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VwGH vom 23.05.2012, 2009/22/0168

VwGH vom 23.05.2012, 2009/22/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Ö, vertreten durch Dr. Josef Strasser und Dr. Maria Weidlinger, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Roßmarkt 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 152.878/2- III/4/08, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am bei der Österreichischen Botschaft Ankara eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater anstrebe. Dieser habe eine Haftungserklärung abgegeben. Laut den im Verfahren vorgelegten Lohnbestätigungen beziehe der Vater ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von EUR 1.602,--. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage, unter Berücksichtigung der Sorgepflicht für seine Ehefrau, EUR 1.195,60. Es verblieben daher lediglich EUR 406,40 monatlich für Unterhaltsleistungen an den Beschwerdeführer.

Bei den Reisespesen handle es sich um eine reine Aufwandsentschädigung, die bei der Unterhaltsberechnung nicht einzubeziehen seien. Dem Beschwerdeführer dürfe somit kein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil keine tragfähige Haftungserklärung vorliege und es daher an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung mangle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Ein Rechtsirrtum der belangten Behörde liegt zunächst darin, dass sie bei der Beurteilung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung des Zusammenführenden nicht auf die in § 293 Abs. 1 ASVG enthaltenen Richtsätze abgestellt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0637, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Demnach ist (in der für den Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 7/2009) für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar ein Betrag von EUR 1.158,08 anzusetzen.

Da die belangte Behörde die Abweisung des Antrages - ungeachtet der Bezugnahme allein auf das in § 47 Abs. 3 NAG normierte Erfordernis des Vorliegens einer tragfähigen Haftungserklärung - der Sache nach auf § 11 Abs. 2 Z 4 iVm mit Abs. 5 NAG - danach bestimmt sich nämlich die Tragfähigkeit der Haftungserklärung - gestützt hat, ist ihr überdies vorzuwerfen, dass sie keine Beurteilung nach § 11 Abs. 3 NAG vorgenommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0788).

Letztlich bekämpft die Beschwerde zu Recht die Ansicht der belangten Behörde, dass Reisespesen bei der Ermittlung des verfügbaren Einkommens zur Gänze außer Betracht zu bleiben haben. Demgegenüber sind nämlich Aufwandsentschädigungen (Diäten, Taggeld, Nächtigungsgeld, Reisekostenentschädigung und dgl.) regelmäßig zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, sofern der Unterhaltsverpflichtete nicht nachweist, dass diese darüber hinaus der Abdeckung berufsbedingter Mehrausgaben dienen (vgl. RIS-Justiz RS0047442). Es ist kein Grund ersichtlich, diese Zahlungen nicht wenigstens zum Teil als verfügbares Einkommen zu werten, zumal es sich hier um freiwillige Leistungen des Einkommensbeziehers an den nachziehenden Familienangehörigen handelt. Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, dass die Aufwendungen des Vaters des Beschwerdeführers tatsächlich so hoch sind, dass dadurch sämtliche Aufwandsentschädigungen verbraucht werden.

Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid somit durch mehrfache Verkennung der Rechtslage mit Rechtswidrigkeit belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-70325