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VwGH vom 24.01.2005, 2004/17/0109

VwGH vom 24.01.2005, 2004/17/0109

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des RH in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Würzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sonnenfelsgasse 3/2b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS- 05/K/32/1787/2004/7 und UVS-05/V/32/1788/2004, betreffend die Zurückweisung von Einsprüchen gegen Strafverfügungen wegen Verspätung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurden mit zwei Strafverfügungen des Magistrates der Stadt Wien jeweils vom zwei Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz zur Last gelegt. Es wurden über ihn deswegen zwei Geldstrafen zu je EUR 210,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von 72 Stunden) verhängt.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Einspruch.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom vorgehalten, dass diese Einsprüche nach der Aktenlage als verspätet eingebracht erschienen. Die Strafverfügungen seien laut Rückscheinen am beim zuständigen Postamt hinterlegt und am erstmals zur Abholung bereitgehalten worden. Die ersten Zustellversuche seien am erfolgt. Die Einsprüche seien jedoch erst am , somit nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist, mittels Telefax eingebracht worden. Im Falle der Geltendmachung eines Zustellmangels habe der Beschwerdeführer innerhalb von zwei Wochen die Möglichkeit, diesen durch Belege (Reiserechnungen, Namhaftmachung von Zeugen, etc.) glaubhaft zu machen.

Mit Schreiben vom gab der Beschwerdeführer an, zum Zeitpunkt der Hinterlegungen ortsabwesend gewesen zu sein. Die Fristen hätten daher erst mit zu laufen begonnen, womit die Einsprüche am fristgerecht erhoben worden seien. Als Beweis führte der Beschwerdeführer eine beigelegte "Bestätigung des Auftraggebers" an.

Diese Bestätigung der L GmbH in Wien hatte folgenden Wortlaut:

"Bestätigung

Hiermit bestätigen wir gerne, dass (Beschwerdeführer) in der Zeit vom bis im Raum Graz zwecks Vorortsoftwareinstallation bei Kunden unseres Unternehmens tätig war."

Mit Bescheiden jeweils vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Einsprüche gegen die Strafverfügungen wegen Verspätung zurück. Begründend wurde nach der Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, eine vorübergehende Abwesenheit von der Abgabestelle sei nur dann gegeben, wenn der Empfänger dadurch gehindert sei, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Aufenthaltes im Krankenhaus. Eine berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages oder auch innerhalb einer Woche sei keine vorübergehende Abwesenheit. Wenn der Beschwerdeführer die Schriftstücke während der Öffnungszeiten des Postamtes nicht habe beheben können, hätte er einen Postbevollmächtigten mit der Behebung beauftragen können.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung und führte begründend im Wesentlichen aus, als natürliche Person sei er nicht verpflichtet, für fünf Abwesenheitstage einen Postbevollmächtigten zu bestellen. Weiters beantragte er "die Einleitung des ordentlichen Verfahrens mit einer mündlichen Einvernahme meiner Person zur Stellungnahme".

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgefordert, innerhalb einer Woche eine Bestätigung über seine "Nächtigungen in Graz an den fraglichen Tagen beizubringen bzw. bekannt zu geben, in welchem Hotel oder in welcher Pension" er genächtigt habe. Die Bestätigung vom der L GmbH habe er nämlich in seiner Eigenschaft als Gesellschafter und Geschäftsführer selbst ausgestellt. Sollte fristgerecht keine Antwort erfolgen, werde das Verfahren ohne weitere Anhörung des Beschwerdeführers fortgeführt werden.

