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VwGH 22.02.2017, Ra 2016/13/0047

VwGH 22.02.2017, Ra 2016/13/0047

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
LiebhabereiV 1993 §1 Abs2;
RS 1
In besonderen Ausnahmefällen kann auch eine Betätigung, die einkommensteuerlich als Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 2 LVO zu werten ist, umsatzsteuerpflichtig sein (vgl. das Erkenntnis vom , 2011/15/0157, VwSlg 8850 F/2013, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom , 2010/15/0107, VwSlg 8805 F/2013).
Normen
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs2;
RS 2
Die Subsumtion einer Betätigung unter § 1 Abs. 2 LVO ist als Vorfrage nach § 1 Abs. 1 zweiter Teilstrich unabhängig von den Kriterien des § 1 Abs. 1 erster Teilstrich zu prüfen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln in 2100 Korneuburg, Laaerstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7103976/2015, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 (mitbeteiligte Partei: Verein R in K, vertreten durch die Bernardini & Co Wirtschaftsprüfung GmbH in 1130 Wien, Trazerberggasse 85), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitglieder des seit 1967 bestehenden mitbeteiligten Vereins, der einen Reitstall unterhält, entrichteten in den Streitjahren 2010 bis 2012 Jahresbeiträge in der Höhe von EUR 100,-

- sowie monatliche Einstellgebühren pro Pferd in der je nach Art der Box unterschiedlichen Höhe von EUR 350,-- oder EUR 450,--. Streitpunkt des Verfahrens ist die Umsatzsteuerpflicht des Vereins hinsichtlich der Einstellgebühren.

2 Gegen Umsatzsteuerbescheide vom , in denen das Finanzamt vom Bestehen dieser Umsatzsteuerpflicht ausging, weil "Liebhaberei iSd § 1 Abs. 1 LVO" vorliege, erhob der Verein durch seine steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom Berufung.

3 Die Begründung der Berufung gliederte sich in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt wurde dargelegt, es liege "keine Einkunftsquelle gemäß § 1 Abs.1 LVO" vor. Das Finanzamt habe "das Vorliegen einer Einkunftsquelle gemäß § 1 Abs. 1 LVO nicht begründet". Der Verein sei "nicht darauf ausgelegt, Gewinne zu erwirtschaften". Er diene nur dazu, den Mitgliedern "die Möglichkeit der Unterbringung und Pflege ihrer Pferde zu ermöglichen". Es würden nur Leistungen an Mitglieder erbracht, sodass keine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr vorliege und auch keine Gewerbeberechtigung erforderlich sei. Nach "wirtschaftlicher Betrachtensweise" liege "eine Art Interessengemeinschaft von Pferdebesitzern zur Förderung ihres Hobbys bzw. ihrer sportlichen Ziele" vor. Zur Förderung der Vereinstätigkeit würden von den Mitgliedern auch Sach- und Arbeitsleistungen erbracht, deren Wert laut angeschlossener Aufstellung in den drei Streitjahren in Summe rund EUR 400.000,-- betragen habe. Der Verein habe keinerlei Interesse "an einer wirtschaftlichen Betätigung im Sinne des Vorliegens einer Einkunftsquelle nach den erwähnten steuerlichen Kriterien". Die Tätigkeit sei unter § 1 Abs. 2 der Liebhabereiverordnung zu subsumieren. Nach der Rechtsprechung setze dies u.a. voraus, "dass sich die im Rahmen der zu prüfenden Betätigung verwendeten Wirtschaftsgüter von ihrer Anzahl her für die private Nutzung eignen". Diese Voraussetzung sei "im konkreten Fall dadurch gegeben, dass jedes Mitglied des Vereins sein eigenes Pferd im Rahmen der Einstelltätigkeit selbst unterhält, es erfolgt keine Unterbringung und Verpflegung von ‚fremden' Pferden von Nichtmitgliedern. Es liegt daher die Bewirtschaftung des Wirtschaftsgutes ‚Pferd' (...) vor".

4 Im zweiten Abschnitt der Berufungsbegründung wurde zum behaupteten Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit aus unionsrechtlicher Sicht ausgeführt, der Verein verhalte sich nicht marktkonform:

"Die an die Mitglieder verrechneten Einstellgebühren decken nicht die anfallenden Kosten.

Der Verein versucht nicht, zur Erhöhung des Kostendeckungsgrades entsprechende unternehmerische Maßnahmen, wie eine Erhöhung der Umsätze oder eine Reduktion der Kosten, zu setzen.

