VwGH vom 23.05.2012, 2009/22/0240
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vormals vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.878/4- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen des Kosovo, vom auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass die Beschwerdeführerin die Familienzusammenführung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater begehre. Dieser habe eine Haftungserklärung abgegeben. Bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit sei das pfändungsfreie Existenzminimum zu berücksichtigen; der Vater beziehe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.400,77. Das Existenzminimum betrage wegen der Unterhaltspflicht für die Mutter und den mj. Bruder des Beschwerdeführers EUR 1.560,--. Dem Vater verblieben somit EUR "660,77" monatlich, die er für Unterhaltsleistungen an die Beschwerdeführerin aufwenden könnte.
Selbst wenn die finanziellen Mittel ausreichend wären, wäre auf Grund der Aktenlage nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin vom Vater bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hätte oder mit diesem bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen hätte. Der Vater sei seit 1996 in Österreich mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet und wohnhaft. Es erscheine daher wenig plausibel, dass die Beschwerdeführerin in der nahen Vergangenheit mit ihrem Vater bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen oder nur Unterhalt bezogen habe.
Die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele seien höher zu werten als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
§ 47 NAG lautet (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 99/2006) auszugsweise:
"§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 sind, ist ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Dieser Aufenthaltstitel ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des 1. Teiles einmal um den Zeitraum von zwölf Monaten, danach jeweils um 24 Monate zu verlängern.
(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;
2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder
3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,
a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;
b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.
Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende
jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.
(4)…
…"
Die Beschwerde zeigt zutreffend einen Rechenfehler in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf. Unter Berücksichtigung eines Nettoeinkommens von EUR 2.400,77 monatlich und eines Existenzminimums von EUR 1.560,-- verblieben nämlich nicht EUR 660,77, sondern EUR 840,77. Damit wäre der monatliche Unterhalt der Beschwerdeführerin von EUR 772,40 gedeckt. Davon abgesehen hätte die belangte Behörde den "Familienrichtsatz" des § 293 ASVG heranziehen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0637, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
Weiters hat die Beschwerdeführerin bereits in der Erklärung vom bekanntgegeben, dass ihr Vater für sie sorge und ihr immer Geld in den Kosovo schicke. In der Stellungnahme vom wurde darauf hingewiesen, dass die Unterhaltsleistungen laufend monatlich erbracht würden und die Auszahlung bar erfolge.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist erschließbar, dass die belangte Behörde die Erfüllung eines der Tatbestände des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG deswegen verneint, weil die Beschwerdeführerin in der nahen Vergangenheit nicht mit ihrem Vater in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben könnte. Warum deswegen aber die Behauptung unrichtig sein soll, dass - auch ohne Zusammenleben - Unterhalt in bar bezahlt würde, ist nicht nachvollziehbar. Dieser Verfahrensmangel ist relevant, würde doch durch die Tatsache des Unterhaltsbezugs einer der alternativen Tatbestände des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG erfüllt.
Wegen dieser aufgezeigten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b) und c) VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das den dort vorgesehenen Pauschalbetrag - in dem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist - zuzüglich der Eingabengebühr übersteigende Mehrbegehren war abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
ZAAAE-70520