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VwGH vom 22.02.2011, 2007/18/0482

VwGH vom 22.02.2011, 2007/18/0482

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des SS in W, geboren am , vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/181.417/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich behauptetermaßen seit 1990, nach der Aktenlage jedoch erst seit im Bundesgebiet befinde, habe erstmals am einen Sichtvermerk und in weiterer Folge Aufenthaltstitel erhalten.

Aktenkundig sei die erstmalige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Strafbezirksgericht Wien vom gemäß § 136 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe.

Am sei er vom Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 83 Abs. 1 StGB erneut zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er am einem Angestellten, mit dem er wegen Lohnforderungen in Streit geraten sei, Schläge gegen den Körper versetzt habe, wodurch dieser Prellungen des Brustkorbes, eine Rissquetschwunde an der Stirn und an der linken Wange sowie Hautabschürfungen erlitten habe.

Am sei der Beschwerdeführer gemäß § 114 Abs. 1 und 2 ASVG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden, weil er als faktischer Geschäftsführer einer GmbH Sozialversicherungsbeiträge von Dienstnehmern dieses Unternehmens in der Höhe von knapp ATS 29.000,-- einbehalten bzw. der Wiener Gebietskrankenkasse vorenthalten habe.

Am sei er vom Landesgericht Eisenstadt gemäß § 164 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten, wovon ein Teil von zehn Monaten bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden, weil er einen PKW im Wert von EUR 90.000,--, der von einem anderen in Deutschland in betrügerischer Absicht geleast worden sei, von diesem übernommen habe, um jenen nach Ungarn zu verbringen und dort oder in einem anderen Land gewinnbringend zu veräußern.

Zuletzt sei der Beschwerdeführer am (nach Ausweis der Verwaltungsakten richtig: 2007) vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 223 Abs. 2 und § 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer, der im November 2005 auf Arbeitsuche gewesen sei, habe einem anderen, der dafür bekannt gewesen sei, gefälschte Taxilenkerausweise besorgen zu können, bei einem Treffen zwei Lichtbilder und eine Kopie seines Führerscheines übergeben und wenige Tage später einen gefälschten österreichischen Taxilenkerausweis erhalten, in dem das Lichtbild des Beschwerdeführers eingeklebt und dessen persönliche Daten eingefügt gewesen seien. Dafür habe er EUR 500,-- bezahlt. Mit diesem gefälschten Ausweis habe er sich im Dezember 2005 gegenüber Mitarbeitern eines Taxiunternehmens ausgewiesen, um vorzutäuschen, die Taxilenkerprüfung absolviert zu haben. Am habe er sich mit diesem gefälschten Ausweis im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung Polizeibeamten gegenüber ausgewiesen.

Die genannten Verurteilungen erfüllten den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierten Tatbestand. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. verwirklicht.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage geschieden und für zwei Kinder aus dieser Ehe unterhaltspflichtig. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen - dringend geboten sei. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers zeige eindrücklich, dass er offenbar nicht willens oder imstande sei, maßgebliche, in Österreich gültige Rechtsvorschriften einzuhalten. Seinen Verurteilungen seien Verletzungen der unterschiedlichsten geschützten Rechtsgüter zugrunde gelegen. Angesichts der Vielzahl seiner Verurteilungen sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch sein oftmaliges strafbares Verhalten erheblich an Gewicht gemindert werde. Auch seine familiären Bindungen erwiesen sich als keinesfalls ausgeprägt. Der Beschwerdeführer sei geschieden; der Mutter der (gemeinsamen) Kinder stehe die Obsorge zu. Hinzu trete, dass er erst seit Jänner 2005 (seiner Inhaftierung) wieder aufrecht (in Österreich) gemeldet sei. Vorher habe er laut seinen Angaben ein Jahr in Deutschland gelebt; seit sei er im Bundesgebiet nicht mehr gemeldet gewesen.

