VwGH vom 30.05.2017, Ra 2016/12/0079
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision der Salzburger Landesregierung gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , LVwG-6/118/6- 2016, betreffend amtswegige Ruhestandsversetzung gemäß § 12 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (mitbeteiligte Partei:
Dipl.Päd. M H in S, vertreten durch DDr. Michael Wagner, Rechtsanwalt in 5082 Grödig, Hauptstraße 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte steht als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg und war zuletzt mit voller Unterrichtsverpflichtung an einer Volksschule eingesetzt.
2 Mit Schreiben der Dienstbehörde vom wurde die Mitbeteiligte wegen Zweifeln an ihrer für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen gesundheitlichen Eignung mit sofortiger Wirkung außer Dienst gestellt. Die mit der Gutachtenserstattung beauftragte Sachverständige Dr. S kam in ihrem Gutachten vom zu folgendem Resümee:
"Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass (die Mitbeteiligte) an einer psychischen Symptomatik leidet, die entweder einer rezidivierenden depressiven Episode, oder einer bipolaren Störung Typ II zugeordnet werden kann. Zum Untersuchungszeitpunkt befindet sich die Erkrankung in Remission, d.h. dass die Probandin keine krankheitswertigen Beschwerdebilder zeigt. Zum Untersuchungszeitpunkt dürfte (die Mitbeteiligte) unter einer veränderten Stimmungsqualität gelitten haben, am ehesten hypoman/dysphorisch, wobei die Ausprägung der Verstimmung von der SV bei ihrer Befundaufnahme als nicht schwerwiegend erlebt wurde. Die Eskalation der Vorfälle im Herbst 2013 könnte nach SV Sicht ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die psychische Befindlichkeit gehabt haben.
Da bei der Befundaufnahme am keine psychische Symptomatik von Krankheitswert vorgelegen ist, ist (die Mitbeteiligte) nach SV Sicht unter folgenden Bedingungen wieder dienstfähig:
1. Im Sinne der Psychohygiene wäre das Beibehalten des reduzierten Stundenausmaß empfehlenswert.
2. Dienstortwechsel. Inwieweit es durchführbar sein wird die bereits stattgefundene Eskalation und den vorauseilenden Ruf der Probandin soweit zu entspannen, dass für (die Mitbeteiligte) ein Neubeginn an einer anderen Schule möglich ist, kann die SV nicht ausreichend beurteilen, wäre aber wünschenswert.
Sollte es gelingen für (die Mitbeteiligte) einen Neubeginn an einer anderen Schule zu ermöglichen und sie die komplex psychiatrische, psychotherapeutische Behandlung kontinuierlich fortsetzt, ergibt sich für die Erkrankung eine gute Prognose."
3 Seit Zuweisung der Mitbeteiligten durch die Dienstbehörde von ihrer Stammschule an eine andere Volksschule zur Dienstleistung mit Wirkung befindet sich die Mitbeteiligte im Krankenstand.
4 Nach Einholung zweier amtsärztlicher Stellungnahmen wurde abermals die Sachverständige Dr. S mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens beauftragt. Dieses Gutachten vom kam zu folgendem Schluss:
"Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass sich (die Mitbeteiligte) im Vergleich zur Letztuntersuchung psychisch noch weiter stabilisieren hat können, sie eine psychisch unauffällige Befindlichkeit aufweist und ihre Grunderkrankung sich in Remission befindet.
Bei der Probandin besteht eine Kränkung von erheblichem Ausmaß, die reaktiv zu einigen Beschwerdebildern führt, diese Symptomatik erreicht jedoch nicht das Ausmaß einer psychischen Krankheit.
Aus Sachverständigensicht wäre die Probandin ohne Einschränkung als Lehrerin einsetzbar, die regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung sollte fortgesetzt werden.
Welche Lösung für den überaus komplizierten Sachverhalt gefunden werden kann, wie die subjektiv erlebten Kränkungen bearbeitet und einer Entspannung zugeführt werden könnten, ist für die SV derzeit nicht antizipierbar. Es besteht allerdings die Befürchtung, dass sich bei (der Mitbeteiligten) bei nicht Auflösung des Konfliktes eine Verbitterung entwickeln könnte."