Es werden wesentliche freiwillige, unentgeltliche Sach- und Arbeitsleistungen der Mitglieder für den Verein zur Erhaltung des Reitstalls erbracht.

Es liegt keine Gewerbeberechtigung zum Betrieb eines Reitstalls oder einer Pferdepension vor, da diese aufgrund der Art und des Umfangs der Tätigkeit nicht benötigt wird.

Die Tätigkeit des Vereins wird ausschließlich gegenüber seinen Mitgliedern entfaltet, keine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr.

Es steht die Förderung der sportlichen Ziele der Mitglieder im Vordergrund, es liegt daher eine Förderung der privat veranlassten pferdesportbezogenen Interessen der Vereinsmitglieder vor, die Einstellung und Pflege der Pferde der Mitglieder ist diesem Ziel untergeordnet.

Keine Gewinnerzielungsabsicht, kein wirtschaftliches Kalkül, laufende Verluste."

5 Vergleiche man diese Umstände mit jenen, unter denen "die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit" eines Reitstalls oder einer Pferdepension "gewöhnlich" ausgeübt werde, so sei sofort zu erkennen, dass "kein marktkonformes Verhalten und somit keine wirtschaftliche Tätigkeit des Vereins" vorliege.

6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde u.a. dargelegt, es seien etwa 30 Pferde eingestellt, mehr sei "in den derzeitigen Stallungen nicht möglich". Außer Innen- und Außenboxen gebe es auf dem Gelände u.a. auch eine Reithalle, einen großen Springplatz, Koppeln, Weiden und eine Schrittmaschine. Es werde dreimal täglich gefüttert, täglich ausgemistet und die Pferde würden auf die Koppeln oder in die Schrittmaschine gebracht. Der Verein beschäftige zwei Arbeitnehmer. Die Mitarbeit von Vereinsmitgliedern bei Koppelpflege u.dgl. erfolge freiwillig und reduziere nicht die Einstellgebühr. Die Einnahmen des Vereins bestünden zum überwiegenden Teil aus den strittigen Einstellgebühren, deren Höhe nach Ansicht des Finanzamtes auch marktkonform sei. Nach § 2 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994 genüge jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinne zu erzielen, fehle oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig werde. Eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 LVO liege nicht vor, wozu u. a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/15/0164, zu verweisen sei. Auf die Absicht, Gewinne zu erzielen, komme es auch nach Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH nicht an. Aus den Argumenten in der Beschwerde lasse sich nicht ableiten, dass sich das Leistungsangebot und die konkrete Art der Ausübung der Tätigkeiten von jenen gewerblicher Reitbzw. Pferdeeinstellungsbetriebe mit vergleichbarer Größe wesentlich unterschieden.

7 Im Vorlageantrag vom wurde vor allem der in der Beschwerdevorentscheidung auch enthaltenen Behauptung entgegengetreten, bei der Besichtigung (im Mai 2015) habe der Vereinsobmann erwähnt, Pferdeeinsteller müssten "nicht unbedingt" Vereinsmitglieder sein. Von dieser falschen Annahme sei das Finanzamt beim Vergleich mit Pferdeeinstellbetrieben und auch beim Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ausgegangen. Anders als in dem mit diesem Erkenntnis entschiedenen Fall unterhalte der Verein auch keine eigenen Pferde. Zur Beurteilung aus unionsrechtlicher Sicht werde auf die in der Beschwerde dargestellten Aspekte eines nicht marktgerechten Verhaltens verwiesen, auf die das Finanzamt nicht eingegangen sei. Die vom Finanzamt erwähnte Rechtsprechung des EuGH zum Betrieb von Photovoltaikanlagen betreffe einen Fall, der überhaupt nicht vergleichbar sei.

8 Mit Schriftsatz vom trat der Verein nochmals der Behauptung entgegen, nach Auskunft des Obmanns habe auch für Nichtmitglieder die Möglichkeit bestanden, Pferde einzustellen. Das Finanzamt nahm dazu Stellung und wiederholte u. a. den Hinweis, dass das Gesetz die Tätigkeit einer Personenvereinigung gegenüber ihren Mitgliedern genügen lasse.

