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VwGH vom 12.04.2011, 2007/18/0457

VwGH vom 12.04.2011, 2007/18/0457

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des EB in L, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Dinghoferstraße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 045/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 87 sowie § 60 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Oktober 1996 bereits einmal illegal in das Bundesgebiet eingereist und noch im gleichen Monat in seine Heimat abgeschoben worden. Am sei er erneut illegal eingereist, obwohl gegen ihn ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war. Daraufhin sei er aufgefordert worden, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom sei auf Antrag des Beschwerdeführers das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben worden. Das auf Grund des am gestellten Asylantrages geführte Asylverfahren sei mit Wirkung vom rechtskräftig "negativ abgeschlossen" worden. Am sei dem Beschwerdeführer erstmals eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehefrau erteilt worden.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom sei der Beschwerdeführer gemäß § 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt worden, weil er im Oktober 1999 einen gefälschten jugoslawischen Führerschein zum Zweck der Neuausstellung eines österreichischen Führerscheines vorgelegt habe.

Das Landesgericht St. Pölten habe den Beschwerdeführer am gemäß § 15, § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4 und § 129 Z. 1 und 12 dritter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, weil er im September 2003 an einem versuchten schweren Diebstahl durch Einbruch beteiligt gewesen sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom sei der Beschwerdeführer gemäß § 127, § 129 Z. 1 und § 164 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sechs Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden, weil er am in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter eine Kellnerbrieftasche mit Bargeld in der Höhe von EUR 1.200,-- durch Einbruch mit dem Vorsatz der unrechtmäßigen Bereicherung weggenommen habe, und im August oder September 2005 14 Stangen Zigaretten mit je einem Verkaufswert von EUR 34,--, die ein anderer unrechtmäßig an sich gebracht habe, diesem zu einem Preis von je EUR 11,-- abgekauft habe.

Die schriftlichen Urteilsausfertigungen stellten einen integrierenden Bestandteil des angefochtenen Bescheides dar.

In seiner Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und habe mit ihr drei Kinder im Alter von drei, sechs und acht Jahren. Weiters verfüge er über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für Österreich. Seit sei er - nach kurzer Arbeitslosigkeit - wieder berufstätig. Er bereue seine strafbaren Handlungen, in Zukunft werde ihn seine Familie davon abhalten, erneut straffällig zu werden. In Österreich sei der Beschwerdeführer vollständig integriert, zu seiner Heimat habe er keine Beziehungen mehr.

Die belangte Behörde führte unter Hinweis auf die relevanten Rechtsvorschriften im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung unter Bezugnahme auf die drei strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers aus, der Tatbestand des § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei schon insofern erfüllt, als der Beschwerdeführer zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten sowie mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen verurteilt worden sei.

In weiterer Folge gelangte die belangte Behörde im Rahmen der Gefährdungsprognose zu dem Ergebnis, dass das persönliche kriminelle Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an der Verhinderung und Bekämpfung von Eigentumsdelikten und der Kriminalität überhaupt, berühre. Es werde auch auf die zahlreichen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers hingewiesen.

Den Akten sei zu entnehmen, dass sich die Familie des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle daher einen relevanten Eingriff in sein Privatleben dar. Diesem müsse jedoch gegenübergestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch sein Gesamtverhalten seinen Unwillen gezeigt habe, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren. Seiner Familie sei es auch schon in der Vergangenheit nicht gelungen, ihn von strafbaren Handlungen abzuhalten.

Angesichts seines seit ca. Mitte 1998 währenden Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie der Tatsache, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, seine Eltern und Geschwister mit deren Familien bereits seit langer Zeit in Österreich das Aufenthaltsrecht innehätten und einer seiner Brüder österreichischer Staatsbürger sei, werde durch die gegenständliche fremdenrechtliche Maßnahme sicherlich in nicht unbeträchtlichem Ausmaß in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Die Integration werde in ihrer sozialen Komponente jedoch dadurch in erheblichem Ausmaß gemindert, dass der Beschwerdeführer trotz einschlägiger Vorstrafe abermals in erheblichem Ausmaß straffällig geworden sei, den Unrechtsgehalt seines Verhaltens noch gesteigert habe und sich auch durch ein zurückliegendes Aufenthaltsverbot nicht beeindrucken habe lassen, indem er im Jänner 1997 einem Aufenthaltsverbot zuwider illegal in das Bundesgebiet eingereist sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

