TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 26.06.2014, 2012/06/0231

VwGH vom 26.06.2014, 2012/06/0231

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. der O F und 2. der B H, beide in S, beide vertreten durch die Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/44544/2012/038, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: R K in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Salzburg hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt S. vom wurde die Baubewilligung für die Errichtung eines Geschäfts- und Wohnhauses und eines Flugdaches auf dem Grundstück Nr. 1538 in S. erteilt. Diese Bewilligung für ein fünfgeschossiges Bauwerk entsprach dem im Jahr 1968 geltenden Teilbebauungsplan, der eine Bauhöhe von maximal fünf Geschossen vorsah.

Da nicht bewilligungskonform gebaut worden war, wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt S. vom unter anderem ein auf dem fünften Geschoss befindlicher Aufbau, bestehend aus einem Stiegenhaus, einem Triebwerksraum und einem Ausgang auf das Dach, genehmigt. Dieser Aufbau hat eine Länge von etwa 6,80 m und eine Breite von etwa 3 m, wobei die Außenwand auf der Breitseite bis auf 6,20 m verlängert wurde. Ob diese Genehmigung auch ein Flugdach umfasst, wodurch dieser Aufbau eine Länge von etwa 6,80 m und eine Breite von 6,20 m erreichte, ist weder dem Bescheid selbst noch den genehmigten Einreichplänen zu entnehmen.

Mit Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte (im Folgenden: der Bauwerber) den Umbau des Wohn- und Geschäftshauses, wobei unter anderem im Dachgeschoss (sechsten Geschoss) zusätzlich zu dem bestehenden Aufbau eine Besprechungslounge im Ausmaß von 70,74 m2 sowie (im ehemaligen Triebwerksraum) ein WC mit 1,24 m2 errichtet werden sollen. Diese geplante Lounge ragt in südwestlicher Richtung um etwa 5,20 m über die Fläche des fünften Geschosses beinahe bis an die Baugrenzlinie hinaus, dies bei einer Breite von etwa 5,60 m. Das Stiegenhaus bleibt unverändert. Die Traufenhöhe des umgebauten Hauses soll im Bereich des sechsten Geschosses um 54 cm erhöht werden.

Der vom Gemeinderat am beschlossene Bebauungsplan der Grundstufe "Schallmoos-Neustadt 6/G1" sieht für das Baugrundstück eine Bauhöhe von vier Vollgeschossen und einem ausbaubaren Dachgeschoss vor.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt S. vom wurde dem Bauwerber die Bewilligung für den beantragten Um- und Zubau des Wohn- und Geschäftshauses mit zahlreichen Nebenbestimmungen erteilt.

Die Beschwerdeführerinnen sind Nachbarinnen des Baugrundstückes. Mit Schriftsatz vom erhoben sie nachträglich Einwendungen gegen das Bauvorhaben, weil die mündliche Verhandlung am , in welcher der Bescheid mündlich verkündet worden sei, nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei und sie auch nicht persönlich geladen worden seien. Inhaltlich brachten sie vor, der Bauwerber müsse die Bebauungsgrundlagen vollständig und exakt einhalten. Insbesondere hinsichtlich des nicht vom Bebauungsplan erfassten und auch nicht bewilligungsfähigen sechsten Obergeschosses sei es nicht rechtens, die Bau(flucht)linie des Gesamtbaukörpers auszunützen, sondern es wäre lediglich eine Sanierung im vorhandenen Bestand möglich.

Mit Schriftsatz vom wiederholten die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen ihre Einwendungen vom , brachten eine Berufung gegen den Bescheid vom ein und beantragten die Zuerkennung ihrer Parteistellung.