9 In der mündlichen Verhandlung am bestätigte der steuerliche Vertreter des Vereins die "Anzahl von 30 Pferden" im Zeitpunkt der Besichtigung. Er bekräftigte, dass der Verein keine eigenen Pferde habe, gab an, in den Streitjahren sei auch kein Reitunterricht gegeben worden, und verneinte jede Art von Leistungsangeboten gegenüber Dritten. Die von den Mitgliedern neben dem jährlichen Mitgliedsbeitrag zu entrichtenden "Zahlungen, die für die Einstellung und Versorgung der Pferde verlangt werden", seien "Kostenbeiträge, die allerdings nicht kostendeckend sind". Ihre Höhe werde von den Sachleistungen der Mitglieder nicht beeinflusst.

10 In einer zusammenfassenden Darstellung der Gründe für eine Subsumtion unter § 1 Abs. 2 LVO brachte der steuerliche Vertreter - neben einer teilweisen Wiederholung der im Schriftsatz vom dargestellten Gründe für das Fehlen eines marktkonformen Verhaltens - noch vor, der Verein biete im Unterschied zu gewerblichen Einstellern "keine Zusatzleistung wie z. B. Reitunterricht, Futterhandel, Pferdehandel etc. an". Er erziele keine Gewinne, der jährliche Abgang müsse durch freiwillige Leistungen der Mitglieder abgedeckt werden. Vom Verein werde "ausdrücklich kein marktkonformes Verhalten und damit keine allfällige Vergleichbarkeit mit anderen Anbietern gesetzt".

11 Der Vertreter brachte aber auch vor, es seien "vier Vergleichsbetriebe im Umkreis von ca. 20 km" im Internet recherchiert worden, wobei sich gezeigt habe, "dass deren Einstellpreise zwischen 26 und 38% über unseren Einstellpreisen liegen. Hieraus wird deutlich, dass unser Verein bei weitem nicht kostendeckend arbeitet, daher keine Gewinnerzielungsabsicht hat und auch keine Gewinne erzielt". Die Ansicht des Finanzamtes, die Preise seien marktkonform, treffe daher nicht zu. Ob die ermittelten Vergleichspreise Umsatzsteuer enthalten hätten, könne er nicht sagen.

12 Der Vereinsobmann legte dar, die "Einstellung und Versorgung der Pferde am Standort" könne "deshalb nicht als eigenständige Tätigkeit beurteilt werden, weil sie im Kontext der Gesamtaktivitäten des Vereines erfolgt. Das Wesen des Vereines ist die Förderung und Ausübung des Reitsportes und in diesem Kontext erfolgt auch die Versorgung der Pferde, für die natürlich Aufwendungen anfallen, die durch die Kostenbeiträge abgedeckt werden. Die Einstellung der Pferde steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Erfüllung des Vereinszweckes".

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge. Es hob die Umsatzsteuerbescheide des Finanzamtes ersatzlos auf und stellte zum Sachverhalt u.a. fest, "dass im Rahmen des Vereines die Unterbringung, Fütterung und Pflege von 28 Pferden erfolgt. Die Besitzer der Pferde sind ausnahmslos Vereinsmitglieder, und zwar 13 ordentliche Mitglieder und 6 ausübende Mitglieder". Dies sei "keine eigenständige Tätigkeit, zumal sie im Kontext der auf die Förderung und Ausübung des Reitsports als Hobby und Freizeitaktivität der Mitglieder ausgerichteten Gesamtaktivitäten des Vereins erfolgt". Die "monatliche Einstellgebühr für ein Pferd" betrage je nach Box EUR 350,-- oder EUR 450,--. Der Verein beschäftige zwei Arbeitnehmer. "Pferdeeinstellbetriebe" im Umkreis von etwa 20 km verlangten Einstellgebühren, "welche (inklusive USt) um 10-28% höher" seien als die vom Verein verlangten Kostenbeiträge. In den Streitjahren habe die Summe der Kostenbeiträge EUR 154.958,-- (2010), EUR 151.299,-- (2011) und EUR 116.607,-- (2012) und die Summe der Ausgaben EUR 159.218,-- (2010), EUR 170.329,-- (2011) und EUR 145.045,-- (2012) betragen. Dabei seien die in der Beschwerde dargestellten Eigenleistungen der Mitglieder noch nicht berücksichtigt.

14 Im Anschluss an allgemeine Rechtsausführungen würdigte das Bundesfinanzgericht den Fall sodann in rechtlicher Hinsicht u. a. wie folgt:

"Die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2012 wurden erlassen, weil die belangte Behörde unter Zugrundelegung der Annahme einer Liebhaberei gem. § 1 Abs. 1 LVO vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom und folglich von der Unternehmereigenschaft gem. § 2 UStG 1994 des Bf. ausging.

