VwGH vom 18.10.2004, 2004/17/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des MH in M, vertreten durch die zur Verfahrenshilfe bestellte Dr. Margit Stüger, Rechtsanwältin in 4890 Frankenmarkt, Hauptstraße 102, gegen den Bescheid des Leiters der Einbringungsstelle und der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien vom , Zl. Jv 14844/03, Str 1133/03-7, betreffend Stundung von Gerichtskosten,
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Gegenschrift des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien wird zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der angefochtenen Erledigung vom (dem Beschwerdeführer zugestellt am ) wurde dessen Antrag, ihm die auf Grund eines Zahlungsauftrages des Landesgerichtes Wels vom geschuldeten Gerichtskosten im Betrag von EUR 1.235,30 gemäß § 9 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 - GEG, BGBl. Nr. 288, zu stunden bzw. in Raten abzustatten, nicht Folge gegeben.
Diese Antragsabweisung wurde mit näheren Ausführungen damit begründet, dass im Falle der Antragsstattgebung die Einbringung der Gerichtskosten gefährdet wäre.
Die angefochtene Erledigung trägt in der Urschrift den Kopf "Der Leiter der Einbringungssstelle" und wurde "i.V. S" gefertigt. Die erstellte Ausfertigung trägt den Kopf "Der Leiter der Einbringungsstelle und der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien".
Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Stundung bzw. Entrichtung der von ihm geschuldeten Gerichtskosten in Raten verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
Mit Verfügung vom forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde auf, binnen acht Wochen eine Gegenschrift zu erstatten, in welcher sie auch zur Frage ihrer Zuständigkeit Stellung nehmen möge.
Die belangte Behörde erstattete keine Gegenschrift.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien erstattete eine Gegenschrift, in welcher er auch Ausführungen zur Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde erstattete. Insbesondere brachte er in dieser Gegenschrift vor, dass sich deren Zuständigkeit aus dem Anhang 3 der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien am zur Zl. Jv 1-7a/03 erlassenen Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen für 2003 ergebe.
Eine telefonische Rücksprache beim Präsidium des Oberlandesgerichtes Wien ergab, dass eine neue Geschäftseinteilung für das Jahr 2004 nicht erlassen worden sei. Nach Auffassung des Präsidiums des Oberlandesgerichtes Wien gelte weiterhin die im April 2003 modifizierte Geschäftseinteilung für das Jahr 2003. Ergänzende Verfügungen im Zusammenhang mit der Geschäftseinteilung seien seit April 2003 nicht erlassen worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 9 Abs. 1, 3 und 4 erster Satz GEG lauten:
"§ 9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).
...
(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag ist jedoch die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, sofern nicht dadurch die Einbringlichkeit gefährdet würde oder das Begehren wenig erfolgversprechend erscheint. Über die Aufschiebung der Einbringung entscheidet der Leiter der Einbringungsstelle; gegen seine Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
(4) Über Anträge nach Abs. 1 und 2 entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann seine Entscheidungsbefugnis an den Leiter der Einbringungsstelle übertragen. ... Gegen den Bescheid über einen Antrag nach Abs. 1 oder 2 ist kein Rechtsmittel zulässig. ..."
Die vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien am erlassene Geschäftseinteilung, Jv 1-7a/03, trägt die Überschrift "Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen für 2003".
In Anhang 3 zu dieser Geschäftsverteilung heißt es:
"Verfügung
Ich übertrage den im Folgenden angeführten Leitern der Präsidialabteilungen, den Leitern, bei Verhinderung deren Vertretern, der unten angeführten Referate, dem Vorsteher der Geschäftsstelle und dem Leiter der Grundbuchsabteilung die eigenverantwortliche Zeichnung der nachstehend angeführten Agenden, wobei ich ersuche, jeweils 'Für den Präsidenten' zu zeichnen.
Weiters übertrage ich ihnen die Freigabe der Auszahlungsanordnungen ihres Aufgabenbereiches.
In diesem zur eigenverantwortlichen Zeichnung übertragenen Bereich ist in den Referaten immer so vorzugehen, dass jede Enderledigung der zuständige Referent abzuzeichnen und der Leiter des Referates (Stellvertreter) die Erledigung sodann zu approbieren hat ('Vieraugenprinzip'), ausgenommen der Leiter (Stellvertreter) des Referates hat die Sache ausschließlich selbst bearbeitet.
Ich habe im Einvernehmen mit den Leitern der Referate in deren Verantwortungsbereich Agenden einzelnen Referenten zur Erledigung übertragen.
Ebenso wie gegenüber den Leitern der Präsidialabteilungen behalte ich mir aber auch gegenüber den Beamten des gehobenen Dienstes das Recht vor, eine Sache an mich zu ziehen; dasselbe Recht steht auch den Leitern der Präsidialabteilungen und deren Vertretern zu.
