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VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0435

VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0435

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des DR in W, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ertlgasse 4/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1550/06, betreffend Ausweisung nach § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit einem Visum C, das vom 20. August bis gültig gewesen sei, rechtmäßig in Österreich eingereist. Hier habe er am (nach den damals geltenden Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 - FrG) einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö; § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Diesem Antrag sei stattgegeben worden und dem Beschwerdeführer am eine bis gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Auch der Verlängerungsantrag vom sei bewilligt worden.

Auf Grund des nunmehr gegenständlichen Verlängerungsantrages vom habe die Niederlassungsbehörde ein Verfahren nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) eingeleitet.

Der Beschwerdeführer habe sein Begehren auf Erteilung von Aufenthaltstiteln auf die Familiengemeinschaft mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Sohn, der das - ihm unionsrechtlich zustehende - Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe, gestützt. Sein Sohn habe auch eine Haftungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG abgegeben.

Es lägen allerdings die für die Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung erforderlichen Unterhaltsmittel nicht vor.

In der Berufung werde vorgebracht, dass der Sohn des Beschwerdeführers über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von EUR 1.721,-- verfüge.

Bei der Beurteilung, ob ausreichende Unterhaltsmittel vorlägen, sei zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer über eine Invaliditätsrente seines Heimatstaates in der Höhe von monatlich etwa 12.064,-- serbischen Dinar verfüge. Dies entspreche bezogen auf den - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - aktuellen Wechselkurs etwa EUR 155,--.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Nachweise zum Einkommen seines Sohnes ergebe sich ein Nettomonatseinkommen des Sohnes von etwa EUR 1.227,--. Des Weiteren sei der Sohn des Beschwerdeführers für ein Kind unterhaltspflichtig.

Ausgehend von der auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz abrufbaren "Existenzminimumtabelle" betrage das Existenzminimum des zusammenführenden Sohnes unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflicht EUR 1.083,--. Selbst unter Einbeziehung der dem Beschwerdeführer aus seiner Pension zur Verfügung stehenden EUR 155,-- könne die Haftungserklärung seines Sohnes nicht als tragfähig angesehen werden, weil auf den nach § 293 ASVG aufzubringenden Richtsatz, der EUR 726,-- betrage, EUR 427,-- fehlten.

Wenn man "fiktiv" von den im Verfahren für die Monate Mai, Juni und August 2006 vorgelegten Lohnzetteln ausginge, hätte der Beschwerdeführer ohne Sonderzahlungen durchschnittlich etwa EUR 1.600,-- netto, zuzüglich EUR 277,-- als Botenfahrer (also einer weiteren Beschäftigung), ins Verdienen gebracht. Dann betrage sein Existenzminimum nach der genannten "Existenzminimumtabelle" monatlich EUR 1.340,--. Da mit dem verbleibenden Einkommen selbst unter Berücksichtigung der dem Beschwerdeführer monatlich zur Verfügung stehenden EUR 155,-- immer noch nicht der Richtsatz des § 293 ASVG erreicht werde, lägen selbst dann die erforderlichen Unterhaltsmittel nicht vor.

Angesichts des Vorbringens zur saisonalen Beschäftigung des Sohnes des Beschwerdeführers, die im Jahr 2006 "nur" neun Monate betragen habe, könne aber nicht von diesem Einkommen ausgegangen werden.

Sohin ergebe sich, dass die nach § 11 Abs. 5 NAG notwendigen Unterhaltsmittel nicht vorlägen, weshalb sich die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 54 Abs. 1 Z 2 FPG als zulässig erweise.

Im Weiteren stellte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach der Erlassung der Ausweisung auch § 66 FPG nicht entgegenstehe.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Berechnung der belangten Behörde zu den ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmitteln. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.

Gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Nach § 11 Abs. 5 NAG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 157/2005) führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft in diesem Sinn, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche, ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO) nicht zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat zunächst die Rechtslage insofern verkannt, als sie bei der Prüfung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung des Sohnes des Beschwerdeführers - und somit hinsichtlich des Vorliegens der notwendigen Unterhaltsmittel - auf das pfändungsfreie Existenzminimum unter Einbeziehung der in § 291a EO vorgesehenen Steigerungsbeträge abgestellt hat. Diese Art der Berechnung entspricht nicht dem Gesetz, wobei gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2008/22/0632, verwiesen wird. Aus den dort genannten Erwägungen hätte die belangte Behörde letztlich (allein) die in § 293 Abs. 1 ASVG enthaltenen Richtsätze heranzuziehen gehabt.

