VwGH vom 13.09.2011, 2009/22/0224
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des NM in S, geboren am , vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. Fr- 683/08 (neu E1/2370/2/2009), betreffend Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am mit einem von bis gültigen Visum C rechtmäßig in Österreich eingereist. Daraufhin habe er in S bei seiner Tante A N Unterkunft genommen. Nach Ablauf des Visums habe sich seine Tante bemüht, für ihn "die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels zu erwirken". Der diesbezügliche Antrag sei dem Vorbringen zufolge am dem Leiter der "SOS Kinderdorf" zur Antragseinbringung übergeben worden.
Erhebungen der Bundespolizeidirektion Salzburg hätten ergeben, dass seitens des SOS Kinderdorfes in S nie für den Beschwerdeführer eine Anregung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen eingebracht worden sei, weil der Beschwerdeführer nie im SOS Kinderdorf wohnhaft gewesen sei. Er sei dort unbekannt. Es sei allerdings auch nicht auszuschließen, dass der Fall des Beschwerdeführers "an den mittlerweile aufgelösten Beirat für Asyl- und Migrationsfragen herangetragen" worden sei.
Nach Erreichen der Volljährigkeit sei der Beschwerdeführer am nach 1120 Wien übersiedelt; dort habe er bei der im Jahr 1948 geborenen R N Unterkunft genommen.
Am habe die damals zuständige Niederlassungsbehörde (Landeshauptmann von Wien) die Angelegenheit des Beschwerdeführers dem Bundesminister für Inneres vorgelegt, um über die Anregung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen zu entscheiden. Diese Anregung sei allerdings wieder an die Niederlassungsbehörde erster Instanz zurückgemittelt worden, weil eine fremdenpolizeiliche Stellungnahme noch nicht vorgelegen sei.
In weiterer Folge habe die Bundespolizeidirektion Wien dem Landeshauptmann von Wien mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung zu erlassen. Das diesbezügliche Ausweisungsverfahren sei daraufhin auch eingeleitet worden.
Der Beschwerdeführer habe dann seinen Wohnsitz von Wien wieder nach S verlegt und - eigenen Angaben zufolge - zunächst bei einem Cousin Unterkunft genommen.
Zwar seien dem Beschwerdeführer von seiner rechtsfreundlichen Vertretung Bestätigungen ausgestellt worden, wonach sein Aufenthalt wegen der Anregung auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels zu dulden wäre, jedoch seien diese Bestätigungen nicht rechtswirksam. Spätestens seit der Einleitung des aufenthaltsbeendenden Verfahrens habe sich der Beschwerdeführer auch seines unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Da der Beschwerdeführer es unterlassen habe, nach Ablauf der Gültigkeit seines Visums aus dem Bundesgebiet auszureisen, und er auch nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sei, halte er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Angesichts seines mittlerweile fünf Jahre währenden Aufenthalts im Bundesgebiet sei zwar von einem mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einhergehenden Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, jedoch wirke sein langjährig nicht rechtmäßiger Aufenthalt wesentlich interessenmindernd.
Nach dem Tod seines Vaters sei der Beschwerdeführer mit Bescheid der zuständigen serbischen Behörde unter die Pflegschaft seiner Tante A N gestellt worden. Als Begründung sei diesem Bescheid zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer begonnen hätte, asoziales Verhalten zu zeigen und die Mutter nicht in der Lage gewesen wäre, ihn "zu kontrollieren". Zwar habe der Beschwerdeführer nach seiner Einreise im Februar 2004 auch bei seiner Tante A N Unterkunft genommen und vom Sommersemester 2004 bis Sommersemester 2005 - insgesamt eineinhalb Jahre - in S die Hauptschule besucht. Nach Erreichen der Volljährigkeit (am ) sei der Beschwerdeführer aber nach Wien übersiedelt. In der Folge habe er seinen Wohnsitz wieder nach S verlegt. Erhebungen des Landespolizeikommandos S hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer seit fast einem Jahr nicht mehr an jener Adresse wohne, an der er gemeldet sei. Vielmehr wohne er nunmehr an einer anderen Adresse in S bei seiner Lebensgefährtin R.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seinen Angaben zufolge wohne er bei seinem Cousin und dessen Familie. Tatsächlich habe er jedoch bei R Unterkunft genommen. Tanten von ihm lebten in S und Wien. Darüber hinausgehende familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer nicht. Seine Mutter und zwei Geschwister lebten in seinem Heimatland.
Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zu. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit (seit Ablauf seines Visums) unrechtmäßig in Österreich aufhältig sei. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Zudem sei der Beschwerdeführer bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen; am Arbeitsmarkt in Österreich sei er nicht integriert. Er habe sich zum Schein an einer anderen Adresse angemeldet, als an jener, an der er tatsächlich Unterkunft genommen habe. Die Lebensgemeinschaft mit R habe der Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt aufgenommen, als ihm längst bewusst gewesen sei, dass er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Sohin stelle sich die Erlassung der Ausweisung auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG als zulässig dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ausführungen der belangten Behörde, er verfüge über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich und der die Ausweisung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt. Vor dem Hintergrund der behördlichen Feststellungen begegnet die diesbezügliche Auffassung der belangten Behörde keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer richtet sich gegen die nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Soweit er in diesem Zusammenhang vorbringt, seine Freundin sei "vom Beschwerdeführer schwanger" und die Geburt des Kindes stehe unmittelbar bevor, ist darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Vorbringen im Verwaltungsverfahren nie erstattet wurde. Die darauf bezugnehmenden Beschwerdeausführungen stellen sich somit als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen dar (§ 41 Abs. 1 VwGG). Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren auch ausreichend Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen. Anders als er meint, ist der belangten Behörde aber auch im Zusammenhang mit seinem Wunsch, Akteneinsicht nehmen zu dürfen, kein Verfahrensfehler vorzuwerfen.
Des Weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, jene Umstände, aus denen sich eine familiäre Integration in Österreich ergebe, seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde erster Instanz habe die Lebensgemeinschaft mit R "immerhin bereits" acht Monate bestanden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung zutreffend darauf hingewiesen hat, dass der Beschwerdeführer diese Lebensgemeinschaft zu einem Zeitpunkt aufgenommen hat, als er auf die Fortführung eines Familienlebens in Österreich infolge seines unrechtmäßigen Aufenthalts nicht vertrauen durfte, und er sich dieser Situation auch bewusst war. Auf dem Boden der behördlichen Feststellungen hat somit die belangte Behörde auf das Bestehen der Lebensgemeinschaft ausreichend Bedacht genommen.
Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis zu kommen gewesen wäre, seine Ausweisung aus Österreich wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. unter Bedachtnahme auf die in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig. Die geltend gemachten Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von etwas mehr als fünf Jahren nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde - wie bereits erwähnt - vor allem auch berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer infolge seines nach Ablauf der Gültigkeit des Visums unrechtmäßigen Aufenthalts nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können.
Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert angesehen. Mit der belangten Behörde ist aber auch darauf hinzuweisen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/21/0509). Gegen diese Normen verstoßen (u.a.) Fremde, die trotz Ablaufes ihres Visums unrechtmäßig in Österreich verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher bewertete als das gegenläufige der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit Ende Februar 2004 unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden, woran letztlich auch die von ihm angesprochene Situation während seiner Minderjährigkeit nichts ändert. Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen, aus denen sich ergibt, dass der Beschwerdeführer bereits ab Erlangen seiner Volljährigkeit zu jener Tante, der während seiner Minderjährigkeit seine Pflege anvertraut war, keine intensive familiäre Beziehung mehr pflegt, blieben unbestritten.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-70467