Aus den vorliegenden Ermittlungsergebnissen geht zweifelsfrei hervor, dass der seit seiner Gründung im Jahr 1967 in unverändert gleicher Weise tätige Verein aufgrund der Art der Betriebsführung objektiv gesehen nicht ertragsfähig ist und somit zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, Gewinne zu erwirtschaften.

Die äußeren Umstände sprechen eindeutig dafür, dass dem gemäß § 2 Abs. 1 der Statuten nicht auf Gewinn ausgerichteten Verein keine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden kann.

Die belangte Behörde ging jedoch von einer Gewinnerzielungsabsicht des Bf. aus. In der Begründung der angefochtenen Bescheide ist ausgeführt: ‚... Ertragsteuerlich liegt jedoch Liebhaberei iSd § 1 Abs. 1 LVO vor. ...'

Aus der Textierung des § 1 Abs. 1 LVO geht klar hervor, dass unter diese Bestimmung nur eine Betätigung fallen kann, die durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn zu erzielen, wobei Voraussetzung ist, dass die Absicht anhand objektiver Umstände nachvollziehbar ist.

Tatsache ist, dass von der belangten Behörde nicht schlüssig erklärt wurde, aufgrund welcher konkreten Umstände eine Gewinnerzielungsabsicht des Bf. angenommen wurde. Daher ist die in der Beschwerde erhobene Einwendung, dass das Finanzamt das Vorliegen einer Einkunftsquelle gem. § 1 Abs. 1 LVO nicht begründet habe, zutreffend.

In der Beschwerdevorentscheidung (...) verwies die belangte Behörde auf ein höchstgerichtliches Erkenntnis, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zur Ansicht gelangte, dass der Betrieb eines Reitstalles mit fünf bis zwölf eigenen und bis zu vier weiteren Beritt- und Einstellpferden regelmäßig nicht als Liebhaberei iSd § 1 Abs. 2 LVO anzusehen sei und dass dies umso mehr gelte, wenn in einem solchen Betrieb auch Reitunterricht angeboten werde und Praktikanten ausgebildet würden ().

Diese Argumentation zeigt sehr anschaulich, dass der im konkreten Fall gegebene Sachverhalt bei der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde weitestgehend ausgeblendet wurde. Es wurde nicht beachtet, dass der nicht nach außen auftretende Bf. weder eigene Pferde noch Beritt- und Einstellpferde vereinsfremder Personen hat, keinen Reitunterricht gegen Entgelt anbietet und auch keine Praktikanten ausbildet. Dem von der belangten Behörde genannten VwGH-Erkenntnis liegt ein vollkommen anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, weshalb aus dieser Rechtsprechung keinesfalls Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung des beschwerdegegenständlichen Sachverhaltes hergeleitet werden können.

Die von der belangten Behörde offenbar vertretene Ansicht, dass das Vorliegen einer Liebhaberei gem. § 1 Abs. 1 LVO auf dieses VwGH-Erkenntnis gestützt werden könne, erweist sich in Ansehung der realen Gegebenheiten als vollkommen verfehlt. Der relevante Inhalt dieser höchstgerichtlichen Entscheidung ist, dass bei Reitställen, welche Wirtschaftsgüter darstellen, die vielfach der Sport- und Freizeitausübung dienen, eine Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalles erforderlich ist. Insbesondere können die Tatsachen, dass der Verein stets Verluste erzielte und dass in den Jahren 2010 bis 2012 (bei der Ermittlung der Verluste laut Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nicht berücksichtigte) Aufwendungen iHv EUR 404.530,00 von Vereinsmitgliedern privat getragen wurden, bei der rechtlichen Beurteilung nicht ignoriert werden.

Es ist zu berücksichtigen, dass der nur im Innenverhältnis gegenüber seinen Mitgliedern tätige Bf. für die Einstellung der Pferde seiner Mitglieder Kostenbeiträge vereinnahmt, die nicht kostendeckend und nicht marktkonform sind.

Nach der oben dargestellten Rechtslage ist eine Betätigung nur dann als Einkunftsquelle gem. § 1 Abs. 1 LVO anzusehen, wenn nach der ausgeübten Art der Betätigung objektive Ertragsfähigkeit vorliegt, wenn also nach der konkreten Art der Wirtschaftsführung ein positives steuerliches Gesamtergebnis innerhalb eines absehbaren Zeitraumes erzielbar ist.