Der von der belangten Behörde beigezogene planungsrechtliche Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme vom aus, der mit Bescheid vom bewilligte "Aufbau" bestehe aus einem Stiegenhaus mit anschließendem Technikraum und einem flugdachähnlichen Gebilde, welches durch seine gestalterische Ausbildung und Ausführung insgesamt eine raumbildende Maßnahme (durch die zwei Begrenzungswände und die Stütze) darstelle. Der Aufbau sei nach dem damals anzuwendenden § 11 Bebauungsgrundlagengesetz - BGG weder ein "sonstiger Aufbau", weil er die von der zulässigen höchsten Lage des obersten Gesimses oder der obersten Dachtraufe ausgehende, 45 Grad zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche überrage, noch ein im Gesamtbild des Baues untergeordneter Bauteil wie etwa Rauchfänge oder einzelne Dachaufbauten, sondern ein weiteres Vollgeschoß. Mit Bescheid vom sei somit ein sechsgeschossiges Gebäude bewilligt worden. Dieses stelle bereits einen Widerspruch in Bezug auf die zulässige Höhe nach dem nunmehr geltenden Bebauungsplan "Schallmoos-Neustadt 6/G1" dar. Das beantragte Projekt könne daher nur bewilligt werden, wenn § 64 Abs. 2 ROG 2009 zur Anwendung komme. Bei dem bewilligten sechsten Obergeschoss handle es sich weder um ein Dachgeschoss im Sinn des § 57 Abs. 3 ROG 2009 (wonach Dächer und sonstige, höchstens eingeschossige Aufbauten unbeschadet ihrer Konstruktion und Gestaltung unter Beachtung des zulässigen höchsten Punktes des Baues eine von der zulässigen höchsten Lage des obersten Gesimses oder der obersten Dachtraufe ausgehende, 45 Grad zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche, ausgehend von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschosses liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche, nicht überragen dürften) noch gemäß § 57 Abs. 4 Z 1 leg. cit. (wonach im Gesamtbild des Baues untergeordnete Bauteile wie Rauchfänge und einzelne Dachaufbauten etc. nicht unter die Höhenbegrenzung fielen), sondern um ein Vollgeschoss, das bereits einen Widerspruch zum derzeit geltenden Bebauungsplan darstelle. Das sechste Geschoss solle zwar um 54 cm höher werden, die bestehende Anzahl der Geschosse werde aber nicht verändert; der Widerspruch zum Bebauungsplan bleibe somit unverändert. Daher weiche das beantragte Projekt nicht mehr als bisher von der im Bebauungsplan festgelegen Bebauungsgrundlage von vier Vollgeschossen samt zulässigem Dachgeschoss ab, auch wenn sich die Geschossfläche in diesem Geschoss von 43,47 m2 auf 96,455 m2 mehr als verdopple.

Die Beschwerdeführerinnen wandten sich in ihrer Stellungnahme vom gegen die Ausführungen des Amtssachverständigen und brachten vor, dieser gehe von falschen Voraussetzungen aus. Es gebe kein "bislang bestehendes raumbildendes flugdachähnliches Gebilde", sondern nur den kleinen Aufbau, bestehend aus dem Treppenhaus, einem Ausgang auf das Dach und dem Aufzug sowie einer Dachterrasse, die in keiner Weise überdacht sei. Ein "flugdachähnliches Gebilde" sei nicht vorhanden. Ein solches entspräche auch keinem Vollgeschoss, weil eine filigran überdachte Terrasse in keiner Weise einem voll ausgebauten Geschoss mit einer Fläche von über 80 m2 plus Dachterrasse gleichzusetzen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) beurteilte die belangte Behörde zunächst (unter anderem) die Beschwerdeführerinnen als übergangene Parteien, die rechtzeitig gemäß § 12 Abs. 3 Baupolizeigesetz (BauPolG) innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Ausführungen der baulichen Maßnahmen nachträglich Einwendungen erhoben hätten.

