VwGH vom 29.03.2017, Ra 2016/15/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des O Z in L, vertreten durch die Glawitsch Sutter Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Spittelwiese 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101065/2013, betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2012 und Mai 2013,
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird betreffend Umsatzsteuer Mai 2013 zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Im übrigen Umfang (Umsatzsteuer 2009 bis 2012) wird die Revision als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom wurde u.a. ausgeführt, dem Revisionswerber (einem Verein) seien Zivildienstpflichtige durch "bescheidmäßige Zuweisung" seitens der Zivildienstagentur (BMI) zur Verfügung gestellt worden. Die Zivildiener seien in den jeweiligen Einrichtungen des Revisionswerbers eingesetzt worden. In diesen Einrichtungen würden Menschen mit (zum Teil schweren) Behinderungen in Beschäftigungs- bzw. Arbeitsbereichen betreut. Jeder Zivildienstleistende habe nach den Bestimmungen des Zivildienstgesetzes (ZDG) neben einer monatlichen Grundvergütung auch einen gesetzlichen Anspruch auf Verpflegung. Die angemessene Verpflegung (Frühstück, warme Hauptmahlzeit und eine weitere Mahlzeit) sei vom Rechtsträger (hier dem Revisionswerber) zur Verfügung zu stellen. Sei eine Naturalverpflegung nicht möglich, sei vom Rechtsträger ein Verpflegungsgeld gemäß der Verpflegungsverordnung zu berechnen und an den Zivildiener auszuzahlen. Der Anspruch auf eine angemessene Verpflegung bestehe für die gesamte Dauer des Zivildienstes, auch während der dienstfreien Zeiten. Der Zivildiener sei kein Dienstnehmer des Unternehmens, obwohl Sozialversicherungsbeiträge vom Rechtsträger zu zahlen seien.
2 Die umsatzsteuerliche Betrachtung habe in analoger Anwendung der Rechtsquellen zu den Sachleistungen an Arbeitnehmer zu erfolgen. Gesetzlich vorgeschriebene Leistungen an die beim Abgabepflichtigen beschäftigten Zivildienstleistenden, denen eindeutig ein Austauschverhältnis zu Grunde liege, seien als Leistungen einzustufen. Als Bemessungsgrundlage könnten die lohnsteuerlichen Sachbezugswerte angesetzt werden. Der Revisionswerber habe sich damit einverstanden erklärt, die Bemessungsgrundlage im Schätzungsweg zu ermitteln.
3 Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und setzte mit Bescheiden vom die Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2012 sowie für den Zeitraum Mai 2013 fest.
4 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Berufung. Zivildiener seien - wie auch das Finanzamt ausgeführt habe - keine Dienstnehmer des Revisionswerbers. Die Verpflichtung, die Zivildiener zu verpflegen, bestehe gegenüber dem Bund und nicht gegenüber den Zivildienern. Die Verpflegung sei daher keine Leistung gegenüber dem Zivildiener, um dessen Arbeitsleistung zu erhalten, sondern eine Leistung gegenüber dem Bund aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, die einzuhalten sei, damit ein Zivildiener zugewiesen werden könne. Die Erbringung der Verpflegung erfolge daher nicht im Austauschverhältnis zwischen Zivildiener und Revisionswerber, weil zwischen diesen ein Austauschverhältnis gar nicht bestehe. Kosten der Verpflegung seien allgemeine Betriebsausgaben; die Verpflegung unterliege nicht der Umsatzsteuerpflicht. Es liege auch kein Eigenverbrauch vor. Zivildiener seien nicht "Personal" des Revisionswerbers. Davon abgesehen bestehe ein gesetzlicher Anspruch auf Verpflegung. Schließlich lägen gewichtige betriebliche Gründe vor, die die kostenlose Abgabe von Verpflegung an einen Dienstnehmer rechtfertigten.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dem Revisionswerber würden von der Zivildienstagentur Zivildiener zur Verfügung gestellt. Die Zivildiener würden in verschiedenen Einrichtungen des Revisionswerbers zur Betreuung von Menschen mit (zum Teil schweren) Behinderungen eingesetzt. Sie unterstützten dabei die übrigen Angestellten im Bereich der Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen, bei Fahrdiensten und gelegentlich als Aushilfskräfte in der Verwaltung. Die Zivildiener würden vom Revisionswerber gemäß den Bestimmungen des ZDG entlohnt. Neben einer monatlichen Grundvergütung bestehe auch ein gesetzlicher Anspruch auf Verpflegung. Sei eine Naturalverpflegung seitens der Einrichtung nicht möglich, sei dem Zivildiener ein Verpflegungsgeld auszuzahlen. Anspruch auf Verpflegung bestehe auch in der dienstfreien Zeit. Während der Essenszeiten der zu betreuenden Personen seien die Zivildiener auch zur Unterstützung der Betreuerinnen eingeplant (Essenholen, Tischabräumen, Unterstützung während des Essens).