Im konkreten Fall führt die gebotene Gesamtbetrachtung der vorliegenden Fakten zur Überzeugung, dass das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht des Bf. nicht ernsthaft bezweifelt werden kann. (...)

Die Ansicht, dass der Bf. eine gleichartige Tätigkeit wie ein gewerblicher Pferdeeinstellbetrieb ausübe, gründet sich auf eine unzureichende Befassung mit den konkreten Fakten sowie auf tatsachenwidrige Sachverhaltsannahmen. Allein der Umstand, dass auf dem Gelände des Bf. die Pferde der Vereinsmitglieder gegen Leistung eines (im Übrigen nicht kostendeckenden und nicht marktkonformen) Kostenbeitrages eingestellt, verpflegt und versorgt werden, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass die Betätigung des Bf. jener einer gewerblichen oder landwirtschaftlichen Pensionspferdehaltung gleichzuhalten ist. (...)

Die Qualifizierung der Betätigung des Bf. als Liebhaberei gem. § 1 Abs. 1 LVO durch die belangte Behörde erfolgte in Verkennung der Sach- und Rechtslage, da nach der ausgeübten Art der Betätigung das Vorliegen objektiver Ertragsfähigkeit zu verneinen ist, dh nach der konkreten Art der Wirtschaftsführung ein positives steuerliches Gesamtergebnis innerhalb eines absehbaren Zeitraumes nicht erzielbar ist. (...)

Die gebotene gesamthafte Betrachtung der Sachverhaltselemente führt zum Ergebnis, dass die von den Vereinsmitgliedern für die Unterbringung, Versorgung und Pflege ihrer Pferde an den Bf. entrichteten Kostenbeiträge nicht marktkonform sind und daher keine wirtschaftliche Tätigkeit des Bf. vorliegt.

Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, die u. a. von einem Tätigwerden des Bf. nach außen und von marktkonformen Einstellgebühren ausging, beruht in wesentlichen Punkten auf unrichtigen Sachverhaltsannahmen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Bf. keine wirtschaftliche Tätigkeit (...) ausübt und daher nicht als Unternehmer iSd gem. § 2 UStG 1994 tätig wird.

Da die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2012 nicht zu Recht erlassen wurden, war spruchgemäß zu entscheiden."

15 Eine Revision dagegen erklärte das Bundesfinanzgericht als gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes. Zu ihrer Zulässigkeit verweist das Finanzamt u.a. auf die Abweichung des Bundesfinanzgerichtes von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere von den Erkenntnissen vom , 2010/15/0107, und vom , 2011/15/0164.

17 Der mitbeteiligte Verein hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der die Zulässigkeit der Revision bestritten und deren Abweisung beantragt wird.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 Die Revision ist zulässig und begründet, weil sich das Bundesfinanzgericht über Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinweggesetzt und seine Entscheidung auf ein Fehlverständnis der anzuwendenden Vorschriften gegründet hat.

20 Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

21 Nicht als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit gilt gemäß § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 eine Tätigkeit, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten lässt (Liebhaberei). Dieser Bestimmung ist im Hinblick auf § 28 Abs. 5 Z 4 UStG 1994 der in der Liebhabereiverordnung (LVO) konkretisierte Inhalt (als Steuerbefreiung) beizumessen (vgl. dazu das Erkenntnis vom , 2004/14/0082, VwSlg 8110/F, und zum Zusammenspiel der genannten Vorschriften etwa auch die Erkenntnisse vom , 2011/15/0175, VwSlg 8721/F, und vom , Ra 2014/15/0015).

22 Gemäß § 6 LVO kann Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn nur bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 LVO, nicht hingegen bei anderen Betätigungen vorliegen. In besonderen Ausnahmefällen kann auch eine Betätigung, die einkommensteuerlich als Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 2 LVO zu werten ist, umsatzsteuerpflichtig sein (vgl. das Erkenntnis vom , 2011/15/0157, VwSlg 8850/F, mit Hinweis auf das in der Revision zitierte Erkenntnis vom , 2010/15/0107, VwSlg 8805/F).

23 § 1 Abs. 1 und 2 LVO (i.d.F. BGBl. II Nr. 358/1997) lauten:

"§ 1. (1) Einkünfte liegen vor bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis), die

- durch die Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn oder

einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) zu erzielen, und

- nicht unter Abs. 2 fällt.

Voraussetzung ist, daß die Absicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3) nachvollziehbar ist. Das Vorliegen einer derartigen Absicht ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen.

