VwGH vom 28.02.2013, 2012/07/0114
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des SB in H, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Osterwitzgasse 6/II, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 10-FLG-341/4- 2012, betreffend Minderheitenbeschwerde (mitbeteiligte Partei:
Agrargemeinschaft "T" vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Bahnhofstraße 17), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Rechtsgrundlage der im vorliegenden Verfahren mitbeteiligten Agrargemeinschaft ist der "Plan" (Bescheid) der Agrarbezirksbehörde S vom . Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Stammsitzliegenschaft, die Mitglied dieser Agrargemeinschaft ist. Die Geschäfte der Agrargemeinschaft werden zurzeit durch einen Sachverwalter geführt.
Die Agrargemeinschaft, vertreten durch ihren damaligen Sachverwalter, wandte sich mit Zahlungsaufforderung vom an den Beschwerdeführer und forderte diesen auf, den Betrag von EUR 874,40 binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung auf das Konto der Agrargemeinschaft einzubezahlen. Der ausstehende Betrag setze sich aus Auftriebsschwendschichten für das Jahr 2010 zusammen.
Mit Schreiben vom beeinspruchte der Beschwerdeführer die Zahlungsaufforderung und ersuchte mit einem weiteren Schreiben die Agrargemeinschaft darum, ihm eine genaue Aufgliederung hinsichtlich des aushaftenden Betrages vorzulegen.
Mit Schreiben vom wies der Sachverwalter darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren so üblich gewesen sei, die Begleichung von Rückständen bezüglich der Aufstellung der Schichten einfach durch Einzahlung auszugleichen, so wie in der Informationsversammlung vom vorgelegt. Wunschgemäß werde eine Auflistung der Schulden des Beschwerdeführers übermittelt. Die notwendigen Beschlüsse seien in näher bezeichneten Protokollen der Agrargemeinschaft nachlesbar.
Aus der beiliegenden Aufstellung der Schichten für den Beschwerdeführer ergibt sich, dass ihm jeweils sechs Pflichtschichten für die Jahre 2000/01, 2001/02 und 2003/03 verrechnet wurden; diese seien aber ausbezahlt bzw. teilweise bezahlt worden. In den Jahren 2003/04 und 2004/05 seien vier Pflichtschichten angefallen, in den Jahren 2006 und 2007 keine und in den Jahren 2008, 2009 und 2010 jeweils eine Pflichtschicht. Erläuternd findet sich der Hinweis darauf, dass für das Projekt Käserei K Schwendprojekte durchgeführt worden seien. Die ersten drei Jahre hätten von jedem Mitglied 50 % der Anteile geleistet werden müssen; für den Beschwerdeführer, der zwölf Anteile besitze, bedeute dies sechs Schichten. Danach sei nur noch ein Drittel der Anteile (vier Schichten) zu leisten. Damit die geschwendeten Flächen nicht wieder zuwüchsen, sei beschlossen worden, dass jährlich eine Schicht zu leisten sei. Für den Almsommer müsse für drei aufgetriebene Rinder eine Schicht geleistet werden. Von der Familie des Beschwerdeführers seien die Schichten in der Vergangenheit entweder geleistet oder bezahlt worden. Der letzte Stand sei ein Rückstand von 10,93 Schichten. Multipliziere man dies mit acht Stunden, und den Stundensatz mit EUR 10,--, errechne sich der Betrag von 874,40.
Nach Erhalt dieses Schreibens brachte der Beschwerdeführer den Betrag von EUR 288,-- zur Einzahlung.
Die Agrargemeinschaft schrieb dem Beschwerdeführer mit Zahlungsaufforderung vom den Differenzbetrag von EUR 586,40 vor. Gegen diese Aufforderung erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom einen Einspruch und beantragte die Entscheidung der Agrarbehörde im Sinne des § 116 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (K-FLG).
