VwGH vom 13.12.2011, 2009/22/0227

VwGH vom 13.12.2011, 2009/22/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der A in Wien, vertreten durch Dr. Robert Lattermann, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Stiftgasse 21/20, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 150.528/3-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel und Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen, somit in der Bestätigung der Wiederaufnahme des Verfahrens, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, beantragte am bei der österreichischen Botschaft in New Delhi die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige eines Österreichers. Dieser Antrag langte bei der erstinstanzlichen Behörde am ein. Der Beschwerdeführerin wurde ein Aufenthaltstitel mit Gültigkeit vom bis ausgestellt.

Am beantragte sie die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels.

Mit Bescheid vom nahm die erstinstanzliche Behörde das Verfahren über den Erstantrag gemäß § 69 Abs. 3 iVm § 69 Abs. 1 Z 1 AVG wieder auf und wies den Antrag vom auf Erteilung "einer quotenpflichtigen Erstniederlassungsbewilligung Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung nicht Folge.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe.

Es sei ihr im Verlängerungsverfahren vorgehalten worden, dass im Verfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitels gefälschte Einkommensbestätigungen "der Firma Eduard W" vorgelegt worden seien. In ihrer Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, ihr Ehemann wäre laut seiner Aussage verzweifelt gewesen, weil sein damaliges Einkommen unter EUR 1.100,-- netto gelegen sei und er hätte, um den Antrag schnell erledigen zu können, Bestätigungen des genannten Unternehmens gekauft. Erst im Zuge des Verwaltungsverfahrens über den späteren Verlängerungsantrag sei die Erschleichung des Aufenthaltstitels bemerkt worden. Indem die Beschwerdeführerin im Verfahren über den Erstantrag auf Mittel ihres Ehemannes verwiesen und zum Nachweis der Erteilungsvoraussetzung im Zuge der Antragstellung bei der Österreichischen Botschaft bereits selbst u.a. die falschen Urkunden der "Firma Eduard W" vorgelegt habe, habe sie sich die Erteilung des Aufenthaltstitels erschlichen. Das nach der Antragstellung dem Landeshauptmann von Wien weitergeleitete "Beweismittelunterlagenkonvolut" habe bereits die gefälschten Einkommensbestätigungen enthalten. Die Beschwerdeführerin könne sich daher nicht darauf berufen, ihr Ehemann habe diese Bestätigungen ohne Wissen und Wollen der Beschwerdeführerin vorgelegt. Erst über Aufforderung zur Nachreichung von Beweismittelunterlagen habe der Ehemann eine zusätzliche gefälschte Einkommensbestätigung vorgelegt.

Somit sei die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht von Amts wegen verfügt worden.

Die Beschwerdeführerin habe entgegen § 47 Abs. 2 NAG nicht nachgewiesen, wesentliche Erteilungsvoraussetzungen des 1. Teiles des NAG zu erfüllen.

Aufenthaltstitel dürften einem Fremden gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten im Oktober 2007 auf Dauer ein durchschnittliches monatliches Einkommen von zumindest EUR 1.091,14 benötigt. Die Beschwerdeführerin sei selbst geringfügig beschäftigte Angestellte mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von EUR 175,-- netto. Ihr Ehemann verdiene in zwei Beschäftigungsverhältnissen EUR 477,93 und EUR 624,92. Das aktuelle gesetzliche Mindesterfordernis von EUR 1.158,08 würde nur deswegen um EUR 119,77 überstiegen, weil das Einkommen der Beschwerdeführerin von EUR 175,-- mitberücksichtigt werde. Da sie den Aufenthaltstitel, der ihr den Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt habe, jedoch erschlichen habe, sei dieser Betrag nicht zu berücksichtigen, sodass sich ein Fehlbetrag von EUR 55,23 gegenüber dem gesetzlichen Erfordernis ergebe. Somit dürfe der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG nicht erteilt werden.

