VwGH vom 19.12.2012, 2009/22/0170
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.960/2-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am bei der Österreichischen Botschaft Belgrad eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner Mutter, mittlerweile österreichische Staatsbürgerin, gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass die Mutter des Beschwerdeführers als Zusammenführende keine tragfähige Haftungserklärung vorgelegt habe. Diese verfüge (einschließlich Sonderzahlungen) über ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.901,94. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage für die Mutter EUR 1,110,40. Unter Berücksichtigung deren monatlichen Kreditbelastung in der Höhe von EUR 500,-- verblieben für den Beschwerdeführer EUR 291,54 im Monat, die seine Mutter für ihn an Unterhalt leisten könnte. Demgegenüber müsste für ihn aber ein Betrag von EUR 772,40 zur Verfügung stehen.
Die Vorlage einer weiteren Unterstützungserklärung von Herrn J.S. sei ferner nicht zulässig, da gemäß § 11 Abs. 6 NAG nur eine Haftungserklärung - jene des Zusammenführenden - in Frage komme. Auch das vorgelegte, auf die zusammenführende Mutter des Beschwerdeführers lautende Sparbuch "mit einem Guthaben von rund EUR 10.600,--" sei nicht zum Nachweis eigener Unterhaltsmittel geeignet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist anzumerken, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 zur Anwendung kommt.
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht verkannt. Zunächst einmal hat sie bei der Beurteilung der Tragfähigkeit der vorgelegten Haftungserklärung nicht auf die in § 293 Abs. 1 ASVG enthaltenen Richtsätze abgestellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0632, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Demnach musste für die zusammenführende Mutter und den Beschwerdeführer als Nachziehenden jeweils ein Betrag in der Höhe von EUR 772,40, insgesamt somit EUR 1.544,80, für die Bedeckung ihres Unterhaltsbedarfs zur Verfügung stehen.
Zwar ergäbe sich dann unter Berücksichtigung der dargestellten monatlichen Kreditbelastung der Mutter in der Höhe von EUR 500,-- noch ein fehlender Differenzbetrag von EUR 142,86. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Judikatur klargestellt, dass - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - auch die Vorlage eines Sparbuchs bei der Beurteilung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen ist (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0270). Ausgehend davon ist im Hinblick auf den für die Beurteilung der erforderlichen Unterhaltsmittel maßgeblichen Zeitraum, für den der begehrte Aufenthaltstitel auszustellen ist - im gegenständlichen Erstantragsfall sind das gemäß § 20 Abs. 1 NAG zwölf Monate -, nicht nachvollziehbar, warum dieser Fehlbetrag für diese Dauer nicht durch das vorgelegte Sparbuch ausreichend abgedeckt werden könnte.
Ferner hat die belangte Behörde auch dadurch, dass sie trotz des von ihr angenommenen Fehlens ausreichender Mittel - diese Annahme ist als Ergebnis ihrer Beurteilung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung anzusehen - eine diesfalls gemäß § 11 Abs. 3 NAG vorzunehmende Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unterlassen hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0168, mwH).
Schließlich gleicht der gegenständliche Fall vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom , C-256/11, darin, dass die belangte Behörde in Verkennung der durch den EuGH nunmehr klargestellten Rechtslage nicht anhand des unionsrechtlich vorgegebenen Maßstabes geprüft hat, ob der vorliegende Fall einen solchen Ausnahmefall, wonach es das Unionsrecht gebietet, dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt zu gewähren, darstellt, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0312, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Auch im vorliegenden Fall wird die belangte Behörde dazu im fortzusetzenden Verfahren nach Einräumung von Parteiengehör - diese Frage ist nicht mit der Beurteilung nach Art. 8 EMRK gleichzusetzen und war bisher nicht Gegenstand des behördlichen Verfahrens - entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-70330