Mit Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom wurde gemäß § 116 Abs. 2 leg. cit. festgestellt, dass die Zahlungsaufforderung der Agrargemeinschaft an den Beschwerdeführer vom in der Höhe von EUR 586,40 zu Recht bestehe. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Rechtsgrundlage für die vorgeschriebenen Beträge näher genannte rechtskräftige Vollversammlungsbeschlüsse der Agrargemeinschaft seien. Auf Grund der auch dem Beschwerdeführer vorliegenden Schichtenaufstellung der Agrargemeinschaft ergebe sich nachvollziehbar der ursprünglich vorgeschriebene und angesichts der Teilzahlung des Beschwerdeführers der nunmehr noch aushaftende Betrag.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er rügte, die Behörde erster Instanz habe nicht ermittelt, was er an der Rechnung auszusetzen habe. Auch auf die Satzungsvorgabe gehe der Bescheid nicht ein. Weiters seien im Ermittlungsverfahren die Rechtsgrundlagen der allgemeinen Bestimmungen zur Rechnungslegung der Bauern vergessen worden. Er stelle daher an die zuständige Behörde den Antrag, sie möge den Bescheid aufheben und die Rechtsgrundlagen der Republik Österreich umsetzen. Weiters werde der zuständigen Oberbehörde die schlechte Bilanz 2010 der Agrargemeinschaft angezeigt.
Die belangte Behörde führte über die Berufung des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung vom durch. Die Vertreterin des Beschwerdeführers legte dar, dass die Zahlungsaufforderung von Seiten der Agrargemeinschaft ohne für sie ersichtlichen Grund erfolgt sei. Anhand der vorgelegten Aufstellung über die angeblich geleisteten Schichten in den Jahren 2001 bis 2010 sei nicht nachvollziehbar, ob überhaupt bzw. wie viele Schichten tatsächlich geleistet worden seien; hiezu müsse es ihrer Ansicht nach gegengezeichnete Belege (Schichtenliste) geben. Die pauschale Verrechnung von EUR 10,-- pro Stunde sei für sie ebenso nicht nachvollziehbar, da sich die Stundensätze im Laufe der zehn Jahre mit Sicherheit geändert hätten.
Der Verhandlungsschrift ist zu entnehmen, dass hiezu von Seiten der sachkundigen Mitglieder - vorzugsweise des agrartechnischen sachkundigen Mitgliedes - festgestellt wurde, dass der Stundensatz von EUR 10,-- als durchaus angemessenes Äquivalent für nicht geleistete Arbeitsschichten qualifiziert werde.
Die Vertreterin des Beschwerdeführers führte weiter aus, es sei fragwürdig, warum der Sachverwalter die Rechnung für die Jahre 2001 bis 2010 erst im Jahr 2011 gelegt habe. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Entscheidung sei zu bemängeln, dass nicht eingehend ermittelt worden sei, was der Einschreiter an der Rechnung auszusetzen habe. Eine Kontrolltätigkeit der Erstbehörde gegenüber dem Sachverwalter sei für sie nicht erkennbar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass die Aufstellung der Schichten für den Beschwerdeführer (Schreiben des Sachverwalters vom ) und die dort in Rede stehende Kostenvorschreibung auf nicht erbrachte Schichtenleistungen im Zeitraum der Jahre 2003/04 bis einschließlich 2010 Bezug nehme. Nach den diesbezüglichen Aufzeichnungen habe der Beschwerdeführer in den Jahren 2000/2001 sowie 2001/02 offensichtlich Schichtenleistungen in einem höheren Ausmaß als vorgeschrieben bzw. erforderlich geleistet, wobei ihm seitens der Agrargemeinschaft jeweils ein in Betracht kommender Differenzbetrag ausbezahlt worden sei. Demgegenüber seien vom Vorgenannten im Zeitraum 2002/03 weniger Arbeitsschichten als vorgesehen geleistet worden, wobei offensichtlich der diesbezügliche Differenzbetrag von ihm an die Agrargemeinschaft bezahlt worden sei. Demgemäß lasse sich der vorliegenden Aufstellung auch für die belangte Behörde durchaus nachvollziehbar entnehmen, dass der nunmehrigen Zahlungsvorschreibung ausschließlich nicht geleistete Auftriebs- bzw. Pflichtschichten ab den Jahren 2003/04 bis einschließlich 2010, und zwar im Gesamtausmaß von 10,93 zugrunde gelegt worden seien.
