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VwGH vom 05.05.2011, 2009/22/0214

VwGH vom 05.05.2011, 2009/22/0214

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der S N in W, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.634/2- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, beantragte am die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö" gemäß § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997. Dieser Antrag wurde von der erstinstanzlichen Behörde (dem Landeshauptmann von Wien) nach dem am in Kraft getretenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gedeutet und mit Bescheid vom gemäß § 21 Abs. 1 NAG wegen unzulässiger Inlandsantragstellung abgewiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Mit Schreiben vom wies die belangte Behörde auf die Möglichkeit eines Antrages auf Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG hin; weiters gab sie bekannt, dass die Berufung gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG abzuweisen sein werde, da eine Aufenthaltsehe festgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin mit Eingabe vom den Antrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung. In diesem Schreiben erklärte sie auch, dass ihre Ehe keinesfalls eine Scheinehe sei, sondern tatsächlich ein Zusammenleben bestehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG ab.

Begründend führte sie aus, dass die Beschwerdeführerin mit einem von bis gültigen Visum C nach Österreich eingereist sei. Am habe sie den österreichischen Staatsbürger N. geheiratet. "In Folge dessen" habe sie am den gegenständlichen Erstantrag eingebracht. Sie sei seit mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien sei gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe erlassen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei derzeit bei der Sicherheitsdirektion Wien anhängig. Im Anschluss an die Wiedergabe der wesentlichen Feststellungen der Bundespolizeidirektion Wien im erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid stellte die belangte Behörde fest, dass es äußerst auffällig erscheine, dass sich die Beschwerdeführerin am in Serbien von ihrem damaligen Ehemann, mit dem sie seit 1993 verheiratet gewesen sei, habe scheiden lassen, nur einen Monat später mit einem Visum nach Österreich gekommen sei, im September desselben Jahres einen Österreicher geheiratet habe und drei Wochen später bereits den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe. Bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe sei zwingend die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen; dies könne "zweifelsohne" von der Aufenthaltsbehörde beurteilt werden. Bei Vorliegen des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG sei eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK nicht vorzunehmen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen einer Aufenthaltsehe. Sie bringt vor, dass sich aus den von der Bundespolizeidirektion Wien (im Aufenthaltsverbotsverfahren) getätigten Ermittlungen keinesfalls die Schlussfolgerung einer Scheinehe ziehen lasse, und weist darauf hin, dass das Bestehen einer Aufenthaltsehe bislang nicht "rechtskräftig festgestellt" worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Es ist nicht zulässig, die bestrittene Tatsache einer Aufenthaltsehe nur mit dem Vorliegen eines nicht rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes zu begründen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0776, und vom , Zl. 2008/22/0304). Die belangte Behörde hat aber zu der Frage, ob eine Aufenthaltsehe tatsächlich vorliegt, keinerlei eigene Ermittlungen vorgenommen, sondern lediglich auf das (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht rechtskräftige) Aufenthaltsverbot verwiesen. Die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen der Fremdenpolizeibehörde hat sie zwar wiedergegeben, aber weder klar zum Ausdruck gebracht, ob sie diese ihrer eigenen Entscheidung zugrunde legt, noch - was bejahendenfalls erforderlich gewesen wäre - der Beschwerdeführerin dazu Parteiengehör gewährt (vgl. allgemein zur Verwertung der Ermittlungsergebnisse anderer Verfahren Hengstschläger/Leeb , AVG § 45 Rz 29 und die dort zitierte Judikatur). Die eigene Beweiswürdigung der belangten Behörde beschränkt sich auf die oben wiedergegebene Beurteilung, dass die zeitliche Abfolge von Ehescheidung in Serbien, Einreise nach Österreich, Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger und Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "äußerst auffällig" erscheine. Das reicht jedoch nicht aus, um schlüssig das Bestehen einer Aufenthaltsehe dazulegen.

(Das gegenüber der Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot wurde im Übrigen von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit dem - von der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten - Berufungsbescheid vom aufgehoben.)

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Pauschalbetrag nach § 1 Z 1 lit. a dieser Verordnung die Umsatzsteuer bereits umfasst.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-70433