5 Die Dienstbehörde räumte der rechtsanwaltlich vertretenen Mitbeteiligten in der Folge rechtliches Gehör ein. Im Rahmen dessen legte sie ein fachärztliches Privatgutachten vor, beantragte dieses zu berücksichtigen und "die Dienstunfähigkeit" der Mitbeteiligten entgegen dem Gutachten Dris. S festzustellen.
6 Dieses fachärztliche Gutachten Dr. L vom kam zu folgendem Ergebnis:
"Bei der 52-jährigen (Mitbeteiligten) bestehen keine körperlich neurologischen Störungen, sie kam nüchtern zur Untersuchung (0,00 Promille Atemalkoholgehalt) und bot keine Entzugserscheinungen. Es fanden sich auch keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen. Eine depressive Verstimmungssymptomatik besteht nicht, sie steht aber diesbezüglich in medikamentöser psychiatrischer Behandlung. Im Wesentlichen ist der Vorgutachterin Frau Dr. S zuzustimmen, dass der derzeitige Befund einer remittierten rez. depressiven Störung (F 33.4) entspricht, was aber auch das Ergebnis der bisherigen und laufenden psychiatrischen Therapie darstellt.
(Die Mitbeteiligte) ist subjektiv völlig überzeugt, Opfer systematischen ‚Mobbings' zu sein. Bei Rückkehr in den Lehrdienst gleich ob an der bisherigen Schule oder anderen erwartet sie sich wiederum gekränkt, gedemütigt und ‚gemobbt' zu werden.
Aus psychiatrischer Sicht ist die jetzige relativ günstige Gesundheitsphase und Stabilisierung weitgehend darauf zurückzuführen, dass sie neben Therapie auch keinen beruflichen Belastungen ausgesetzt ist. Bei Rückkehr in den Beruf werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in Kürze all dieselben Probleme wieder auftauchen, die in den letzten zwei Jahren bestanden hatten.
D.h. die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr gesundheitlich schaden und einen Rückfall in neuerliche schwere psychische Krankheitssymptomatik auslösen.
Aus psychiatrischer Sicht erscheint (die Mitbeteiligte) bleibend dienstuntauglich für die Berufsausübung einer Lehrerin."
7 Im Hinblick auf dieses Gutachten gab die Dienstbehörde ein "Übergutachten" bei Facharzt Dr. G in Auftrag, der in seinem fachärztlichen Gutachten vom zu folgendem Ergebnis gelangte:
"3.1. Diagnose:
a) Aus neurologischer Sicht:
Eine neurologische Untersuchung wird von (der Mitbeteiligten) abgelehnt. Soweit den Befundunterlagen entnommen werden kann, ergeben sich keine Hinweise auf eine Erkrankung aus dem engeren neurologischen Fachbereich
b) Aus psychiatrischer Sicht:
1. Bipolare affektive Störung, ggw. leicht- bis mittelgradige depressive Episode (1CD 10 F31.3)
Eine Erhellung des neurologischen Status ist aufgrund der ablehnenden Haltung von (der Mitbeteiligten) nicht möglich. Soweit den vorliegenden Befundunterlagen entnommen werden kann, ergeben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Erkrankung aus dem neurologischen Fachgebiet.
Die intellektuelle Ausstattung ist, unter Berücksichtigung des klinischen Eindruckes, im Durchschnittsbereich anzusiedeln. Hinweise auf eine erworbene Hirnleistungsminderung ergeben sich klinisch nicht. Eine testpsychologische Erhellung der kognitiven Funktionen Aufmerksamkeit und Gedächtnis wird von (der Mitbeteiligten) ebenfalls abgelehnt.
Aus nervenfachärztlicher Sicht im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehen die psychopathologischen Phänomene. Folgt man den Angaben von (der Mitbeteiligten), so kam es bei dieser zum Auftreten eines depressiven Verstimmungszustandes, einhergehend mit Panikattacken. Sie hatte Bilder über den stationären Aufenthalt ihrer Schwester an der Christian Doppler Klinik Salzburg detailreich wiedererlebt. Medizinische Unterlagen über diese Phase liegen nicht vor.
Folgt man den Angaben von (der Mitbeteiligten), so ist davon auszugehen, dass ein depressiver Verstimmungszustand bestanden hat. Es erfolgte eine stationäre Behandlung an einer psychiatrischen Krankenhausabteilung und in weiterer Folge vom bis ein Rehabilitationsaufenthalt an der psychiatrischen Rehabilitationsabteilung St. Veit. Der Einholung dieser Krankenunterlagen wird von (der Mitbeteiligten) nicht zugestimmt.