An dieser Stelle sei zu konzedieren, dass den protokollarischen Dokumentationen über die im Rahmen von Vollversammlungen bzw. seit dem Jahr 2009 anlässlich der vom Sachverwalter der Agrargemeinschaft durchgeführten Informationsveranstaltungen mehr oder weniger konkret behandelte Thematik "Schichtenleistungen" großteils keine genauen Entscheidungen bzw. Festlegungen bezüglich des Ausmaßes sowie der Höhe des Stundensatzes zu entnehmen seien. Allerdings lasse sich aus der besagten Aufstellung eine nachvollziehbare Berechnungsmethode dahin erkennen, dass - offensichtlich in Anlehnung an den einstimmigen und auch rechtswirksamen Beschluss zu Tagesordnungspunkt 4. der Vollversammlung vom , wonach pro Anteil eine 0,3 Pflichtschicht pro Jahr zu leisten sei, - dem Beschwerdeführer Schichtenleistungen im Ausmaß von jeweils einem Drittel der in Betracht kommenden Berechnungsgrundlagen vorgeschrieben worden seien (Anzahl der aufgetriebenen Weidetiere für die Auftriebsschichten bzw. Höhe der Anteilsquote für die Pflichtschichten). Hinzu komme, dass für die Jahre 2006 und 2007 keine Pflichtschichten zur Vorschreibung gelangten und für die Jahre 2008, 2009 und 2010 jeweils (lediglich) eine solche Pflichtschicht veranschlagt worden sei, wobei dieses Vorgehen in der Aufstellung mit der Verhinderung des Zuwachses der geschwendeten Flächen begründet werde.
Die belangte Behörde könne der Erstbehörde zwar nicht dahin folgen, dass die Vollversammlungsbeschlüsse der Agrargemeinschaft die Rechtsgrundlage für die vorgeschriebenen Beträge bildeten, könne darin aber keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers erkennen, weil dieser weder im Antrag vom noch in der Berufung gegen den Erstbescheid vom konkrete Einwendungen gegen die Zahlungsaufforderung vom erhoben habe. Damit sei auch nicht konkret dargetan, ob sich sein Widerspruch gegen diese Zahlungsaufforderung auf das Ausmaß der errechneten Schichtenleistungen oder auch oder nur auf die Höhe des veranschlagten Stundensatzes beziehe. Aus der Einzahlung eines Teilbetrages lasse sich aber für die Berufungsbehörde doch eine zumindest grundsätzliche Zustimmung zur erfolgten Zahlungsvorschreibung herleiten.
In der Berufungsverhandlung seien seitens der Vertreterin des Beschwerdeführers Zweifel an der pauschalen Verrechnung von EUR 10,-- pro Stunde vorgebracht worden. Diesem Vorhalt sei zu begegnen, dass der im Raum stehende Stundensatz als durchaus angemessenes Äquivalent für nicht geleistete Arbeitsschichten qualifiziert worden sei. Damit müsse der Umstand, dass nach Ausweis der vorliegenden Aktenunterlagen ein diesbezüglicher Vollversammlungsbeschluss offenbar nicht gefasst worden sei, in den rechtlichen Hintergrund treten; gleiches gelte auch für den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3 der Vollversammlung vom , mit welchem ein Stundensatz von EUR 9,-- einschließlich einer Schichtdauer von acht Stunden festgelegt worden sei.
Mit Blick darauf, dass seitens des Beschwerdeführers sowohl im verfahrensauslösenden Antrag als auch in der Berufung nur allgemein gehaltene Kritikpunkte und damit keine konkreten Einwendungen in Bezug auf die Zahlungsvorschreibung erhoben worden seien, habe der erstbehördlichen Feststellung, wonach die gegenständliche Zahlungsaufforderung in der Höhe von EUR 586,40 zu Recht bestehe, letztlich nicht mit Erfolg entgegengetreten werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei erstattete, anwaltlich vertreten, ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Bestimmung des § 116 K-FLG, welche folgendermaßen lautet:
"§ 116. (1) Die Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs- und Agrargemeinschaften haben rückständige Kostenbeiträge durch Zahlungsaufforderung einzumahnen.