(2) Liebhaberei ist bei einer Betätigung anzunehmen, wenn

Verluste entstehen

1. aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich

nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine

Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (zB Wirtschaftsgüter,

die der Sport- und Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter)

und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung

begründeten Neigung entsprechen oder

2. aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere

in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen sind oder

3. aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen,

Eigentumswohnungen und Mietwohngrundstücken mit qualifizierten Nutzungsrechten.

Die Annahme von Liebhaberei kann in diesen Fällen nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 ausgeschlossen sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen."

24 § 2 Abs. 1 LVO trifft Regelungen für den Fall, dass "bei Betätigungen im Sinn des § 1 Abs. 1 Verluste" anfallen, und nennt Umstände, anhand derer das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss zu erzielen, in einem solchen Fall vor allem zu beurteilen ist.

25 In dem in der Revision zitierten Erkenntnis vom , 2010/15/0107, VwSlg 8805/F, hob der Verwaltungsgerichtshof u.a. hervor, das "Ergebnis" der Tätigkeit sei "umsatzsteuerlich nicht relevant".

26 Das Erkenntnis vom , 2011/15/0164, betraf die Abgrenzung zwischen § 1 Abs. 1 und 2 LVO im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Reitstalles. Der Verwaltungsgerichtshof sprach - wie vom Bundesfinanzgericht nunmehr wiedergegeben - aus, die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 LVO sei "nach den Umständen des Einzelfalles" zu beurteilen, worunter - vom Bundesfinanzgericht nicht erwähnt - "insbesondere Anzahl und Umfang der Wirtschaftsgüter und die Qualität der Betätigung zu verstehen" seien (Hinweis auf Doralt/Renner, EStG14, 2010, § 2 Tz 464). Gemessen an diesen Kriterien werde "der Betrieb eines Reitstalls mit fünf bis zwölf eigenen und bis zu vier weiteren Beritt- und Einstellpferden regelmäßig nicht als Betätigung iSd § 1 Abs. 2 LVO anzusehen" sein. Nach diesem Erkenntnis ist also auf die Größe des Betriebes Bedacht zu nehmen (vgl. nun auch das ebenfalls einen Reitstall betreffende Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0002).

27 Die Vertreter des mitbeteiligten Vereins waren darauf im Rechtsmittelschriftsatz vom unter dem Gesichtspunkt der "Anzahl" der Wirtschaftsgüter auch eingegangen, wobei statt auf die Tätigkeit des Vereins (Betrieb eines Reitstalls für etwa 30 Pferde) aber auf die "Bewirtschaftung" der jeweils eigenen Pferde durch deren Einsteller Bezug genommen wurde.

28 Das Bundesfinanzgericht hat das vom Verwaltungsgerichtshof erwähnte Beurteilungskriterium beiseitegeschoben und auch sonst die Rechtslage verkannt. Letzteres betrifft zunächst - trotz auch insoweit wiederholter Hinweise des Finanzamtes - den Regelungsinhalt des § 2 Abs. 1 UStG 1994, soweit es darin ausdrücklich heißt, es bedürfe keiner Absicht, Gewinne zu erzielen, und es genüge, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

29 Das angefochtene Erkenntnis beruht - insoweit Argumenten des mitbeteiligten Vereins folgend - aber schon im Ansatz auf einem unzutreffenden Verständnis der für die Entscheidung maßgeblichen Fragestellung. Im vorliegenden Fall stand das Fehlen einer Einkunftsquelle im einkommensteuerrechtlichen Sinn auch nach Ansicht des Finanzamtes fest. Ausschlaggebend war gemäß § 6 LVO, ob sich dies nur aus der Nichterfüllung der positiven Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 LVO oder ob es sich aus dem Vorliegen einer Betätigung im Sinn des § 1 Abs. 2 LVO ergab. Demgegenüber hat das Bundesfinanzgericht der Bezugnahme des Finanzamtes in den Bescheiden vom auf "Liebhaberei iSd § 1 Abs. 1 LVO" die Bedeutung unterstellt, das Finanzamt habe die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 LVO gemeint, und davon ausgehend angenommen, mit Hinweisen auf die Nichterfüllung positiver Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 LVO eine Subsumtion unter § 1 Abs. 2 LVO begründen zu können. Die Subsumtion einer Betätigung unter § 1 Abs. 2 LVO ist jedoch als Vorfrage nach § 1 Abs. 1 zweiter Teilstrich unabhängig von den Kriterien des § 1 Abs. 1 erster Teilstrich zu prüfen.

30 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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Normen
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016130047.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-70446