Die Leiter der Referate bzw. deren Vertreter werden ersucht, wichtige und solche Angelegenheiten, mit denen der Leiter der Präsidialabteilung schon befasst war (je nach Bedeutung der Sache), sowie Rechtsmittel, Vorlageberichte diesem vor der Genehmigung zur Einsicht vorzulegen.
Soweit im Folgenden nicht Sonderregelungen getroffen werden, steht den Leitern (Stellvertretern) der Referate innerhalb ihres Aufgabenbereiches das materielle Ausgaberecht bis zu jeweils EUR 10.000.- und die Erstellung der erforderlichen Auszahlungsanordnungen zu.
In Zweifelsfällen und im Fall der Verhinderung sowohl des Leiters eines Referates als auch seines Vertreters fällt die Zeichnungsbefugnis dem jeweils nach der Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen zuständigen Leiter der Präsidialabteilung zu. Unabhängig davon haben die Leiter der Referate immer das Recht, die Entscheidung des Leiters der Präsidialabteilung einzuholen, vor allem in Ermessensfragen und bei Erlassung von teilweise oder gänzlich abweislichen Bescheiden.
Im Einzelnen ermächtige ich zur Zeichnung nachfolgender
Erledigungen:
...
PRÄSIDIALABTEILUNG 11
Referat 11
a) Alle Entscheidungen in Gebühren und Kostensachen einschließlich der sich darauf beziehenden Exekutionssachen über Stundung, Ratenbewilligung und Nachlass sowie Löschung und
b) die Veranlassung der Rückzahlung von Vollzugs- und Wegegebühren.
Ausgenommen sind die Entscheidungen über Rechtsmittel in Gebühren- und Kostensachen.
Ich ersuche den Leiter der Einbringungsstelle bei Stundung und Ratenbewilligung über EUR 5.000,-- sowie bei Nachlass jeweils 'Für den Präsidenten' zu zeichnen.
..."
In Ermangelung anderer Hinweise für eine Zurechnung der angefochtenen Erledigung ist diese nach der Behördenbezeichnung im Zusammenhang mit dem Kopf ihrer Urschrift und der Fertigungsklausel dem Leiter der Einbringungsstelle zuzurechnen.
Dass diesem Behördenqualität zukommt, ergibt sich bereits aus dem letzten Satz des § 9 Abs. 3 GEG, wonach er über die Aufschiebung der Einbringung während der Anhängigkeit eines Stundungs- oder Nachlassantrages entscheidet. Da gegen Bescheide nach § 9 Abs. 1 GEG kein Rechtsmittel offen steht, erweist sich die vorliegende Beschwerde somit als zulässig.
Da der angefochtene Bescheid nach dem Vorgesagten nicht dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien zuzurechnen ist, letzterer daher vom Beschwerdeführer zu Recht nicht als belangte Behörde bezeichnet wurde und auch nicht die gemäß § 22 VwGG eintrittsberechtigte oberste Administrativbehörde ist, war seine Gegenschrift zurückzuweisen.
§ 9 Abs. 4 GEG ist aus Gründen verfassungskonformer Auslegung nicht als Ermächtigung zur Übertragung der Zuständigkeit zur Erledigung der dort umschriebenen Angelegenheiten vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes auf den Leiter der Einbringungsstelle, sondern bloß als solche zur Übertragung der Approbationsbefugnis zu deuten. Für eine Ermächtigung im erstgenannten Sinne fehlte es nämlich an der nach Art. 18 B-VG erforderlichen gesetzlichen Determinierung (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 5184). Ob vor diesem Hintergrund die oben wiedergegebene Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien in Ansehung von Stundungen und Ratenbewilligungen unter EUR 5.000,-- als Zuständigkeitsübertragung oder aber (gesetzeskonform) bloß als Übertragung der Approbationsbefugnis zu deuten ist, kann dahingestellt bleiben.
Selbst wenn man der oben wiedergegebenen, den Anhang 3 der Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen für 2003 bildenden Verfügung eine im Gesetz gar nicht vorgesehene Übertragung der Entscheidungsbefugnis an den Leiter der Einbringungsstelle im Sinne des zweiten Halbsatzes des ersten Satzes des § 9 Abs. 4 GEG entnehmen wollte, wäre für die Zuständigkeit der belangten Behörde nichts gewonnen. Die genannte Verfügung stellt einen Anhang der ausdrücklich nur für das Jahr 2003 in Geltung gesetzten Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen dar. Wurde diese Geschäftseinteilung aber nur für das Jahr 2003 erlassen, so ist auch die ihren Anhang 3 bildende Verfügung mit 31. Dezember dieses Jahres außer Kraft getreten. Eine neuerliche (vergleichbare) Verfügung für das Jahr 2004 wurde nach den Ergebnissen der Erhebungen des Verwaltungsgerichtshofes vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien nicht erlassen. Damit lag bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Übertragung der Zuständigkeit vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien an die belangte Behörde keinesfalls vor.
Zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers wäre daher der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien, nicht jedoch der Leiter der Einbringungsstelle zuständig gewesen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am