(2) Über die Zahlungspflicht hat im Streitfalle die Agrarbehörde zu entscheiden. Die Entscheidung kann von der Partei bei Agrarbehörde binnen zwei Wochen nach Zustellung der Zahlungsaufforderung beantragt werden.
(3) Für rückständige Kostenbeiträge können gesetzliche Verzugszinsen von dem auf Grund der Zahlungsaufforderung sich ergebenden Zahlungstermin an berechnet werden.
(4) Für die Einbringung rückständiger Geldleistungen gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53. Zur Eintreibung solcher Geldleistungen wird den Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs- und Agrargemeinschaften als den Anspruchsberechtigten die Einbringung im Verwaltungswege nach § 3 Abs. 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 53, gewährt (politische Exekution)."
Mit Bescheid der AB vom war in Bezug auf die mitbeteiligte Partei eine neue Weideordnung erlassen worden, deren hier relevanter Punkt VII folgenden Wortlaut aufweist:
"VII.
Zur Erhaltung des Weidebetriebes sind die jährlichen Schichten zu leisten, das Ausmaß der Arbeitsleistung ist nach Maßgabe der Erfordernisse vom Vorstand festzulegen. Die Arbeitsleistung ist pro Stunden zu berechnen, der Obmann bzw. sein Stellvertreter hat eine Stundenliste zu führen.
Anstelle der Arbeitsleistung kann von den verpflichteten Teilhabern ein Geldbetrag in die Nachbarschaftskasse einbezahlt werden, welcher alljährlich von der Vollversammlung festzusetzen ist.
Der Obmann bestimmt im Einvernehmen mit dem Vorstand die alljährlich vorzunehmenden Verbesserungsarbeiten nach Art, Umfang und Zeit und haben sich die Arbeiter seinen diesbezüglichen Anweisungen zu fügen. Die Arbeiten selbst sind unter Anleitung und Aufsicht des Obmannes oder eines hiezu bestimmten Mitgliedes der Agrargemeinschaft durchzuführen."
In einem Teil seiner Beschwerdeausführungen (Seite 10) vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, der angefochtene Bescheid stütze sich offensichtlich auf die Bestimmungen der §§ 50 ff K-FLG und damit folge die belangte Behörde den unrichtigen Begründungsausführungen des Erstbescheides vom .
Dieses Vorbringen ist nicht verständlich und dürfte irrtümlich Eingang in die vorliegende Beschwerde gefunden haben. So stammt der mit dem hier angefochtenen Bescheid bestätigte Erstbescheid der AB vom und weist zudem eine andere Geschäftszahl als die vom Beschwerdeführer genannte auf. Schließlich wird an einer weiteren Stelle der Beschwerde (Seite 11) zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der angefochtene Bescheid "offensichtlich auf § 116 K-FLG" stützt.
Daran, dass § 116 Abs. 2 K-FLG für die vorliegende Streitigkeit die zutreffende Rechtsgrundlage ist, bestehen seitens des Verwaltungsgerichtshofs keine Bedenken.
Aus Punkt VII der geltenden Weideordnung für die Agrargemeinschaft geht nun hervor, dass anstelle der vom Vorstand festzulegenden Arbeitsleistung von den verpflichteten Teilhabern ein Geldbetrag in die Nachbarschaftskasse einbezahlt werden kann, welcher alljährlich von der Vollversammlung festzusetzen ist. Daraus folgt für die Höhe des Entgeltes, das anstelle der Arbeitsleistung bezahlt werden kann, dass dieser ein Vollversammlungsbeschluss zugrunde liegen muss.