Insgesamt erweise sich das dem Beschwerdeführer zuzusprechende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als kaum ausgeprägt. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Fernbleiben vom Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer könne vom Ausland aus - wenn auch eingeschränkt - den Kontakt zu seinen Kindern wahrnehmen und seinen Sorgepflichten nachkommen. Diese Einschränkungen werde er im öffentlichen Interesse zu tragen haben. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Ein Tatbestand gemäß § 61 leg. cit. sei nicht erfüllt.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe auch keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine der unbefristete Ausspruch durch die erstinstanzliche Behörde auch nach Ansicht der belangten Behörde als gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf dessen Lebenssituation nicht vorhergesehen werden, ob jemals und gegebenenfalls wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In Anbetracht der Verurteilung des Beschwerdeführers vom wegen des Verbrechens der Hehlerei begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen und dem diesen zugrunde liegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers werden in der Beschwerde nicht bestritten. Obwohl der Beschwerdeführer im Jahr 2000 wegen des Vergehens der (vorsätzlichen) Körperverletzung und am wegen des Vergehens nach § 114 Abs. 1 und 2 ASVG jeweils strafgerichtlich verurteilt worden war, konnten ihn diese Verurteilungen nicht davon abhalten, in weit massiverer Weise straffällig zu werden und - wie aus dem in den Verwaltungsakten erliegenden diesbezüglichen Urteil hervorgeht - am das Verbrechen der Hehlerei zu verüben, indem er einen betrügerisch herausgelockten PKW mit einem Zeitwert von EUR 90.000,-- übernahm und von Österreich nach Ungarn verbringen wollte. Wegen dieser Straftat wurde über ihn am vom Landesgericht Eisenstadt eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon fünf Monate unbedingt, verhängt, auf welche ihm die vom bis verbüßte Vorhaft angerechnet wurde.

Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde der Beschwerdeführer am vernommen und ihm die Absicht der Fremdenpolizeibehörde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn nach Beendigung der Strafhaft in Schubhaft zu nehmen, zur Kenntnis gebracht. Weder seine bisherigen Verurteilungen und das Verspüren eines Haftübels noch die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes konnten den Beschwerdeführer davon abhalten, binnen kurzem erneut straffällig zu werden, indem er in wiederholten Handlungen, nämlich sowohl im Dezember 2005 als auch am , eine verfälschte inländische öffentliche Urkunde gebrauchte und hiedurch die Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß § 223 Abs. 2, § 224 StGB verübte.

In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass eine zu dessen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich und somit die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt vor, dass die gesamte Familie des Beschwerdeführers, nämlich seine Ehegattin und die gemeinsamen Kinder, die österreichische Staatsbürger seien, in Österreich aufhältig seien, er zu seinem ehemaligen Heimatstaat keine Beziehung mehr habe und seine Familie nicht in seiner ehemaligen Heimat leben könne. Auch unter Zugrundelegung seines langjährigen Aufenthaltes seit 1990 erweise sich das Aufenthaltsverbot als nicht gerechtfertigt.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Blickwinkel des § 66 FPG hat die belangte Behörde die langjährige Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seine Bindungen zu seinen beiden Kindern aus seiner geschiedenen Ehe, wobei seiner geschiedenen Ehegattin jedoch die Obsorge für die gemeinsamen Kinder zukommt, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Die Feststellungen der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer geschieden ist und die Obsorge für die Kinder deren Mutter zukommt, begegnen keine Bedenken. So hat der Beschwerdeführer nach Ausweis des diesbezüglichen Vernehmungsprotokolls bei seiner Vernehmung durch die erstinstanzliche Behörde am angegeben, dass er geschieden sei und keine Sorgepflichten habe sowie die beiden (1992 und 1996 geborenen) Kinder bei ihrer Mutter in W lebten. Weiters gab er bei seiner Vernehmung an, dass er in (dem ehemaligen) Jugoslawien 15 Jahre lang die Schule besucht habe, seine Eltern dort lebten und er dort (in B) seine Heimatadresse habe. Er sei zuletzt in Österreich nicht aufrecht gemeldet gewesen, weil er ca. ein Jahr in Deutschland gelebt habe, und lebe erst wieder seit etwa Juni 2005 in Österreich. Ferner ist in den Verwaltungsakten eine Kopie der beglaubigten Übersetzung des Scheidungsurteiles des Gemeindegerichtes A. (Republik Serbien) vom enthalten, woraus hervorgeht, dass die am geschlossene Ehe des Beschwerdeführers im Einvernehmen geschieden worden sei und das Recht der Obsorge und Erziehung der beiden minderjährigen Kinder der geschiedenen Ehegattin als deren Mutter zugeteilt worden sei.

Den insgesamt dennoch gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinen mehrfachen Straftaten resultierende Gefährdung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte anderer gegenüber. Wie bereits ausgeführt, konnten den Beschwerdeführer weder mehrfache strafgerichtliche Verurteilungen noch das Verspüren des Haftübels oder die Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes davon abhalten, binnen kurzem neuerlich straffällig zu werden. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der aus dem Verhalten des Beschwerdeführers resultierenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den gegenläufigen persönlichen Interessen.

3. Ferner kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, dass in Anbetracht des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers, der - wie bereits mehrfach erwähnt - trotz Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn erneut straffällig geworden ist, nicht hervorgesehen werden könne, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund weggefallen sein würde, und es zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die die Festsetzung einer anderen Dauer dieser Maßnahme geboten hätten.

4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am