VwGH vom 20.02.2014, 2012/07/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der Stadtgemeinde S, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. RU4- B-176/001-2008, betreffend abfallwirtschaftsrechtliche Behandlungsaufträge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf den in Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom erteilten Auftrag bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
Die A. GmbH, über deren Vermögen im Jahr 2006 der Konkurs eröffnet und die im Jahr 2009 im Firmenbuch von Amts wegen gelöscht wurde, hat am Standort F. in Stockerau auf im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehenden Liegenschaften und im Eigentum der S. GmbH stehenden Liegenschaften eine Abfallbehandlungsanlage betrieben, für die mit Bescheid der belangten Behörde vom eine Betriebsbewilligung erteilt worden war, die am erloschen ist. Im Rahmen dieser Betriebsstätte wurden von der A. GmbH ohne Bewilligung Abfälle gelagert.
Mit Bescheiden der belangten Behörde vom wurde gemäß § 62 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 der A. GmbH der Auftrag erteilt, von den Grundstücken Nr. 668, 669/1, 670/1, 671, 672, 673/1, 674, 677 bis 687, 706 und 707, KG S. 18.040 m3 Müllballen und 48.500 m3 Haus- und Sperrmüll, hausmüllähnlichen Gewerbemüll, gepresste Müllballen (verunreinigter Kunststoffmüll), Kunststoffstanzabfälle, Elektroschrott und unsortierte Kunststoffabfälle in mehreren Abschnitten bis zu entfernen und nachweislich ordnungsgemäß zu beseitigen. Für 21.000 m3 näher beschriebene Kunststoffabfälle, die ebenfalls zur Entfernung aufgetragen wurden, wurde eine Frist bis festgesetzt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K (im Folgenden: BH) vom wurde der A. GmbH gemäß § 73 AWG 2002 der Auftrag erteilt, ca. 25.000 t nicht gefährlichen Abfall von den angeführten Grundstücken bis zum zu entfernen.
Mit Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom war die A. GmbH aufgefordert worden, so rasch wie möglich einen der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen sowie die Aufforderungen der Behörden einzuhalten.
Mit Schreiben vom teilte die beschwerdeführende Partei der A. GmbH mit, dass sie als Grundstückseigentümerin die konsenslosen Zwischenlagerungen nicht tolerieren könne, und forderte sie die Anlagenbetreiberin auf, umgehend mit der Entfernung der nicht genehmigten Zwischenlagerungen zu beginnen und sie über den Fortschritt auf dem Laufenden zu halten.
Am brach auf dem Gelände der A. GmbH ein Großbrand aus, der einen Teil der im Freien gelagerten Abfälle und den nördlichen Teil der Halle für die Abfallaufbereitung betraf. Dabei sind Teile der Abfalllagerungen verbrannt. Weitere angebrannte Abfälle wurden in einem Verfahren nach § 73 Abs. 2 AWG 2002 im Auftrag der BH von einem Unternehmen entsorgt.
Mit Bescheid vom traf die BH den folgenden Ausspruch:
"I.
Der (beschwerdeführenden Partei) wird aufgetragen, die auf den Grundstücken Nr. 668, 671, 672, 679, 680, 681, 682, 683, 684, 686, 687 und 1051 (KG S.) vorhandenen Lagerungen von Haus- und Sperrmüll, hausmüllähnlichem Gewerbemüll, Papierabfällen, gepressten Müllballen, Kunststoffstanzabfällen, Sperrmüll und Kunststoffabfällen im Gesamtausmaß von 75.130 m3 bis nachweislich ordnungsgemäß zu beseitigen.
Die Ablagerungen sind folgenden Schlüsselnummern laut Abfallverzeichnisverordnung zuzuordnen:
(...)
II.
Der (beschwerdeführenden Partei) wird weiters aufgetragen, die auf den Grundstücken Nr. 678, 706 und 707 (KG S.) parallel zu der Einfahrtsstraße gelagerten Abfälle (Shreddergut, lose, Schlüsselnummer 91107) im Ausmaß von 1100 m3 bis nachweislich ordnungsgemäß zu beseitigen.
III.
Die (beschwerdeführende Partei) ist verpflichtet, die folgenden Verfahrenskosten innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen:
Kommissionsgebühren für die öffentliche Verhandlung vom (3 Amtsorgane, Dauer 5/2 Stunden)
EUR 141,75
Rechtsgrundlagen:
Zu I.:
§§ 15, 74 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002
i. d.g.F. (AWG)
Zu II.:
§§ 15, 73 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 i.d.g.F. (AWG)
Zu III.:
§ 77 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991,
§ 1 der Landes- Kommissionsgebührenverordnung 1976,
LGBl. 3860/1."
In Bezug auf Spruchpunkt I. vertrat die BH die Auffassung, dass ein Entsorgungsauftrag an die A. GmbH als unmittelbar Verpflichtete gemäß § 74 Abs. 1 AWG 2002 aufgrund wirtschaftlicher Unmöglichkeit nicht erteilt werden könne und die beschwerdeführende Partei als gemäß § 74 leg. cit. subsidiär haftende Liegenschaftseigentümerin als Adressatin eines Entfernungsauftrages heranzuziehen sei.
In Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. führte die BH aus, in der mündlichen Verhandlung am sei festgestellt worden, dass auf den Liegenschaften Parz. Nr. 678, 706 und 707, KG S., parallel zur Einfahrtsstraße die im Spruch angeführten Abfälle im Ausmaß von 1.100 m3 gelagert würden. Eine Bewilligung für die Lagerung derartiger Abfälle bestehe nicht. Seitens der Vertreter der beschwerdeführenden Partei sei dazu ausgeführt worden, dass diese Abfälle von dem Abfallhaufwerk 1 laut Lageplan (...) an die vorgefundene Stelle transportiert worden seien, weil unterhalb des ursprünglichen Lagerortes ein Leitungsbau für die nahe gelegene Biogasanlage notwendig geworden sei. Es sei somit unbestritten, dass die Abfälle auf Anordnung der beschwerdeführenden Partei an die genannte Stelle transportiert worden seien. Diese Grundstücke stünden im Eigentum der S. GmbH. Für den Betrieb eines Zwischenlagers für diese Abfälle bestehe weder nach dem AWG 2002 noch nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine behördliche Bewilligung. Die BH sei nach § 73 Abs. 1 leg. cit. somit verpflichtet, die Entfernung der Abfälle anzuordnen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gemäß § 66 AVG iVm §§ 15, 73, 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Frist für die Durchführung der in Spruchpunkt I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides angeordneten Maßnahmen jeweils mit festgelegt wurde.
Hinsichtlich des in Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides erteilten Entfernungsauftrages vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass keine Verpflichteten nach § 73 AWG 2002 herangezogen werden könnten und deshalb die beschwerdeführende Partei als gemäß § 74 Abs. 1 und 2 leg. cit. subsidiär haftende Liegenschaftseigentümerin in Anspruch zu nehmen sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Duldung der (Ab)lagerungen und der Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen seien erfüllt.
Hinsichtlich der in den Spruchpunkten II. und III. des erstinstanzlichen Bescheides erteilten Aufträge führte die belangte Behörde aus, dass kein Mangel festgestellt werden könne und die beschwerdeführende Partei bezüglich des Spruchpunktes II. dieses Bescheides keine Einwände erhoben habe. Da die Abfallumlagerungen auf Anordnung der beschwerdeführenden Partei erfolgt seien und diese die entsprechende ordnungswidrige Vorgangsweise somit veranlasst habe, sei sie als Verpflichtete anzusprechen. Auch hinsichtlich der Vorschreibung der Kommissionsgebühren für die Verhandlung am habe keine Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides erkannt werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 1139/11, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung stellte die beschwerdeführende Partei den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
1. Zur Beschwerde in Bezug auf Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides (subsidiäre Haftung der beschwerdeführenden Partei als Liegenschaftseigentümerin):
Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid u.a. mit dem Vorbringen, dass die Geltendmachung persönlicher Haftungen gegenüber den Geschäftsführern (der A. GmbH) unterblieben sei und die belangte Behörde sich damit hätte auseinandersetzen müssen, ob die "hinter der im Konkursverfahren verfangenen Gesellschaft stehenden Personen infolge ihrer gravierenden Verwaltungsübertretungen nicht privat zum Kostenersatz heranzuziehen sind". Ferner wendet sich die Beschwerde gegen die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der belangten Behörde, dass diese trotz der schriftlichen Aufforderungen der beschwerdeführenden Partei an die A. GmbH, womit sie auf die Einhaltung des gesetzeskonformen Zustandes und des Bewilligungsbescheides durch die A. GmbH gedrungen habe, von einer konkludenten Zustimmung zur illegalen Deponierung und Duldung seitens der beschwerdeführenden Partei ausgegangen sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Zur näheren Begründung und im Hinblick darauf, dass der vorliegende Beschwerdefall sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen jenen Fällen gleicht, die den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2009/07/0117, und vom heutigen Tag, Zl. 2011/07/0225, zugrunde liegen, wird gemäß § 43 Abs. 2 (zweiter Satz) VwGG auf diese Erkenntnisse verwiesen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis, Zl. 2009/07/0117, ausgeführt hat, gelangen die Kriterien für die subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung auch bei der Auferlegung des Kostenersatzes nach § 73 Abs. 2 leg. cit., mit denen sich die zitierten Erkenntnisse befassen, zur Anwendung.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er sich auf den in Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides erteilten Auftrag bezieht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2. Zur Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des erstinstanzlichen Bescheides:
In Bezug auf diese Spruchpunkte enthält die Beschwerde keine konkretisierten begründenden Ausführungen. Im Hinblick darauf zeigt sie nicht auf, dass die beschwerdeführende Partei insoweit durch den angefochtenen Bescheid in subjektiven Rechten verletzt wird.
Die Beschwerde war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Kostenersatzmehrbegehren der beschwerdeführenden Partei war abzuweisen, weil dieses zum einen den pauschalierten Schriftsatzaufwand überschreitet und zum anderen die verzeichnete Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. dazu nochmals das Erkenntnis, Zl. 2009/07/0117, mwN).
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-70282