Im vorliegenden Fall gesteht die belangte Behörde aber selbst zu, dass die Vollversammlungsbeschlüsse der Agrargemeinschaft bzw. das weitere Tätigwerden des Sachverwalters keine rechtliche Deckung für die veranschlagte Höhe des Stundensatzes bieten, zumal es keinen Vollversammlungsbeschluss darüber gibt, dass der Stundensatz von EUR 10,-- auf die Ersatzarbeitsleistungen anzuwenden ist. Zudem geht aus Punkt VII der Weideordnung hervor, dass jährlich die Höhe des Entgeltes für die im jeweiligen Jahr anfallenden Abstandszahlungen festgelegt wird. Eine auch für die Vergangenheit geltende Rückberechnung unter Zugrundelegung eines später beschlossenen Stundensatzes scheidet daher ebenfalls aus.
Betrachtet man die von der Erstbehörde in den Mittelpunkt ihrer rechtlichen Überlegungen gestellten, von der belangten Behörde hingegen als nicht relevant erachteten Vollversammlungsbeschlüsse oder Entscheidungen des (die Vollversammlung ersetzenden) Sachverwalters des letzten Jahrzehnts zu diesem Thema, so ergibt sich folgendes Bild:
"Protokoll vom : 'Für das Schwenden wird eine Pflichtschicht zugesagt. Für die Motorsäge wird eine zweite Schicht geschrieben.'
Protokoll vom : 'Für das Schwendprojekt werden jährlich 200.000 für Budgetmeldung an Ing. Sch. gemeldet, als Basis wäre das eine Schicht pro Anteil und Jahr, 50 % der Leistung wird vom Programm refundiert.'
Protokoll vom : 'Ein neues Schwendprojekt wird für die nächsten zwei Jahre eingereicht. Gesamtkosten EUR 18.168,--. Pro Anteil ist eine 0,3 Pflichtschicht pro Jahr zu leisten. Die Werkzeugkosten übernimmt die Alm. Einstimmiger Beschluss!'
Protokoll vom : 'Die Schichten lt. Liste wurde von vulgo S vorgetragen.'
Protokoll vom : 'Schwendprojekt wurde um EUR 3.000,-- gekürzt, weil die notwendigen Schichten nicht erbracht wurden.'
Protokoll vom : 'Der Stundensatz ist EUR 9,-- Arbeitszeit 8 Stunden. Eine aktuelle Schwendschichtenliste wurde vorgelegt. Jene Mitglieder, die kein Vieh auftreiben, haben die Möglichkeit, die fehlende Leistung bis einzuzahlen, alle andern werden gebeten, die Schichten natural zu leisten, einberufen wird von der Verantwortlichen.'
Protokoll vom : 'Der Obmann berichtet, dass für den normalen Almbetrieb die Tierschichten ausreichen sollte. Weiter sind bei der Schichtenliste noch Außenstände, die per sofort abgerechnet werden. Der Obmann bringt noch vor, dass durch die Problematik, dass immer weniger Auftreiber werden, über eine Pflichtschicht für Nichtauftreiber nachzudenken. Wird von allen Mitgliedern angenommen.'
Protokoll vom : 'Die Schichtenliste übernimmt Herr B.H. und er wird bis Ende 2009 diese zur Gänze ausgleichen. Offene Forderungen werden zu Jahresende bar abgerechnet. Es besteht aber die Möglichkeit abzuleisten oder bezahlen. Alle Mitglieder sind damit einverstanden.'
Protokoll vom : 'Alle Mitglieder habe eine Pflichtschicht zu leisten. Die Abrechnung erfolgt nach der Saison.
Sollschichten und eine Pflichtschicht bei Mehrleistung; Auswahl:
ausbezahlen oder vortragen.'
Informationsversammlung : 'Pflichtschichten:
Frau S. hat den derzeitigen Stand vorgetragen. Der Sachverwalter betont, dass offene Schulden (lt. Liste) bis einzuzahlen sind. Guthaben können auf 2011 vorgetragen oder ausbezahlt werden. Weiters wurde vereinbart, dass in Zukunft die Pflichtschichten jährlich zum 31.12. abgerechnet werden! Weiter gilt, wie bisher, auch für die Zukunft 'ab drei Tage auf Alm = eine Schicht je Stück Vieh'. Ersatztiere werden nicht verrechnet.'"