1. Die Beschwerde rügt zunächst die Unzuständigkeit der belangten Behörde und bringt dazu im Wesentlichen unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG und die Richtlinie 2004/38/EG vor, bei verfassungs- und gesetzeskonformer Anwendung hätte im gegenständlichen Fall - zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung zwischen Angehörigen von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hätten - auf Grund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Angehörigen einer Österreicherin handle, der unabhängige Verwaltungssenat als Rechtsmittelinstanz entscheiden müssen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 244/09 u.a., den Bedenken wegen einer vermeintlich unzulässigen Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, und solchen, die keinen Freizügigkeitssachverhalt gesetzt haben, nicht gefolgt ist.

2. Der Beschwerdeführer wurde unbestritten zwischen Jänner 2004 und März 2006 dreimal rechtskräftig wegen der unter I.1. näher dargestellten Straftaten zu Freiheitsstrafen, zuletzt in der Dauer von acht Monaten, wovon sechs Monate bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Zusätzlich hat er gegen das wider ihm verhängte Aufenthaltsverbot verstoßen, indem er im Jänner 1997 während dessen Geltungsdauer in das Bundesgebiet eingereist ist. Die belangte Behörde hat in ihrer Begründung auch mehrfach darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer trotz einschlägiger Vorstrafe abermals rückfällig wurde und den Unrechtsgehalt seines Verhaltens noch steigerte, was schlussendlich zu einer Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe führte. Der seit der letzten Verurteilung, auf Grund derer der Beschwerdeführer erstmals das Haftübel verspürt hat, verstrichene Zeitraum des Wohlverhaltens bis zum hier für die Beurteilung relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist auch noch zu kurz, um verlässlich vom Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Beschwerdeführer hervorgerufenen Gefahr ausgehen zu können.

Sofern die Beschwerde diesbezüglich rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Ehefrau des Beschwerdeführers zum Verhalten und den Auswirkungen der strafgerichtlichen Verurteilungen auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers zu vernehmen, führt die Beschwerde nicht aus, welche konkreten eigenen Wahrnehmungen die Ehefrau des Beschwerdeführers hätte bezeugen sollen und welche konkreten Feststellungen im angefochtenen Bescheid auf Grund dieser Zeugenaussage hätten getroffen werden sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0328). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers begegnet auch die Vorgangsweise, wodurch die belangte Behörde die strafgerichtlichen Urteile zu einem integrierenden Bestandteil des angefochtenen Bescheides erhob, keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0456). Die belangte Behörde hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer von seinen familiären Bindungen im Bundesgebiet bereits bisher nicht von der Begehung der strafbaren Handlungen abgehalten wurde.

Zusammengefasst ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde mit Blick auf die ins Treffen geführte Rückfälligkeit des Beschwerdeführers, die mehrfachen Tatbegehungen und das zuletzt noch gesteigerte Fehlverhalten des Beschwerdeführers und Bedachtnahme auf die Missachtung bedeutsamer fremdenrechtlicher Bestimmungen die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt angesehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0452, mwN).

3. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel des § 66 FPG und bringt dazu vor, die belangte Behörde habe übersehen, dass der Beschwerdeführer Vater von drei minderjährigen Kindern sei, die die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, hier die Schule bzw. den Kindergarten besuchten und für die er sorgepflichtig sei. Die Kinder seien in Österreich geboren und auf den Beschwerdeführer als Kindesvater angewiesen.

Bereits im Verwaltungsverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und mit dieser drei minderjährige Kinder habe, über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Österreich verfüge und - nach kurzer Arbeitslosigkeit - seit Jänner 2007 wieder beschäftigt sei. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass auch die Eltern und Geschwister mit deren Familien seit langer Zeit über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügten.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde jedoch nur den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Mitte 1998, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie seine Eltern und Geschwister mit deren Familien an. Es ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde in ihre Interessenabwägung gemäß § 66 FPG auch die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen drei minderjährigen Kindern, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, in Österreich geboren wurden und mit denen er im gemeinsamen Haushalt lebt, sowie seine berufliche Integration mit einbezogen hätte.

Die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung kann daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Grund dieses insoweit bestehenden Feststellungs- und Begründungsmangels nicht überprüft werden.

4. Im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am