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VwGH vom 07.04.2011, 2009/22/0167

VwGH vom 07.04.2011, 2009/22/0167

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwalt und Rechtsanwältin in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 153.178/2- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am mit einem Visum C in das Bundesgebiet zu seiner in Österreich lebenden Ehefrau, einer türkischen Staatsangehörigen, gereist sei.

Er habe am in der Türkei geheiratet und beabsichtige die Familienzusammenführung. Am und seien eheliche Kinder in Wien geboren worden.

Dem gegenständlichen Antrag stehe das Gebot der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG entgegen. Humanitäre Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels hätten nicht festgestellt werden können. Art. 8 EMRK gewähre grundsätzlich kein Recht von Ausländern auf Entfaltung des Familienlebens in einem bestimmten Staat. "Insbesondere" habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom eine Ausweisung gegen den Beschwerdeführer verfügt.

Zum gesonderten Antrag auf Feststellung humanitärer Gründe gemäß § 73 Abs. 4 NAG ergehe der Hinweis, dass die Behörde gemäß § 6 AVG ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen habe. Dieser Antrag sei somit der erstinstanzlichen Behörde zur weiteren Veranlassung weiterzuleiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, den gegenständlichen Antrag, der als Erstantrag anzusehen war, - an sich § 21 Abs. 1 NAG widersprechend - im Inland gestellt zu haben.

§ 73 NAG lautet in der hier maßgeblichen Stammfassung:

"§ 73. (1) Die Behörde kann Drittstaatsangehörigen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' oder eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilen. Die Bestimmungen über die Quotenpflicht finden keine Anwendung.

(2) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat und

2. im Fall einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt.

(3) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilt werden, wenn der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat.

(4) Soll aus humanitären Gründen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' im Fall einer Familienzusammenführung (§ 46 Abs. 4) erteilt werden, hat die Behörde auch über einen gesonderten Antrag als Vorfrage zur Prüfung humanitärer Gründe (§ 72) zu entscheiden und gesondert über diesen abzusprechen, wenn dem Antrag nicht Rechnung getragen wird. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn gleichzeitig ein Antrag in der Hauptfrage auf Familienzusammenführung eingebracht wird oder ein solcher bereits anhängig ist. Die Pflicht zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung entfällt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2007/18/0286, - auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird -, dargelegt, dass Drittstaatsangehörige vom Ausland aus oder im Inland einen Antrag nach § 73 Abs. 4 NAG stellen können, der von § 21 Abs. 1 NAG nicht umfasst ist. Ein solcher Antrag ist zulässig, wenn die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK geboten erscheint. Wenn nach Meinung der Behörde keine humanitären Gründe gegeben sind, hat sie den zur Klärung der genannten Vorfrage dienenden Feststellungsantrag abzuweisen. Der Behörde ist aber eine Abweisung des Hauptantrags auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung so lange verwehrt, als der zur Klärung der genannten Vorfrage dienende Feststellungsantrag nicht abgewiesen worden ist. Es ist bloß zulässig, die Entscheidung über den Feststellungsantrag nicht gesondert, sondern in der Form zu treffen, dass die Behörde das Vorliegen humanitärer Gründe nach den im Verfahren über den Hauptantrag über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen Anschauungen verneint und den Antrag auf Niederlassungsbewilligung abweist.

Im vorliegenden Fall hat jedoch die belangte Behörde ausdrücklich eine Entscheidung nach § 73 Abs. 4 NAG nicht getroffen, sondern den diesbezüglichen Antrag an die erstinstanzliche Behörde weitergeleitet. Demzufolge war es ihr verwehrt, den Hauptantrag mit dem gegenständlichen Bescheid abzuweisen, bevor nicht rechtskräftig über den gesonderten Antrag gemäß § 73 Abs. 4 NAG abgesprochen wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-70320