Mit Schreiben vom , welches mit "Bestätigung" überschrieben war, führte der Beschwerdeführer u.a. aus, er bestätige gerne wunschgemäß, dass er an den fraglichen Tagen im Raum Graz genächtigt habe. Er habe privat genächtigt und keine Pension und kein Hotel benutzt. Im Übrigen könne er wohl davon ausgehen, dass seine Anträge (insbesondere auf mündliche Verhandlung) verfahrensrelevant seien und die belangte Behörde darüber nicht hinweg gehen könne, außer sie gebe seinem "Einspruch" statt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, die belangte Behörde von der Richtigkeit seiner Behauptung, sich vom bis zum in Graz aufgehalten zu haben, zu überzeugen. Auch wenn er "privat" genächtigt haben sollte, hätte er den Namen und die Anschrift derjenigen Person bekannt geben können, bei der er genächtigt habe. Seine Angaben hätten dann jederzeit und ohne Probleme von der belangten Behörde auf ihre Richtigkeit überprüft werden können. Stattdessen habe sich der Beschwerdeführer neuerlich selbst eine Bestätigung ausgestellt und der Behörde keinerlei Anhaltspunkte, um seine Behauptung nachvollziehen zu können, gegeben. Deswegen habe die belangte Behörde von einer ordnungsgemäßen Zustellung der Strafverfügungen durch Hinterlegung und Bereithaltung zur Abholung am ausgehen können. Es sei kein Zustellmangel vorgelegen. Die zweiwöchige gesetzliche Einspruchsfrist habe daher am begonnen und am geendet.

Im Hinblick auf die Bestimmung des § 51e Abs. 4 VStG habe trotz Antrages des Beschwerdeführers auf mündliche Einvernahme seiner Person von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Wesentlichen durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf Durchführung einer Berufungsverhandlung und Wahrung des rechtlichen Gehörs verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt die Unterlassung der mündliche Verhandlung durch die belangte Behörde. Die Voraussetzungen des von der belangten Behörde zur Begründung herangezogenen § 51e Abs. 4 VStG lägen nicht vor, weil die Bestätigung eines verfahrensrechtlichen Bescheides durch die belangte Behörde nicht unter den Anwendungsbereich dieser Bestimmung falle.

Die Abs. 1 bis 5 des § 51e VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002 lauten:

"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung

zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht,

dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder

abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer

Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche

Beurteilung behauptet wird oder

2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe

richtet oder

3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht

übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen

Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt

hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in

der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist

Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer

Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer

Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien

zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Die Bestimmung des § 51e Abs. 4 VStG, auf die sich die belangte Behörde hinsichtlich der Zulässigkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung im angefochtenen Bescheid bezieht, setzt u.a. voraus, dass der unabhängige Verwaltungssenat einen "verfahrensrechtlichen Bescheid" zu erlassen hat. Diese Regelung gilt für den Fall, dass der unabhängige Verwaltungssenat selbst einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, bzw. wenn er auf Grund eines Devolutionsantrages einen ausstehenden verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/02/0118).

Die Abweisung der Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen erstinstanzlichen Bescheid und dessen Bestätigung - wie im vorliegenden Fall - fällt somit nicht unter die Ermächtigung des § 51e Abs. 4 VStG. Da auch ein anderer, das Absehen von einer mündlichen Berufungsverhandlung oder deren Entfall rechtfertigender Grund nach § 51e VStG hier nicht in Betracht kommt, wäre eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

Im Beschwerdefall wurde in der Berufung die Feststellung, der Beschwerdeführer sei zur Zeit der Zustellversuche betreffend die erstinstanzlichen Strafverfügungen bzw. der Hinterlegung an der Abgabestelle nicht abwesend gewesen, bekämpft. Es mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer im Verfahren der belangten Behörde gegenüber keine konkreten Angaben über den Ort seiner behaupteten Nächtigungen in Graz gemacht hat. Wenn die belangte Behörde allerdings in ihrer Gegenschrift vorbringt, er habe weder Namen und Adresse des (privaten) Unterkunftsgebers genannt noch jene sonstiger Zeugen, so ist sie darauf hinzuweisen, dass sie solches in ihrem Vorhalt auch nicht ausdrücklich gefragt hat. Dem Beschwerdeführer ist dahingehend zuzustimmen, dass er nicht verhalten ist, auf Fragen, die nicht gestellt wurden, zu antworten, zumal er darauf vertrauen konnte, Gelegenheit zu bekommen, bei der mündlichen Verhandlung zu allfälligen, weiter bestehenden Unklarheiten Stellung nehmen zu können.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am