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VwGH vom 15.06.2010, 2009/22/0197

VwGH vom 15.06.2010, 2009/22/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Z, vertreten durch den Sachwalter Dr. Ulrich Klimscha, dieser vertreten durch Dr. Franz Bixner, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 312.432/8-III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, den ihr erteilten Aufenthaltstitel ihrem Sachwalter per Post zuzustellen, gemäß § 19 Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück. Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 72 NAG zugestimmt worden sei. Der Sachwalter der Beschwerdeführerin sei zur persönlichen Abholung des Aufenthaltstitels geladen worden. Er habe jedoch dieser Ladung nicht Folge geleistet, sondern die postalische Zustellung des Aufenthaltstitels begehrt.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde:

"Gemäß § 19 Abs. 7 NAG dürfen Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, (Aufenthaltstitel) nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an dessen gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden.

Rechte und Pflichten eines Sachwalters entsprechen grundsätzlich jenen der Eltern gegenüber ihren Kindern. Da ihrem Sachwalter somit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zukommt, darf der Aufenthaltstitel nur an ihn ausgefolgt werden.

Auf Grund des Wortes 'ausgefolgt' im zweiten Satz des § 19 Absatz 7 NAG ergibt sich, dass Aufenthaltstitel persönlich abgeholt werden müssen.

Auf Grund des angeführten Sachverhaltes war die Berufung abzuweisen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Partei nicht von vornherein ein Recht auf Zustellung des zu erlassenden Bescheides abspricht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 62 Rz 7).

§ 19 Abs. 1 NAG ordnet an, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich bei der Behörde zu stellen sind. Soweit der Antragsteller nicht selbsthandlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100 (952 BlgNR 22 GP, 128) halten dazu fest, die persönliche Antragstellung bei der zuständigen Behörde sei unbedingt erforderlich, weil dies der einzig verlässliche Weg sei, festzustellen, wo sich der Fremde zum Antragszeitpunkt gerade befinde. Weiters werde die persönliche Anwesenheit zur Beibringung jener Daten unverzichtbar sein, die der künftigen Personifizierung des Aufenthaltstitels mittels Biometrie dienten. Bei Minderjährigen oder anderen Personen, denen ein gesetzlicher Vertreter beigegeben sei, müsse "natürlich auf den gesetzlichen Vertreter abgestellt werden".

§ 19 Abs. 7 NAG hält fest, dass Aufenthaltstitel Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur "persönlich ausgefolgt" werden dürfen. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an dessen gesetzlichen Vertreter "ausgefolgt" werden.

Dies begründen die ErläutRV (aaO) mit der Sicherstellung, dass dem Aufenthaltstitel nur dem Fremden zukommen soll, dem er ausgestellt werden soll. Bei unmündigen Minderjährigen sollen sie an dessen gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Diese Bestimmung ergänze die persönliche Antragstellung im Sinn des Abs. 1.

Die Beschwerdeführerin wendet sich zu Recht gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass Aufenthaltstitel auch vom gesetzlichen Vertreter des Fremden "persönlich abgeholt" werden müssten.

Diese Forderung ist nämlich dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut wird nur hinsichtlich der Fremden selbst die "persönliche" Ausfolgung gefordert. Hätte der Gesetzgeber auch die persönliche Ausfolgung an den gesetzlichen Vertreter vorsehen wollen, hätte er dies in gleicher Weise festhalten können.

Ebenso fordert § 19 Abs. 1 NAG beim Fremden selbst die persönliche Antragstellung, nicht jedoch die persönliche Einbringung des Antrags durch den gesetzlichen Vertreter.

Die Auslegung der belangten Behörde ist auch mit dem Gesetzeszweck nicht in Einklang zu bringen. Für die beabsichtigte Sicherstellung, dass der Aufenthaltstitel nur dem bestimmten Fremden zukommt, ist es nämlich unerheblich, ob der Aufenthaltstitel dem gesetzlichen Vertreter persönlich übergeben oder per Post oder auf andere Weise zugestellt wird. In allen Fällen kann, weil der Aufenthaltstitel nicht auf den gesetzlichen Vertreter selbst lautet, ein Missbrauch nicht ausgeschlossen werden. Dass der Aufenthaltstitel dem gesetzlichen Vertreter auch tatsächlich zukommt, kann hingegen nicht nur durch persönliche Übergabe sichergestellt werden, sondern etwa auch durch eine zu eigenen Handen zuzustellende Postsendung.

Da somit weder der Wortlaut des Gesetzes noch dessen Zweck die persönliche Überreichung des Aufenthaltstitels an den gesetzlichen Vertreter des Fremden fordern, verweigerte die belangte Behörde zu Unrecht die Zustellung des Aufenthaltstitels an den gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin. Dem mehrdeutigen Wort "ausfolgen" kommt nach dem Gesagten keine maßgebliche Bedeutung zu.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-70392