In weiterer Folge fühlte sich (die Mitbeteiligte) zunehmend gemobbt, benachteiligt (z.B. wurde sie vermehrt zum Pausendienst eingeteilt). Sie hatte die subjektive Überzeugung, dass über sie gesprochen wird und man ihre Familiengeschichte, insbesondere den Selbstmord ihrer Mutter und ihrer Schwester, gegen sie verwendet. (Die Mitbeteiligte) suchte im Herbst 2013 um eine halbe Lehrverpflichtung an, um sich schonen zu können. Nach einem ärztlich verordneten Krankenstand bei Zustand nach Radunfall mit Exkoriationen im Gesicht kam es zu einer Zuspitzung der Situation, (die Mitbeteiligte) hat die Überzeugung, dass die Direktorin ihrer Schule (eine frühere Freundin) in einem Lokal anrief und einer Bekannten mitteilte, dass sie ((die Mitbeteiligte)) schwer krank sei. Sie erlebte dies als massiven Vertrauensmissbrauch.
(Die Mitbeteiligte) fühlt sich subjektiv psychisch nicht krank (‚mir wird eine psychische Krankheit angedichtet'), ihren Zustand führt sie auf massives Mobbing zurück.
Aus nervenärztlicher Sicht können die von (der Mitbeteiligten) gemachten Angaben hinsichtlich ihres Realitätsgehaltes nicht überprüft werden. Zum Zeitpunkt der eigenen Untersuchung zeigt sich (die Mitbeteiligte) auf die subjektiv erlebten Kränkungen eingeengt, hintergründig dysphorisch, verstimmt, leicht agitiert.
Durch das Gespräch über die subjektiven Belastungen kommt es zu einer zunehmenden Agitiertheit, weswegen (die Mitbeteiligte) weitere Untersuchungen ablehnt.
In der Zusammenschau sämtlicher Informationsquellen ist vom Vorliegen einer bipolaren Störung auszugehen, wobei zum Zeitpunkt der eigenen Untersuchung ein leichter dysphorischer Verstimmungszustand vorliegt. In diesem Zusammenhang ist auch auf den ärztlichen Entlassungsbericht der psychiatrischen Reha St. Veit hinzuweisen (stationärer Aufenthalt vom bis ), wo wörtlich festgehalten wird: ‚Die psychische Stabilität ist aus fachärztlicher Sicht als gering einzuschätzen'. Ursächlich für die Erkrankung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine anlagebedingte Neigung zum Auftreten von depressiven Verstimmungen anzuschuldigen. Diesbezüglich wird auf die positive Familienanamnese verwiesen. Inwieweit berufliche Konflikte das Krankheitsbild beeinträchtigen, kann vom unterzeichneten Sachverständigen nicht beurteilt werden.
In diagnostischer Hinsicht ergeben sich gegenüber dem Gutachten Dris. S vom bzw. dem Gutachten Dris. L vom keine wesentlichen Unterschiede. Die von Frau Dr. S beschriebene erhebliche Kränkung über die Eskalation der konfliktreichen Situation und damit verbundene psychoreaktive Symptome wie Albträume und sozialer Rückzug erreichen Krankheitswert und resultieren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus der Persönlichkeit von (der Mitbeteiligten), sondern sind vielmehr Ausdruck ihrer psychischen Labilität im Rahmen ihrer psychiatrischen Grundstörung. Dafür spricht vor allem der Umstand, wonach (die Mitbeteiligte) bis etwa 2012/2013 keinerlei berufliche Probleme hatte und sich somit auch keine Hinweise auf eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur, einhergehend mit einer erhöhten Kränkbarkeit, ergeben. Letzteres spiegelt sich in der nach wie vor vorliegenden deutlichen psychischen Instabilität wider. Diese ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen im Gutachten Dris. L als erheblich leistungsmindernd anzusehen.
3.2. Zur Frage, ob (die Mitbeteiligte) zur Ausübung des Berufes als Lehrerin infolge ihrer Erkrankungen gegenwärtig in der Lage ist:
Wie unter Punkt 3.1. bereits ausgeführt, leidet (die Mitbeteiligte) an einer schweren psychobiologischen Grundstörung (bipolare affektive Störung), einhergehend mit einer nach wie vor labilen psychischen Stabilität, dies trotz einer derzeit durchgeführten antidepressiven Behandlung. Eine stimmungsstabilisierende Medikation wird zum Zeitpunkt der eigenen Untersuchung von (der Mitbeteiligten) nicht angegeben bzw. ist davon auszugehen, dass Quetiapin auch einen stimmungsstabilisierenden Effekt hat.