Die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren mit Täuschungsvorsatz gefälschte Urkunden vorgelegt. Zusätzlich habe sie im weiteren Verfahrensverlauf durch ihre Passivität die Vorgangsweise des Ehemannes zu korrigieren unterlassen, gefälschte Urkunden über das Familieneinkommen vorzulegen und diese Täuschung dadurch solange zumindest begünstigt, als diese Vorgangsweise dem Antrag zum angestrebten Verfahrenserfolg verholfen habe. Aufenthaltstitel dürften jedoch einem Fremden nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt öffentlichen Interessen nicht widerstreite. Durch ihr Verhalten habe die Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung bereits massiv gefährdet.

Letztlich beurteilte die belangte Behörde die Versagung des Aufenthaltstitels als zulässig im Sinn des Art. 8 EMRK.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die vorgelegte Einkommensbestätigung falsch ist. Der Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass in solchen Konstellationen eine Wiederaufnahme des Verfahrens gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0078, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Insoweit die belangte Behörde aber den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf das Fehlen allgemeiner Voraussetzungen abgewiesen hat, ist der Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Grundsätzlich ist zwar die Ansicht der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG anzunehmen ist, wenn ein Antragsteller gefälschte Urkunden mit dem Ziel, dadurch einen Aufenthaltstitel zu erlangen, vorlegt. Es muss aber der Fremde selbst ein Verhalten setzen, das die Annahme nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG rechtfertigt. Die bloße Tatsache im Verfahren aufgetauchter gefälschter Einkommensbestätigungen reicht dabei nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0899). Die belangte Behörde ist im Recht, dass sich die vorliegende Konstellation von jener unterscheidet, die dem hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0908, zu Grunde lag. Aber auch wenn - wie vorliegend - die gefälschten Urkunden schon als Beilagen mit dem Antrag vorgelegt worden sind, ist nicht ohne weiteres der Schluss zulässig, dass dem Fremden die Fälschung der Urkunden auch bekannt war. Die Beschwerdeführerin hat in der Berufung ausdrücklich vorgebracht, ihr Ehemann habe ihr gegenüber nie erwähnt, dass die Bestätigung falsch sei, und die Beschwerdeführerin selbst sei der deutschen Sprache in keiner Weise mächtig. Nach ihrem Vorbringen hat sie somit bei Antragstellung eine Einkommensbestätigung vorgelegt, die sie nicht lesen konnte und deren Fälschung ihr nicht bekannt war. Sollte dies zutreffen, könnte eine der Beschwerdeführerin zuzurechnende Gefährdung der öffentlichen Ordnung nicht bejaht werden. Diese Gefährdung hat die belangte Behörde allein daraus abgeleitet, dass die falsche Einkommensbestätigung bereits bei der Einbringung dem Antrag angeschlossen war. Sie hat jedoch - ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht - die wesentliche Feststellung unterlassen, ob der Beschwerdeführerin auch bekannt war, dass es sich bei dieser Einkommensbestätigung um eine Fälschung handelt.

Demgemäß zog die belangte Behörde zu Unrecht den Gefährdungstatbestand des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG zur Antragsabweisung heran.

Der angefochtene Bescheid kann aber auch nicht darin Bestand haben, dass das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel der Bewilligung entgegenstehe.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass das Gesamteinkommen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes den erforderlichen Unterhaltsbetrag übersteige. Sie sprach jedoch dem Einkommen der Beschwerdeführerin die Relevanz mit der Begründung ab, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt erschlichen worden sei. Dieser Umstand ist aber nicht wesentlich. Wesentlich ist allein die Frage, welches (gemeinsame) Einkommen nach Erteilung des Aufenthaltstitels zu erreichen sein wird. In diesem Sinn ist es auch nicht von Belang, ob die bisherige Tätigkeit trotz Fehlens einer Beschäftigungsbewilligung ausgeübt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0802). Ein ausreichendes Einkommen hätte die belangte Behörde nur dann verneinen dürfen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Beschwerdeführerin dieses Einkommen trotz Erteilung des beantragten Titels nicht wird erzielen können.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid, soweit damit der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Im Übrigen, somit hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens über den gegenständlichen Antrag, war die Beschwerde hingegen als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am