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VwGH vom 21.11.2012, 2012/07/0073

VwGH vom 21.11.2012, 2012/07/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der M K in W, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 2/I, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA10A-LAS16Ke2/2011-16, betreffend eine Angelegenheit des StELG 1983 (mitbeteiligte Partei: Ing. F R in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Vorverfahren ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom , 2009/07/0094, zu verweisen (im Folgenden: "Vorerkenntnis").

Diesem ist zu entnehmen, dass mit einem Übereinkommen vom zwischen den Eigentümern näher genannter Grundstücke Holzbezugsrechte geregelt wurden. Dieses acht Punkte umfassende Übereinkommen wurde mit einem Nachtrag vom (lit. a und b) ergänzt und vom Erkenntnissenat der Agrar-Landesbehörde Graz in der Sitzung vom auf Grund des Gesetzes BGBl. Nr. 688 vom (Wiederbesiedelungsgesetz) genehmigt.

Am beurkundete die Agrarbezirksbehörde Graz unter Bezugnahme auf den Nachtrag vom gemäß den §§ 1 Abs. 1 Z 1, 2 Abs. 2 und 47 Abs. 1 und 2 des Gesetzes vom , LGBl. Nr. 62 (Wald- und Weideservituten-Landesgesetz 1956 - SLG), einen dieses Übereinkommen abändernden Vergleich. Die Eigentümer der berechtigten bzw. verpflichteten Liegenschaft seien darin übereingekommen, die Punkte 3 und 4 des Übereinkommens aus dem Jahr 1922 aufzuheben und durch eine andere Vereinbarung zu ersetzen.

Der Mitbeteiligte ist als Eigentümer der EZ. 8, KG A, derzeit Holzbezugsberechtigter und die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der dienenden Liegenschaft (nunmehr EZ. 818, KG M) Holzbezugsverpflichtete.

Aus einer vor der Agrarbezirksbehörde für Steiermark, Dienststelle L (ABB), mit dem Mitbeteiligten aufgenommenen Niederschrift vom geht näher ausgeführt hervor, dass die Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten wiederholt das ihm zustehende Brennholz vorenthalten habe, sodass er bis heute einen Brennholzabgang von 124,8 Festmetern in den Jahren 1999 und 2004 bis 2007 zu verzeichnen habe.

In einer mündlichen Verhandlung vor der ABB am beantragte der Mitbeteiligte die Verpflichtung der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des verpflichteten Gutes zur Stellung der rückständigen Holzmenge einschließlich des Jahresanspruches 2008 im Sinne des Vergleiches vom .

Mit Bescheid vom verpflichtete die ABB die Beschwerdeführerin, an den Mitbeteiligten Brennholz in Form von Rundlingen im Ausmaß von 124,8 Festmetern, darin enthalten ein Nachbezug für das Jahr 1999 sowie die Bezugsmenge für die Jahre 2004, 2005, 2006 und 2007, sowie den Jahresanspruch 2008 im Ausmaß von 17,6 Festmetern, sohin insgesamt 142,4 Festmeter binnen 14 Tagen nach Rechtskraft dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen auf einem LKW-Waldabfuhrweg, auf Grundstück Nr. 1645, KG M gelegen, bereit zu stellen.

Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin.

Am führte die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung der Parteien durch.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Erstbescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 1 Agrarverfahrensgesetz 1959 (im Folgenden: AgrVG) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Mitglieder der belangten Behörde waren der Ausfertigung des Bescheides zufolge unter anderem Dipl.-Ing. F R, F G wie auch der damalige Präsident des LGZ Graz, Dr. M S.

Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Vorerkenntnis aufgehoben.

Darin führte der Verwaltungsgerichtshof zunächst zur Zuständigkeit der Agrarbehörden näher begründet aus, dass diese im gegenständlichen Fall gegeben sei. Rechtsgrundlage für das vorliegende Verfahren sei in erster Linie die durch die ABB gemäß der §§ 1 Abs. 1 Z 1, 2 Abs. 2 und 47 Abs. 1 SLG beurkundete Vereinbarung vom ; damit seien die ursprünglichen Punkte 3 und 4 des Vertrages aus dem Jahr 1922 inhaltlich verändert worden. Mit dieser Vereinbarung sei auch ausdrücklich vereinbart worden, dass die anderen Bestandteile des Vertrages aus dem Jahre 1922 aufrecht bleiben sollten; diese Vertragsbestandteile seien somit ebenfalls zum Inhalt auch der Vereinbarung vom gemacht worden.