In der Zusammenschau sämtlicher Befunde, insbesondere aufgrund der eigenen Untersuchungsergebnisse, ist (die Mitbeteiligte) derzeit nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin nachzugehen.
3.3. Zur Frage, ob eine Ausreizung der medizinisch indizierten Maßnahmen stattgefunden hat: (Die Mitbeteiligte) befindet sich in nervenfachärztlicher und psychotherapeutischer Betreuung. Die durchgeführten Maßnahmen entsprechen dem Stand der Wissenschaft, sodass von einer ausreichenden Ausreizung der medizinisch indizierten Maßnahmen gesprochen werden kann.
3.4. Zur Frage über den weiteren Verlauf der Erkrankung:
Individualprognostisch ungünstig ist der Umstand, wonach bei (der Mitbeteiligten) keine echte und tiefe Krankheitseinsicht vorliegt. Ungünstig sind weiters die bereits eingetretene Chronifizierung und die bei (der Mitbeteiligten) vorliegende Fixierung auf subjektiv erlittenes Unrecht. Letztlich ist auch darauf hinzuweisen, dass sich (die Mitbeteiligte) im Alter der körperlichen Involution (Rückbildung) befindet. Die individualprognostischen Kriterien liegen somit eher im ungünstigen Bereich.
Günstig ist der Umstand, wonach bei (der Mitbeteiligten) keine Komorbidität mit einer Suchterkrankung vorliegt und keine cerebrale Abbausymptomatik gegeben ist.
3.5. Zur Frage, ob (die Mitbeteiligte) zur Ausübung des Berufs als Lehrerin zukünftig in der Lage sein wird:
Wie unter Punkt 3.4. bereits ausgeführt, sind die individualprognostischen Kriterien für den bei (der Mitbeteiligten) vorliegenden Krankheitsverlauf eher im ungünstigen Bereich anzusiedeln. Es ist somit davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre keine ausreichende Stabilität für die berufliche Tätigkeit als Lehrerin erreicht werden wird, dies unabhängig vom Dienstort. Nach zwei Jahren sollte allenfalls eine Kontrolluntersuchung über den psychobiologischen Zustand von (der Mitbeteiligten) durchgeführt werden. Notwendig sind eine nervenärztlich überwachte medikamentöse Behandlung, wie sie derzeit durchgeführt wird, sowie die Fortsetzung einer psychotherapeutischen Betreuung.
3.6. Zur Frage der Prognose über die zu erwartenden Krankenstände:
Entfällt."
8 Mit Bescheid der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde die Mitbeteiligte - vorbehaltlich der Möglichkeit der Wiederaufnahme in den Dienststand - mit dem der Rechtskraft des Bescheids folgenden Monatsletzten in den Ruhestand versetzt und ausgesprochen, dass sie berechtigt sei, ab dem angeführten Zeitpunkt den Amtstitel "Volksschuloberlehrerin in Ruhe" zu führen.
9 Gestützt auf das Gutachten Dr. G kam die Dienstbehörde zum Ergebnis, dass die Mitbeteiligte derzeit nicht in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin nachzugehen. Die individualprognostischen Kriterien für den bei der Mitbeteiligten vorliegenden Krankheitsverlauf seien eher im ungünstigen Bereich anzusiedeln. Es sei daher davon auszugehen, dass - unabhängig vom Dienstort - innerhalb der nächsten zwei Jahre keine ausreichende Stabilität für die berufliche Tätigkeit als Lehrerin erreicht werden könne. Das Gutachten Dr. G bestätige im Ergebnis das von der Mitbeteiligten vorgelegte fachärztliche Gutachten Dr. L. Im Übrigen sei die Mitbeteiligte dem fachärztlichen Übergutachten Dr. G auch nicht entgegengetreten. Da aus diesem hervorgehe, dass bei der Mitbeteiligten innerhalb der nächsten zwei Jahre keine ausreichende Stabilität für die berufliche Tätigkeit als Lehrerin erreicht werden könne, dies unabhängig vom Dienstort, sei von einer dauernden Dienstunfähigkeit auszugehen und die Mitbeteiligte in den Ruhestand zu versetzen. Dem von der Mitbeteiligten gestellten Antrag auf Feststellung ihrer Dienstunfähigkeit habe daher insoweit entsprochen werden können. Ein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz habe der Mitbeteiligten nicht zugewiesen werden können, weil aus dem vorliegenden Gutachten Dr. G hervorgehe, dass bei der Mitbeteiligten unabhängig vom Dienstort keine ausreichende Stabilität für die berufliche Tätigkeit als Lehrerin erreicht werden könne, was eine Verwendung an einem gleichwertigen Arbeitsplatz ausschließe. Sollte die Dienstfähigkeit vor dem 60. Lebensjahr wiedererlangt werden und die Versehung der dienstlichen Aufgaben noch durch mindestens fünf Jahre wahrscheinlich sein, könne aus dienstlichen Gründen eine Wiederaufnahme in den Dienststand durch Ernennung erfolgen.