7 Die Zivildiener würden entsprechend den Vorgaben vom Revisionswerber unmittelbar entlohnt. Der Revisionswerber bestimme auch, in welchen Bereichen die zugewiesenen Zivildiener eingesetzt würden. Es sei daher von einer Dienstnehmereigenschaft der Zivildiener gegenüber dem Revisionswerber als Dienstgeber auszugehen. Der Zivildiener unterliege den Weisungen des Revisionswerbers und sei in dessen geschäftlichen Organismus eingegliedert. Nicht der Zivildienstagentur schulde der Zivildiener seine Arbeitskraft, sondern dem Revisionswerber.
8 Die unentgeltliche Lieferung von Mahlzeiten durch den Unternehmer an sein Personal in seinen Räumlichkeiten sei grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn es die Erfordernisse des Unternehmens, wie die Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Ablaufes von Arbeitssitzungen notwendig machten, dass die Lieferung von Mahlzeiten sichergestellt sei.
9 Die Essenszeiten der Zivildiener müssten nicht zeitgleich mit jenen der zu betreuenden Personen stattfinden. Die Pausen der Zivildiener seien nicht während der Essenspausen der zu betreuenden Personen, weil diese dazu beaufsichtigt und unterstützt werden müssten. Dies sei ein weiterer Hinweis darauf, dass die Zivildiener während der eigenen Essenszeiten keine Tätigkeiten zu verrichten hätten, welche auf ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Verpflegung hinwiesen.
10 Es seien keine Gründe vorgebracht worden, dass es ohne Verpflegung etwa zu einem Unterbrechen von Arbeitsabläufen gekommen wäre. Die Essenszeiten der Zivildiener seien grundsätzlich so zu wählen gewesen, dass sie den übrigen Betreuerinnen bei den Essenszeiten der zu betreuenden Personen behilflich sein konnten. Dass durch die Möglichkeit der betriebsinternen und kostenlosen Verpflegung die Mitarbeiter angehalten werden sollten, den Betrieb nicht zu verlassen, entspreche zwar grundsätzlich dem betrieblichen Interesse des Revisionswerbers, sei aber nicht geeignet, einen besonderen Umstand darzutun. Dass damit vor allem die Mitarbeiter einen nicht unerheblichen persönlichen Vorteil erhielten, der auf Befriedigung des privaten Bedarfs gerichtet sei, sei offensichtlich. Die unentgeltliche Verpflegung sei sohin vornehmlich im Interesse der Arbeitnehmer erbracht worden, denen dadurch ein verbrauchsfähiger Nutzen zugekommen sei. Es liege sohin ein Sachverhalt iSd § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994 vor.
11 Aufgrund der klaren Gesetzeslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf ) liege keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
13 Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 veranlagt. Damit ist das vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Erkenntnis betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai 2013 aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Die Revision war daher insoweit nicht gegen ein taugliches Anfechtungsobjekt gerichtet, weshalb die Revision in diesem Umfang in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war (vgl. ).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2012 erwogen:
15 In diesem Umfang ist die Revision zulässig, im Ergebnis aber nicht begründet.
16 Nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen der Umsatzsteuer u. a. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt.
17 Gemäß § 25 Abs. 1a Zivildienstgesetz 1986 (ZDG) hat der Zivildienstleistende Anspruch auf Verpflegung (§ 28 Abs. 1 ZDG).
18 Nach § 28 Abs. 1 ZDG haben die Rechtsträger der Einrichtungen u.a. dafür Sorge zu tragen, dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden.
19 Nach § 1 der Verpflegungsverordnung, BGBl. II Nr. 43/2006 (idF BGBl. II Nr. 37/2009) besteht eine angemessene Verpflegung von Zivildienstleistenden täglich aus Frühstück, einer warmen Hauptmahlzeit und einer weiteren Mahlzeit.
20 Nach § 2 dieser Verordnung kommt der Rechtsträger einer Einrichtung seiner Verpflichtung zur angemessenen Verpflegung von Zivildienstleistenden nach, indem er täglich Frühstück, eine warme Hauptmahlzeit und eine weitere Mahlzeit (Naturalverpflegung) zur Verfügung stellt.
21 Nimmt der Zivildienstleistende an einer ihm angebotenen Naturalverpflegung mit Zustimmung des Vorgesetzten nicht teil, so gebührt ihm gemäß § 3 der Verordnung als Ersatz derjenige Betrag, der den durchschnittlichen Kosten entspricht, die dem Rechtsträger der Einrichtung für diese Verpflegung erwachsen.
