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VwGH vom 19.01.2012, 2009/22/0146

VwGH vom 19.01.2012, 2009/22/0146

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der FS, geboren am , vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 151.845/3- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, beantragte am die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zwecks Familienzusammenführung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Schwiegersohn.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 und § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass nur eine Person Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG sein könne und finanzielle Mittel anderer Personen im gegenständlichen Verfahren nicht gewertet werden könnten. Zur Berechnung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Zusammenführenden sei der Jahresgewinn aus dem Jahr 2008 in Höhe von EUR 24.204,85 herangezogen worden. Nach Abzug der Einkommensteuer verbleibe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.563,31. Der Schwiegersohn und die Tochter der Beschwerdeführerin hätten für ein minderjähriges Kind zu sorgen. Das Einkommen der Tochter von EUR 666,-- im Monat sei für deren Lebensunterhalt nicht ausreichend, denn dafür seien mindestens EUR 772,40 erforderlich. Vorerst werde für den Ehemann jedoch nur das Existenzminimum für zwei Personen und das minderjährige Kind herangezogen, das EUR 1.179,60 betrage. Vom Restbetrag in Höhe von EUR 383,71 müssten noch weitere Belastungen (Miete und auch eine volle Versorgung für die Tochter der Beschwerdeführerin) in Abzug gebracht werden. Nur der davon noch verbleibende Betrag könne zur Versorgung der Beschwerdeführerin herangezogen werden. Für die angebliche Pension in Höhe von EUR 250,-- habe die Beschwerdeführerin keine Unterlagen vorgelegt.

Es habe somit nicht nachgewiesen werden können, dass der Unterhalt gedeckt sei, weshalb es sehr wahrscheinlich sei, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe. Die vom Schwiegersohn vorgelegte Haftungserklärung sei nicht tragfähig.

Ein sogenannter "Freizügigkeitssachverhalt" im Sinn der §§ 51 ff NAG liege nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde samt Gegenschrift erwogen:

Soweit in der Beschwerde die Verfassungsmäßigkeit des § 57 NAG angesprochen wird, genügt der Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 244/09 u.a., in dem sich der Verfassungsgerichtshof den - mit Blick auf den Gleichheitssatz und das Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander - an ihn herangetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber den Bestimmungen des NAG nicht angeschlossen hat.

Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Das NAG legt im Grundsätzlichen fest, dass Einkünfte für eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften dann vorliegen, wenn der (einfache) Richtsatz des § 293 ASVG erreicht wird. Auf der anderen Seite muss der Zusammenführende

in der Lage sein, diesen Unterhalt zu erbringen und selbst noch über das pfändungsfreie Existenzminimum im Sinn des § 291a EO (entspricht dem "Einzelpersonenrichtsatz") verfügen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0637). Der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis weiters dargelegt, dass die Existenz des Zusammenführenden auch dann gesichert ist, wenn ihm gemeinsam mit seinem Ehepartner der Haushaltsrichtsatz des § 293 ASVG zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden verwendet wird. Diesfalls kann von einer tragfähigen Haftungserklärung ausgegangen werden, kann doch der Unterhalt sowohl des Nachziehenden als auch des Zusammenführenden ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen bestritten werden. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - dem Schwiegersohn der Beschwerdeführerin als Zusammenführenden mit seiner Ehefrau (der Tochter der Beschwerdeführerin) und dem Kind monatliche Mittel im Ausmaß des "erhöhten Haushaltsrichtsatzes" (§ 293 ASVG in der Fassung BGBl. II Nr. 7/2009) von EUR 1.239,03 zur Verfügung stehen müssen.

Die belangte Behörde ging von einem Einkommen des Schwiegersohnes der Beschwerdeführerin von EUR 1.563,31 monatlich aus und versagte dem Einkommen der Tochter der Beschwerdeführerin von EUR 666,-- monatlich die Relevanz. Da dies nicht dem Gesetz entspricht (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis 2008/22/0637), beläuft sich das Haushaltseinkommen der Familie des Schwiegersohns der Beschwerdeführerin auf zumindest EUR 2.229,31. Nach Abzug der für die hier lebende Familie notwendigen Mittel verbleiben EUR 990,28. Dieser Einkommensteil übersteigt beträchtlich den geforderten Unterhaltsbetrag für die Beschwerdeführerin von EUR 772,40. Bei richtiger Rechtsansicht hätte die belangte Behörde somit zur Beurteilung gelangen müssen, dass der Unterhalt der Beschwerdeführerin gesichert ist. Entgegen ihrer Ansicht sind - nach § 11 Abs. 5 NAG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 157/2005 - Mietkosten nicht zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711) und es hat die belangte Behörde auch keine sonstigen relevanten Belastungen festgestellt.

Somit erweist sich der angefochtene Bescheid schon deswegen als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht - im angesprochenen Ausmaß - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-70283

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