10 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg.
11 Mit dem angefochtenen Beschluss vom gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg der Beschwerde insoweit statt, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG in Verbindung mit § 12 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) zurückverwiesen wurde. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
12 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Salzburg nach Wiedergabe des Verfahrensgangs, maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Wesentlichen aus:
"Im gegenständlichen Fall ist auf Grund der allgemein gehaltenen Aussagen des Sachverständigen Dr. G nicht nachvollziehbar, wie sich der an der (Mitbeteiligten) diagnostizierte Gesundheitszustand auf die konkrete Aufgabe der (Mitbeteiligten), die ihr als Volksschullehrerin obliegt, auswirkt. So spricht der Sachverständige lediglich davon, dass die (Mitbeteiligte) derzeit nicht in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin nachzugehen. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre keine ausreichende Stabilität für die berufliche Tätigkeit als Lehrerin erreicht werde, dies unabhängig vom Dienstort. Nach zwei Jahren sollte allenfalls eine Kontrolluntersuchung über den psychobiologischen Zustand durchgeführt werden.
Darüber hinaus fehlt eine prognostische Einschätzung über das zu erwartende Verhalten der (Mitbeteiligten) an der Schule, etwa im Umgang mit Schülern und Lehrern. Weiters wurde die Frage der Prognose über die zu erwartenden Krankenstände nicht beantwortet.
Nicht geprüft wurde zudem, ob die seitens des Sachverständigen festgestellte dauernde Dienstunfähigkeit im Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die mit dem Arbeitsplatz verbunden sind, oder auf die von der (Mitbeteiligten) erhobenen Mobbingvorwürfe zurückzuführen ist. Aus dem Akt geht nicht hervor, dass sich die belangte Behörde mit diesen Vorwürfen auseinandersetzte und ob diese nicht auch allenfalls gerechtfertigt gewesen sein könnten. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2009/12/0072, ausgeführt wie folgt:
(...)
Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob die (Mitbeteiligte) tatsächlich Mobbing ausgesetzt war, insofern von Bedeutung, als zu prüfen ist, ob die (Mitbeteiligte) an ihrem aktuellen Arbeitsplatz auch nach Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes an der Schule bzw nach Wegfall dieses Faktors weiterhin dienstunfähig wäre oder dies zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen würde. Es müsste somit feststehen, dass eine bei der (Mitbeteiligten) vorliegende Erkrankung bzw ein bei ihr festzustellender habitueller Charakterzug zur Folge hätte, dass eine ersprießliche Dienstleistung selbst dann nicht zu erwarten wäre, wenn im Falle der Rückkehr auf den Arbeitsplatz kein weiteres Mobbing zu befürchten wäre, was im Falle bereits erlittenen Mobbings jedenfalls auch eine entsprechende Entschuldigung derjenigen, von denen dieses Mobbing ausging, voraussetzte. Bejahendenfalls wäre es aber dann gleichgültig, ob solche Wirkungen zeigende Erkrankungen bzw. Charakterzüge ihrerseits Folge erlittenen Mobbings waren oder nicht (vgl ; , 2009/12/0072).
Auf Grund der Außerachtlassung der Prüfung der behaupteten Mobbingsituation wären jedenfalls weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich gewesen, um das Vorliegen der dauernden Dienstunfähigkeit bei der (Mitbeteiligten) beurteilen zu können. Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass es nicht Aufgabe des medizinischen Sachverständigen ist, festzustellen, ob die (Mitbeteiligten) tatsächlich gemobbt wurde oder nicht. Es handelt sich hiebei um Tatsachen, die bescheidmäßige Feststellungen durch die belangte Behörde erforderlich machen (vgl ).