22 Soweit dem Rechtsträger die Naturalverpflegung nicht möglich ist, hat dieser nach § 4 Abs. 1 der Verordnung dem Zivildienstleistenden einen Betrag von 16 EUR zu leisten, wobei dieser Betrag nach Abs. 2 dieser Bestimmung unter näher genannten Voraussetzungen verringert werden kann.
23 Soweit dem Rechtsträger die Bereitstellung einzelner Mahlzeiten nicht möglich ist oder die angemessene Verpflegung des Zivildienstleistenden wegen Krankheit, Unfall oder Dienstfreistellung nicht möglich ist, hat er dem Zivildienstleistenden nach § 5 der Verordnung die Verpflegskosten abzugelten.
24 Zwischen dem zur Ableistung des Zivildienstes Verpflichteten und dem Staat besteht ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Der Anspruch des Zivildienstpflichtigen auf Verpflegung ist zwar vom Rechtsträger der Einrichtung zu erfüllen (einzulösen). Die aus Art. 9a Abs. 3 B-VG erfließende Verpflichtung, die Versorgung der zur Dienstleistung verpflichteten Staatsbürger für die Dauer des Dienstes zu gewährleisten, bleibt aber eine solche des Staates selbst. Dieser hat mit geeigneten Mitteln für ihre ordnungsgemäße Erfüllung durch den Dritten (Rechtsträger) zu sorgen; er ist weiters zur unmittelbaren Einlösung seiner Verpflegungsverpflichtung gegenüber den Zivildienstleistenden verhalten, wenn der Dritte seinerseits die ihm übertragene Aufgabe nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt. Der Staat erfüllt seine Verpflichtung durch Inpflichtnahme Dritter (vgl. , VfSlg. 16588).
25 Der Revisionswerber wirkt in diesem Sinne an der Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung mit (vgl. - zur Abgrenzung von Beleihung und Inpflichtnahme - ). Es besteht daher auch ein Rechtsverhältnis zwischen dem Staat (dem Bund) und dem Rechtsträger (vgl. § 42 Abs. 1 ZDG). Auf Grund und im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses hat der Rechtsträger u.a. dafür Sorge zu tragen, dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden.
26 Die Leistung der Verpflegung erfolgt damit - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - nicht unentgeltlich, sondern als Teil eines Leistungsaustausches zwischen dem Bund und dem Rechtsträger.
27 Der Zivildienst ist nach § 4 Abs. 1 ZDG in Einrichtungen zu leisten, die auf Antrag ihres Rechtsträgers vom Landeshauptmann als Träger des Zivildienstes anerkannt sind. Die Anerkennung ist nach § 4 Abs. 4 Z 3 ZDG insbesondere zu widerrufen, wenn der Rechtsträger der Einrichtung die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt. Der Zivildienstpflichtige ist gemäß § 8 Abs. 1 ZDG von der Zivildienstserviceagentur einer gemäß § 4 ZDG anerkannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Bescheid zuzuweisen. Der Zivildienstpflichtige hat seinen Dienst zu dem im Zuweisungsbescheid angegebenen Zeitpunkt anzutreten (§ 22 Abs. 1 ZDG). Er hat die ihm von der Einrichtung im Rahmen des Zuweisungsbescheides aufgetragene Dienstleistung gewissenhaft zu verrichten und die dienstlichen Weisungen seiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen (§ 22 Abs. 3 ZDG). Der Rechtsträger hat - wie bereits erwähnt - dafür Sorge zu tragen, dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden und ihnen die Pauschalvergütung geleistet wird (§ 28 Abs. 1 ZDG).
28 Die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Rechtsverhältnis zwischen Bund und dem Rechtsträger sind somit im Wesentlichen gesetzlich vorgegeben und werden im Einzelfall durch Zuweisungsbescheid begründet. Dies schließt die Umsatzsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Z 1 letzter Satz UStG 1994 aber nicht aus (vgl. Ruppe/Achatz, aaO § 1 Tz 21). Die Zahlungen und Leistungen - auch die Verpflegungsleistung - werden vom Revisionswerber erbracht, um die Arbeitsleistungen eines zugewiesenen Zivildienstleistenden zu erhalten. Dass die Zahlungen und Verpflegungsleistungen (im kurzen Wege) an die Zivildienstleistenden und nicht an den Partner des Rechtsverhältnisses (Bund) erbracht werden, ändert nichts daran, dass es sich um wechselseitige Leistungserbringungen im Rechtsverhältnis zum Bund handelt.
29 Die Höhe des bereits vom Finanzamt geschätzten Leistungsentgeltes wird auch in der Revision nicht in Frage gestellt.
30 Die Revision war daher betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2012 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am