Näher begründet führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass gegen die Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Holzbezugsrechtes als Einforstungsrecht, das nunmehr dem StELG unterliege, keine Bedenken bestünden. Für die Durchführung von Verfahren, die sich auf das Übereinkommen vom bezögen, seien daher die Agrarbehörden zuständig; dies gelte auch für das hier gegenständliche Verfahren. Nach § 2 Abs. 1 zweiter Satz StELG sei eine Verjährung von Einforstungsrechten durch Nichtausübung nicht möglich. Daran ändere es auch nichts, wenn sich die Verpflichtete der Ausübung dieses Rechtes durch den Berechtigten über einen längeren Zeitraum widersetzt habe. Damit vermöge sie keinen Untergang des Einforstungsrechtes zu bewirken.

Schließlich erklärte der Verwaltungsgerichtshof, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG nicht gegeben gewesen seien. Dies im Wesentlichen deshalb, weil angesichts des bisherigen Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verfahren, insbesondere des Fehlens einer die Nichtvorzeige substantiiert bestreitenden Behauptung, die von der belangten Behörde als Aufhebungsgrund herangezogene Notwendigkeit weiterer Ermittlungen über die tatsächlich erfolgten Leistungen nicht gegeben erschienen. Die von der belangten Behörde als notwendig erachteten Verfahrensergänzungen könnten schließlich gegebenenfalls vor dieser vorgenommen werden.

Im fortgesetzten Verfahren nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom ausführlich Stellung.

Schließlich brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie wie in den letzten Jahren die geforderte Holzmenge nicht an einem Waldabfuhrweg bereitstellen könne. Einer Begründung dafür bedürfe es nicht, da die Vereinbarung vom verschuldensunabhängig sei. Diese Vereinbarung sei überdies klar als Wahlmöglichkeit zwischen der Bereitstellung an Waldabfuhrwegen - was damals Hohlwegen und nicht den heutigen Forststraßen entsprochen habe - und der Entnahme durch den Mitbeteiligten am Stock vereinbart. Der Umrechnungsschlüssel zwischen Raummeter und Festmeter sei falsch. Schließlich seien gemäß § 6 Abs. 2 StELG Bestimmungen der Regulierungsurkunden, wonach Brennholz im Wald abzulängen oder aufzuarbeiten sei, aufgehoben. Eine Bringung an einen Waldabfuhrweg setze jedoch eine Aufarbeitung und Ablängung voraus.

Am hielt die belangte Behörde eine Verhandlung ohne Zuziehung der Parteien ab; den Verfahrensakten sind keine Ladungen der Verfahrensparteien zu entnehmen. Im Verfahrensprotokoll ist unter der Anmerkung "Anwesende Beteiligte und ihre Vertreter" vermerkt, dass die Parteien dem Verfahren in der Verhandlung am beigezogen gewesen seien. Unter den aus dem Richterstande stammenden Mitgliedern der belangten Behörde war Dr. S nicht mehr angeführt, sondern Dr. H W, Präsident des LGZ Graz.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde in nunmehr (wie oben angeführt) geänderter Zusammensetzung die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Dipl.-Ing. R und Herr G waren laut der Ausfertigung des Bescheides wiederum Mitglieder der belangten Behörde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Schriftsatz vom versucht habe, eine Veränderung der Sach- und Rechtslage seit der Erlassung des Bescheides vom aufzuzeigen. Eine solche Änderung sei jedoch nicht eingetreten. Weder habe die Beschwerdeführerin die vom Verwaltungsgerichtshof als ausstehend erkannten Holzlieferungen erfüllt noch seien seither Gesetzesänderungen eingetreten oder anderslautende Bescheide wirksam geworden. So könne ein Widerruf von (nicht einmal exakt bezeichneten) Erklärungen die Rechtswirksamkeit der agrarbehördlichen Genehmigung nicht aufheben, da eine solche Möglichkeit im Bescheid gar nicht eröffnet sei und könne auch eine sogenannte Freiheitsersitzung nicht eintreten, weil die Umwandlung von Holzbezügen in Holzabgaben nach § 20 Abs. 2 letzter Satz StELG nur von der Agrarbehörde aufgehoben werden könne.