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit der (Mitbeteiligten) - wie oben ausgeführt - zu prüfen ist, ob die (Mitbeteiligten) die Aufgaben des ihr zuletzt dienstrechtlich wirksam zugewiesenen Arbeitsplatzes zu erfüllen vermag. Maßgebend ist daher die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben an diesem Arbeitsplatz (Primärprüfung). Im angefochtenen Bescheid fehlen jegliche Feststellungen über die mit dem Arbeitsplatz der (Mitbeteiligten) verbundenen dienstlichen Aufgaben.
Auch dem medizinischen Sachverständigen wurde seitens der belangten Behörde keine nähere Beschreibung des zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes zur Verfügung gestellt. Unterbleibt die sachverhaltsmäßige Feststellung der dienstlichen Aufgaben des aktuellen Arbeitsplatzes, liegt schon aus diesem Grund ein ergänzungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl ; , 2007/12/0197 mwN). Die belangte Behörde hätte daher im angefochtenen Bescheid zum einen die Aufgaben des der (Mitbeteiligten) aktuell zugewiesenen Arbeitsplatzes zu beschreiben, zum anderen die sich aus dem Leistungskalkül ergebenden Einschränkungen in Relation zu den konkreten Anforderungen des Arbeitsplatzes zu setzen gehabt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung einen ausreichend ermittelten Sachverhalt zu Grunde zu legen hat, bei dessen Feststellung sie sich der Hilfestellung durch Sachverständige zu bedienen hat. Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass nach diesen gutachterlichen Feststellungen die Dienstfähigkeit nicht zu verneinen ist. Die Annahme der belangten Behörde, dass eine Dienstunfähigkeit der (Mitbeteiligten) vorliegt, konnte sie nach Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht nachvollziehbar mit dem Gutachten untermauern. Nur auf Grund eines vollständigen und schlüssigen Gutachtens kann der zur Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer dauernden Dienstunfähigkeit wesentliche Sachverhalt festgestellt werden. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher bereits auf Ebene der Primärprüfung als mangelhaft und kann die Feststellung der belangten Behörde, dass die (Mitbeteiligte) dauernd dienstunfähig sei, nicht auf dieses Gutachten gestützt werden.
Gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG kann das Landesverwaltungsgericht einen angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. In diesem Sinne ist davon ausgehen, dass der für eine Sachentscheidung erforderliche Sachverhalt in maßgeblichen Punkten noch ergänzungsbedürftig ist.
Von der belangten Behörde wird daher im weiteren Verfahren die behauptete Mobbingsituation zu prüfen sein und unter Zugrundelegung der Ausführungen des VwGH in seinem Erkenntnis vom , 2013/12/0164, unter Heranziehung eines Sachverständigen die Tatsachenfrage zu klären haben, ob sich die von den medizinischen Sachverständigen gestellte negative Zukunftsprognose auch auf die Beschäftigung der (Mitbeteiligten) auf einem Arbeitsplatz beziehen würde, auf welchem sie keinem Mobbing ausgesetzt wäre und ob die (Mitbeteiligte) an ihrem aktuellen Arbeitsplatz auch nach Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes an der Schule weiterhin dienstunfähig wäre oder dies zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen würde. Dazu hat die belangte Behörde auf eine Vervollständigung und Konkretisierung des Gutachtens zu dringen, sodass auf Grund der ärztlichen Feststellungen - unter Zugrundelegung der konkreten dienstlichen Aufgaben der (Mitbeteiligten) des ihr aktuell zugewiesenen Arbeitsplatzes bei rechtmäßigem Verhalten anderer Mitarbeiter und bei Erfüllung der gegenüber der (Mitbeteiligten) treffenden Fürsorgepflicht durch den Dienstgeber - über den bestehenden Leidenszustand, dessen voraussichtliche Dauer unter Berücksichtigung von Heilungsmöglichkeiten sowie die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Präzisierung der Auswirkungen auf die Erfüllung der konkreten dienstlichen Aufgaben als Volksschullehrerin eine fundierte Beurteilung darüber erfolgen kann, ob eine Dienstunfähigkeit auf Dauer vorliegt.