Aus dieser Aufstellung ergibt sich, dass zuletzt im Jahr 2007 ein Stundensatz von EUR 9,-- einschließlich einer Schichtdauer von acht Stunden im Sinne des Art. VII der Weideordnung festgelegt wurde. Eine andere taugliche Grundlage in Form eines Vollversammlungsbeschlusses oder eines einem Vollversammlungsbeschluss gleichzuhaltenden Beschlusses des Sachverwalters über die Höhe des Stundensatzes ist in den vorgelegten Unterlagen über die Agrargemeinschaft nicht enthalten und wird das Bestehen einer solchen auch nicht behauptet.
Fehlt es aber an einem konkreten Vollversammlungsbeschluss im Sinne des Art. VII der Weideordnung über einen Stundensatz von EUR 10,--, so verletzt eine Berechnung auf der Grundlage eines solchen Stundensatzes den Beschwerdeführer in seinen Rechten.
Im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde tritt das Fehlen dieser rechtlichen Grundlage nicht "in den rechtlichen Hintergrund", sondern führt zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Dies ungeachtet dessen, dass die sachkundigen Mitglieder den im Raum stehenden Stundensatz von EUR 10,-- als angemessenes Äquivalent für nicht geleistete Arbeitsschichten qualifiziert haben. Für diesen Stundensatz gibt es keine Rechtsgrundlage, sodass es auf seine Angemessenheit nicht ankommt.
Es trifft zwar zu, wie die belangte Behörde mehrfach betont, dass weder der Antrag des Beschwerdeführers noch die Berufung konkrete Mängel in der Berechnung der eingemahnten Summe aufzeigen. Die allgemein formulierten Einsprüche bzw. die Berufung lassen aber den Rückschluss zu, dass sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, diesen Betrag zahlen zu müssen. Dies wurde von der Vertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde schließlich auch hinreichend deutlich gemacht, bezweifelte sie doch ausdrücklich die Richtigkeit des Stundensatzes von EUR 10,--. Die von der belangten Behörde monierte Unklarheit des Vorbringens des Beschwerdeführers hätte sie dazu veranlassen müssen, näher nachzufragen, und berechtigte sie nicht zur Annahme, der Beschwerdeführer habe sich in Wahrheit weder gegen den Grund noch gegen die Höhe der Vorschreibung gewandt.
Die Beschwerde macht schließlich auch die "Nichtigkeit des Verfahrens" geltend, weil die belangte Behörde nicht gesetzeskonform zusammengesetzt gewesen sei. So habe als landwirtschaftlicher Sachverständiger Dr. F H. und als agrartechnisches sachkundiges Mitglied Dipl. Ing. G H. fungiert. Nun sei der Erstgenannte aber kein landwirtschaftlicher Sachverständiger im Sinne des § 52 AVG, sondern Jurist, der zwar bei der Landwirtschaftskammer Kärnten beschäftigt, aber dort lediglich mit der Steuerung finanzieller Mittel befasst sei. Der Zweitgenannte sei ebenfalls agrartechnisch nicht sachkundig, weil er keine kulturtechnische Ausbildung besitze, sondern Makroökonom sei. Mit den Agenden der Agrartechnik habe er auch im Zuge seiner dienstlichen Tätigkeit nichts zu tun.
