemeindevorstand die Unzuständigkeit des Bürgermeisters nicht von Amts wegen aufgegriffen und den Bescheid des Bürgermeisters vom nicht aufgehoben habe, sei der Bescheid des Gemeindevorstandes vom inhaltlich rechtswidrig.
1.9. Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde unter Berufung auf die Vorstellungsentscheidung der belangten Behörde vom die gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom gerichtete Berufung neuerlich "als unbegründet" zurück.
1.10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Vorstellung.
1.11. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die mangelnde Erforderlichkeit der Bewachung der in Rede stehenden Warenvorräte durch einen Wachhund im Sinne des § 3 lit. a Niederösterreichisches Hundeabgabegesetz gemäß § 61 Abs. 1 Niederösterreichische Gemeindeordnung 1973 als unbegründet ab.
1.12. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
1.13. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die §§ 3 und 5 Niederösterreichisches Hundeabgabegesetz 1979, LGBl. Nr. 3702-0, lauten auszugsweise:
"§ 3
Als Nutzhunde gelten Hunde, die als Wachhunde, Blindenführerhunde oder in Ausübung eines Berufes oder Erwerbes gehalten werden. Insbesondere gelten als Nutzhunde:
a) Hunde, die zur Bewachung von einzelstehenden Gebäuden, wenn diese von der nächstgelegenen geschlossenen Siedlung mehr als 100 m entfernt sind, sowie von Warenvorräten oder Binnenschiffen notwendig sind;
...
§ 5
(1) Die Anerkennung eines Hundes als Nutzhund ist bei der Abgabenbehörde innerhalb der Fälligkeitsfrist schriftlich zu beantragen. Die Abgabenbehörde hat in dem Bescheid, mit dem über den Antrag entschieden wird, die Höhe der Hundeabgabe festzusetzen."
2.3. In Hinblick auf die in Rechtskraft erwachsene Vorstellungsentscheidung der belangten Behörde vom ergibt sich für den Beschwerdefall Folgendes:
Gemäß § 61 Abs. 5 Niederösterreichische Gemeindeordnung 1973 ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt (nur) den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu. Die tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde sind für das fortgesetzte Verfahren vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bindend. Diese bindende Wirkung besteht selbst bei einem Widerspruch mit der objektiven Rechtslage. Die tragenden Aufhebungsgründe wirken absolut und sind auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/16/0379, und vom , Zl. 99/05/0129).
2.4. Die belangte Behörde hat mit ihrem Bescheid vom den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom mit der Begründung aufgehoben, dass mit dem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom in rechtswidriger Weise zum zweiten Mal in derselben Angelegenheit entschieden worden sei.
2.5. Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde hätte daher in Bindung an die tragenden Gründe der aufhebenden Vorstellungsentscheidung vom den Bescheid des Bürgermeisters vom ersatzlos aufheben und sich in der Folge unter Anwendung der Niederösterreichischen Abgabenordung 1977 mit der nach der bindenden Vorstellungsentscheidung vom noch offenen Berufung gegen die nach dieser Vorstellungsentscheidung dem Bürgermeister zuzurechnenden Erledigung vom auseinandersetzen müssen.
2.6. Ebenso wie der Gemeindevorstand war die belangte Aufsichtsbehörde an die von ihr ausgesprochene Rechtsansicht im beschwerdegegenständlichen Verfahren gebunden. Sie durfte sich dieser Bindung in ihrer Entscheidung vom (dem nunmehr angefochtenen Bescheid) über den Ersatzbescheid des Gemeindevorstandes nicht entziehen. Sie hatte vielmehr auf Grund ihrer Rechtsansicht den Bescheid des Gemeindevorstandes aufzuheben, weil er ihrem bindenden (zweiten) Vorstellungsbescheid widersprach.
2.7. Da die belangte Behörde dies verkannte, erweist sich der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
2.9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am