Die Beschwerdeführerin habe die Angaben des Mitbeteiligten im verfahrenseinleitenden Antrag der Höhe nach nicht bestritten. Ausgehend von der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofes, mit der alleinigen Argumentation der Widersetzung gegen die Rechtsausübung durch die Beschwerdeführerin könne die Behörde den Angaben des Mitbeteiligten einen materiellen Wahrheitsgehalt unterstellen, seien keine weiteren fachlichen Erhebungen mehr über das Ausmaß der nicht bezogenen Holzmengen anzustellen, weshalb die Berufung abzuweisen sei.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin über den Verfall und eine "Verwirkung" der Holzbezüge sowie einen Überbezug, nach dem ein Holzbezug für ungefähr die nächsten 37 Jahre nicht zustehe und "lit b des Übereinkommens" vom allein aufgrund der Behauptung der Unmöglichkeit der Holzlieferung für die Beschwerdeführerin anzuwenden sei, könnten nun als das vom Verwaltungsgerichtshof erwähnte "substantiierte" Bestreiten der Höhe der nicht erbrachten Holzlieferungen angesehen werden, womit die Agrarbehörden verpflichtet würden, weitere Ermittlungen über die rückständigen Holzlieferungen anzunehmen. Dem sei aber entgegenzuhalten, dass nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Verpflichtung nur dann ausgelöst würde, wenn behauptet worden wäre, dass entgegen dem Antrag des Mitbeteiligten verpflichtungsgemäß Brennholzabgaben geleistet worden seien. Eine solche Behauptung sei aber in der Eingabe vom nicht enthalten.

Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 820/11-16, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

In der über Verbesserungsauftrag ergänzten vorliegenden Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bemängelt unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde unter anderem, dass der angefochtene Bescheid von einem Senat erlassen worden sei, der in seiner Zusammensetzung den Parteien nicht bekannt gewesen sei, das bisherige Verfahren nicht geführt habe und auch keine mündliche Verhandlung abgehalten habe.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

§ 9 AgrVG lautet auszugsweise:

"Zuziehung der Parteien

§ 9

(1) Die Agrarsenate entscheiden nach öffentlicher mündlicher Verhandlung unter Zuziehung der Parteien.

(2) Von der Zuziehung der Parteien kann jedoch abgesehen werden:

1. wenn Parteienanträgen stattgegeben wird, welchen nicht andere Parteien entgegenstehen, sofern dadurch die Rechte dritter Personen nicht berührt werden;

2. wenn das Parteienbegehren wegen offenbarer Unzulässigkeit, Unzuständigkeit oder wegen Versäumung der gesetzlichen Frist zurückzuweisen ist;

3. wenn der Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde unterer Instanz zurückverwiesen wird.

(3) (…)"

Die belangte Behörde hat zur Erforderlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass bereits am unter Beiziehung der Parteien verhandelt worden sei, sodass der Vorwurf, die Entscheidung sei ohne Zuziehung der Parteien ergangen, unberechtigt sei, zumal die belangte Behörde kein Gericht sei, bei dem zur Rechtmäßigkeit des Urteils die verhandelnden und entscheidenden Richter ident sein müssten.

Dabei übersieht die belangte Behörde aber, dass Landesagrarsenate, neben ihrer Tribunaleigenschaft gemäß Art. 6 EMRK, auch Kollegialbehörden gemäß Art. 133 Z 4 B-VG sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 85/07/0025). Durch unrichtige Zusammensetzung einer solchen Kollegialbehörde wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verletzt. Kollegialbehörden im Sinne des Art. 133 Z 4 B-VG sind angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegialbesetzte Gerichte unterworfen; ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls in diesem Verfahrensstadium - ohne formelle Neudurchführung des Verfahrens - nicht mehr ausgewechselt werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , 91/07/0029, zu einem Landesagrarsenat, und vom , 95/07/0165, zum insofern vergleichbaren Obersten Agrarsenat, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg 11108/1986). Wird somit ein Bescheid eines Agrarsenates vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und wird der neue Bescheid in einer Sitzung, deren personelle Besetzung gegenüber der dem aufgehobenen Bescheid vorangegangenen Verhandlung abweicht, ohne Neudurchführung einer mündlichen Verhandlung beraten und beschlossen, so hat dies die unrichtige Zusammensetzung und damit die Unzuständigkeit der Kollegialbehörde zur Folge.

Im gegenständlichen Fall entschied die belangte Behörde über dieselbe Sache nach Aufhebung des vorangegangenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof in einer anderen Zusammensetzung, ohne eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung der Parteien abzuhalten. Dass sie dies unterließ, hat nach der obzitierten Rechtsprechung die unrichtige Zusammensetzung und damit die Unzuständigkeit der Kollegialbehörde zur Folge, was den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Es erübrigte sich somit ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-70444