Demnach ergibt sich, dass die insgesamt zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel (bezogen auf den im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden § 293 Abs. 1 ASVG in der Fassung des BGBl. II Nr. 532/2006) für den Sohn des Beschwerdeführers (EUR 726,--), seiner minderjährigen bei ihm lebenden Tochter (EUR 76,09), für die er sorgepflichtig ist, und den Beschwerdeführer (EUR 726,--) EUR 1.528,09 hätten betragen müssen.

Davon ausgehend hätte das Einkommen des Sohnes des Beschwerdeführers selbst unter Einbeziehung der festgestellten Pension des Beschwerdeführers dann nicht ausgereicht, ginge man von den zunächst dazu im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen aus. Ginge man aber von den weiteren Ausführungen der belangten Behörde aus, lägen ausreichende Unterhaltsmittel (selbst unter Ausklammerung der entgegen der Ansicht der belangten Behörde zu berücksichtigenden Sonderzahlungen, vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0758, mwN) vor. Vor diesem Hintergrund kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei von einem nicht zutreffenden Einkommen ausgegangen, Relevanz zu.

In dem von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs zeitlich zuletzt gemachten Vorhaltes ging die belangte Behörde von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen seines Sohnes von EUR 1.600,--, zuzüglich EUR 277,--

aus einer weiteren Beschäftigung, aus. Auf dem Boden dieser dem Beschwerdeführer übermittelten Aufforderung, dazu - und zum Umstand, dass dennoch dieses Einkommen nicht ausreichend sei - Stellung zu nehmen, hatte der Beschwerdeführer keine Veranlassung, neuerlich einen Nachweis für die Höhe eben dieses Einkommens im Rahmen einer Stellungnahme vorzulegen, zumal er zuvor schon mehrfach eine solche Einkommenshöhe geltend gemacht und diesbezügliche Unterlagen vorgelegt hatte. Dadurch, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid letztlich von einem deutlich geringeren Einkommen ausging, hat sie gegen das (auch) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beachtende Überraschungsverbot (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0771) verstoßen.

Da nach dem oben Gesagten bereits jenes Einkommen, von dem die belangte Behörde während des Verwaltungsverfahrens ursprünglich ausging, zur Darlegung des Vorhandenseins der vom Gesetz geforderten Unterhaltsmittel ausreichend gewesen wäre, erweist sich aber selbst schon der dem angefochtenen Bescheid anhaftende Begründungsmangel für den Verfahrensausgang als relevant. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass es in einem Fall, wie er hier vorliegt, nämlich abwechselnd saisonale Beschäftigung (hier: aus den diversen im Akt erliegenden Lohnbestätigungen ist ersichtlich, dass der Sohn des Beschwerdeführers im Baugewerbe als Arbeiter tätig ist) und Arbeitslosengeldbezug, zu kurz greift, wenn zur Ermittlung des verfügbaren Einkommens nur der aktuelle Bezug von Arbeitslosengeld herangezogen wird (der Sohn des Beschwerdeführers war dem in den Verwaltungsakten erliegenden Versicherungsdatenauszug zufolge ab als mit Bezug von Arbeitslosengeld registriert) und keine Prognose über das erzielbare Jahreseinkommen angestellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0637). Bei der danach gebotenen Beurteilung hätte die belangte Behörde nicht außer Acht lassen dürfen, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde auch eine (am verfasste) Bestätigung des früheren Arbeitgebers seines Sohnes vorgelegt hat, in der dieser ausführte, er werde ihn wieder einstellen, sobald die Witterung und die damit verbundene Auftragslage die Wiederaufnahme von Bautätigkeiten zulasse. Indem die belangte Behörde unter Übergehung dieses Beweismittel ausführte, die saisonale Beschäftigung des Sohnes des Beschwerdeführers könne nicht berücksichtigt werden, und auf Grund dessen zu einem deutlich geringeren Einkommen gelangte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Bei diesem Ergebnis kommt es nicht mehr darauf an, ob - wie der Beschwerdeführer vorbringt - auch das Ausmaß der ihm zur Verfügung stehenden Pension falsch berechnet worden sei, weil die belangte Behörde nicht beachtet habe, dass die auf den Kontoauszügen jeweils als Eingang aufscheinenden Beträge immer nur die Hälfte der monatlichen Pension ausgemacht hätten, und sich dies so erkläre, dass die dem Beschwerdeführer zustehende Pension immer halbmonatlich ausbezahlt werde.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das sonstige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen oder auf die im hg. Beschluss vom , Zl. EU 2011/0004-0008 (2008/22/0145 ua.) aufgeworfenen Fragen hätte Bedacht genommen werden müssen.

Von der Durchführung der beantragten öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-70384

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