Hierauf hat die belangte Behörde neuerlich zu entscheiden, ob eine Versetzung in den Ruhestand gemäß § 12 LDG 1984 zu erfolgen hat. Sollte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen, dass die Dienstfähigkeit der (Mitbeteiligten) in Bezug auf ihren aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz nicht gegeben ist, wäre sodann die Verweisungsmöglichkeit zu prüfen.
Da infolge der aufgezeigten Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Primärprüfung der Dienstunfähigkeit an dem der (Mitbeteiligten) aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz und im Hinblick auf die Nähe zur Sache die belangte Behörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Landesverwaltungsgericht bewerkstelligen kann, war spruchgemäß zu entscheiden."
13 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Landesverwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.
14 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde. Die Zulässigkeit der Revision wird damit begründet, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG von der seit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2014/03/0063, etablierten, einheitlichen Rechtsprechung abgegangen sei, wonach die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts Vorrang habe und die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme bilde, deren Inanspruchnahme begründungspflichtig sei und die strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken sei. Die im zitierten Erkenntnis umschriebenen Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung lägen hier nicht vor.
15 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zulässigkeit der Revision bestreitet und (hilfsweise) deren Abweisung als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Der vorliegende Revisionsfall gleicht nun insofern, als das Landesverwaltungsgericht Salzburg es verabsäumt hat, sich mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG näher auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob die dort umschriebenen - restriktiven - Voraussetzungen für die Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG überhaupt vorliegen und die vom Verwaltungsgericht hiefür herangezogene Begründung, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts von der Dienstbehörde "zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten" bewerkstelligt werden könne wie durch das Landesverwaltungsgericht, eine solche Aufhebung nicht zu tragen vermag, in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem Fall, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2016/12/0071, entschieden hat. Aus den dort angeführten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, stellt sich auch die vorliegende Revision als zulässig und berechtigt dar.
17 Die vom Verwaltungsgericht für erforderlich gehaltene Konkretisierung des Gutachtens hätte das Verwaltungsgericht selbst durchzuführen gehabt (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom , Ra 2014/09/0037).
18 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass auch die Mitbeteiligte in ihrer Beschwerde - soweit diese im angefochtenen Erkenntnis dargestellt wird - eine Unschlüssigkeit des Gutachtens nicht geltend machte, sondern sich der Aussage des Sachverständigen, dass sie derzeit nicht in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin nachzugehen, anschloss und (zunächst) beantragte, ihre "Dienstunfähigkeit festzustellen".
19 Soweit die Mitbeteiligte aus den Ausführungen im Gutachten, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre keine ausreichende Stabilität für die berufliche Tätigkeit als Lehrerin erreicht werden könne und eine Kontrolluntersuchung nach zwei Jahren angeregt werde, ableitet, dass sie bis dahin im Krankenstand zu belassen und nicht in den Ruhestand zu versetzen gewesen wäre, wurde diese Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits geklärt. Danach liegt die maßgebliche Grenze für eine "dauernde" Dienstunfähigkeit bei zwei Jahren (siehe das Erkenntnis vom , 2010/12/0004). Um eine Versetzung in den Ruhestand zu rechtfertigen, muss die Dienstunfähigkeit auf Dauer, also für einen nicht absehbaren Zeitraum, vorliegen. Daraus folgt - umgekehrt -, dass die Dauerhaftigkeit der Dienstunfähigkeit nur dann verneint werden darf, wenn in den Prognosen der medizinischen Gutachter auch jener absehbare Zeitraum umschrieben wird, innerhalb dessen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit am aktuellen Arbeitsplatz erwartet werden kann (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom , 2010/12/0035, VwSlg 18058 A/2011).
20 Schließlich hätte das Verwaltungsgericht, sofern es aus den Ausführungen im Gutachten Dr. G, dass die Krankheit "unabhängig vom Dienstort" vorliege, noch nicht zweifelsfrei ableiten konnte, dass selbst ein "mobbingfreier" Arbeitsplatz nicht zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit der Mitbeteiligten führen würde, selbst eine dahingehende Ergänzung des Gutachtens zu veranlassen gehabt. Einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache bedurfte es auch in diesem Zusammenhang nicht.
21 Indem das Landesverwaltungsgericht Salzburg in Verkennung des eben Dargelegten eine auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützte Aufhebung und Zurückverweisung vornahm, belastete es den angefochtenen Beschluss daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Im Hinblick darauf war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Schlagworte: | Besondere Rechtsgebiete |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.