§ 5 Abs. 2 AgrBehG 1950 hat folgenden Wortlaut:
"§ 5. …
(2) Den Landesagrarsenaten gehören als stimmberechtigte Mitglieder an:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | ein rechtskundiger Landesbeamter als Vorsitzender, |
2. | drei Richter, |
3. | ein in den Angelegenheiten der Bodenreform erfahrener rechtskundiger Landesbeamter als Berichterstatter, |
4. | ein in agrartechnischen Angelegenheiten erfahrener Landesbeamter des höheren Dienstes, |
5. | ein in forstlichen Angelegenheiten erfahrener Landesbeamter des höheren Dienstes, |
6. | ein landwirtschaftlicher Sachverständiger im Sinne des § 52 AVG 1950." |
Die belangte Behörde nahm im Rahmen der Gegenschrift dazu insofern Stellung, als sie darauf hinwies, dass der als landwirtschaftlicher Sachverständiger auftretende Dr. F H. nach Abschluss seines rechtswissenschaftlichen Studiums seit 1985 bei der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Kärnten tätig sei, und zwar im Referat "Betriebswesen, Bauen und Entschädigungen". Im Rahmen dieses Tätigkeitsbereiches sei er in erster Linie mit Fragen der landwirtschaftlichen Bewertungen, Entschädigungen und weiteren Aspekten der Landwirtschaft, vorzugsweise in Form der Erstattungen entsprechender Gutachten konfrontiert. Seine Qualifikation als landwirtschaftlicher Sachverständiger sei daher durchaus gegeben. | |
Das agrartechnisch sachkundige Senatsmitglied Dipl. Ing. G H. verfüge über ein adäquates Studium (Landwirtschaft mit Schwerpunkt Agrarökonomik), in dessen Zusammenhang auch agrartechnische Lehrinhalte vermittelt würden. Der Genannte sei seit seiner Tätigkeit beim Land Kärnten mit sämtlichen Aspekten der fachlichen Landwirtschaft befasst, wozu auch agrartechnische Aufgabenstellungen zählten. Seit April 2010 sei er geschäftsführender Leiter der landwirtschaftlichen Fachabteilung und seit 2012 Leiter der nunmehrigen Abteilung "Kompetenzzentrum Land- und Forstwirtschaft". Im Rahmen dieser Funktion sei von Dipl. Ing. G H. die dienstrechtliche bzw. fachliche Patronanz auch über die Unterabteilung Agrartechnik wahrzunehmen. Schließlich habe auch die Dienstprüfung für den höheren landwirtschaftlichen Dienst das Fachgebiet Agrartechnik umfasst, welche der Vorgenannte mit Auszeichnung bestanden habe. | |
In Bezug auf das agrartechnisch sachkundige Senatsmitglied Dipl. Ing. Gerhard H. bestehen für den Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel, dass dieser angesichts seiner einschlägigen Ausbildung und Tätigkeit agrartechnisch sachkundig ist und daher im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Z 4 AgrBehG 1950 seine Funktion in der belangten Behörde entsprechend wahrnehmen kann. | |
Zum landwirtschaftlichen Sachverständigen ist darauf zu verweisen, dass es sich nach § 5 Abs. 2 Z 6 leg. cit. dabei um einen Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG handeln muss. Bei einem Sachverständigen nach § 52 AVG handelt es sich um eine Person mit besonderer Fachkunde; darauf wo sie sich dieses besondere fachliche Wissen angeeignet hat, kommt es dabei aber nicht an. Dem Vorbringen der belangten Behörde, dass dies beim Genannten durch die über 25jährige Tätigkeit bei der Landwirtschaftskammer sowohl im Bereich der landwirtschaftlichen Bewertungen und Entschädigungen als auch durch die Erstattung von Gutachten zu landwirtschaftlichen Belangen der Fall sei, ist der Beschwerdeführer nicht entgegen getreten. Vor diesem Hintergrund bestehen auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken dagegen, dass Dr. F H. als landwirtschaftlicher Sachverständiger der belangten Behörde aufgetreten ist. | |
Eine infolge unrichtiger Zusammensetzung des Kollegialorgans gegebene Unzuständigkeit der belangten Behörde und damit einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers ist daher unter diesem Aspekt nicht gegeben. | |
Aus den vorhin genannten Gründen war der angefochtene Bescheid aber wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. | |
Die angefochtene Entscheidung stammt von einem Landesagrarsenat und damit einem Tribunal iSd Art 6 MRK. Der Landesagrarsenat hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Durchführung einer solchen vor dem Verwaltungsgerichtshof war daher entbehrlich (vgl. ua das hg. Erkenntnis vom , 2004/07/0190, mwN). | |
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und - dem Antrag des Beschwerdeführers folgend - auf die in der Verordnung BGBl. Nr. 333/2003 festgelegte Höhe. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
BAAAE-70528