Die Berufung der beschwerdeführenden Parteien vom wurde jedoch als unbegründet abgewiesen. Zum Berufungsvorbringen bezüglich der Bauhöhe wiederholte die belangte Behörde in ihrer Begründung die Ausführungen des Amtssachverständigen vom , wonach bereits ein sechstes Obergeschoss bewilligt worden sei, wobei nunmehr das raumbildende flugdachähnliche Gebilde entfernt und stattdessen ein Besprechungsraum mit einer Breite von 5,60 m und einer Länge von 12,93 m errichtet werden solle, wobei die Auskragung in westlicher Richtung 5,20 m betrage und die Traufenhöhe um 54 cm erhöht werde. Da der Bebauungsplan der Grundstufe "Schallmoos-Neustadt 6/G1" für das Baugrundstück eine Bauhöhe von vier Vollgeschossen und einem ausbaubaren Dachgeschoss vorsehe, widersprächen sowohl der Bestand als auch das beantragte Projekt dem anzuwendenden Bebauungsplan. Gemäß § 64 Abs. 2 ROG 2009 dürften für bestehende Bauten, die dem Bauungsplan widersprächen, nur notwendige Erhaltungsmaßnahmen und solche Änderungen bewilligt werden, durch die der Bau von den festgelegten Bebauungsgrundlagen nicht oder nicht wesentlich mehr als bisher abweiche. Da mit Bescheid vom für das Gebäude bereits ein sechstes Geschoss bewilligt worden sei, das gemäß § 57 Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 ROG 2009 weder als Dachgeschoss noch als untergeordneter Bauteil zu werten sei, handle es sich beim bewilligten sechsten Geschoss um ein Vollgeschoss. Dieses solle nunmehr um 54 cm höher werden, die bestehende Anzahl der Geschosse werde aber nicht verändert; der Widerspruch zum Bebauungsplan bleibe somit unverändert. Das beantragte Projekt weiche daher nicht mehr als bisher von der im Bebauungsplan der Grundstufte festgelegten Bebauungsgrundlage von vier Vollgeschossen samt zulässigem Dachgeschoss ab, auch wenn die Geschossfläche in diesem Geschoss mehr als verdoppelt werde.

Dem Nachbarn komme im Anwendungsbereich des Salzburger Baurechtes kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der maximal zulässigen Geschossflächenzahl zu, weil er ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung von Abstandsvorschriften und Gebäudehöhen habe. Wenn die Beschwerdeführerinnen in ihrer Stellungnahme vom den Bestand eines raumbildenden flugdachähnlichen Gebildes verneinten, werde darauf verwiesen, dass sich aus dem mit Bescheid vom bewilligten Plan ergebe, dass auf dem bestehenden Gebäude im Ausmaß von 12,30 m x 10,27 m ein fast quadratischer Aufbau von 6,20 m x 6,80 m bewilligt worden sei. Das Treppenhaus mit Ausgang auf das Dach und der Triebwerksraum hätten ein Ausmaß von etwa 3 m x 6,80 m, sodass etwas weniger als die Hälfte des quadratischen Aufbaus die vom Amtssachverständigen als "flugdachähnliches Gebilde" bezeichnete raumbildende Maßnahme sei. Auf dem von den Beschwerdeführerinnen übermittelten Foto aus Google-Maps sei eindeutig der quadratisch bewilligte Aufbau zu erkennen. Dieses Foto belege somit deutlich, "dass der Aufbau bewilligungskonform errichtet ist". Wenn die Beschwerdeführerinnen in ihrem Schreiben vom ausführten, das flugdachähnliche Gebilde sei keine raumbildende Maßnahme im Sinn des ROG, weil es lediglich eine Betonauskragung darstelle und auf drei Seiten offen sei, sei dem zu entgegnen, dass das "flugdachähnliche Gebilde" nur an zwei Seiten offen sei. Der "Aufbau" im sechsten Obergeschoss sei somit "bewilligungskonform errichtet worden" und stelle ein Vollgeschoss dar, auch wenn er nicht zur Gänze über den anderen Geschossen errichtet sei. Durch das vorliegende Projekt bzw. die Erweiterung des sechsten Geschosses werde von den festgelegten Bebauungsgrundlagen im Sinn des § 64 Abs. 2 ROG 2009 nicht wesentlich mehr als bisher abgewichen, weshalb die Baubehörde erster Instanz diesbezüglich zu Recht die Baubewilligung erteilt habe.

Zuletzt begründete die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerinnen aus ihrer Sicht durch die in der Brandschutzwand vorgesehene Brandschutzfixverglasung mit Glasbausteinen in keinem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ebenso wie der Bauwerber - in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 6 Baupolizeigesetz 1997 - BauPolG, LGBl. Nr. 40/1997, in der Fassung LGBl. Nr. 31/2009, ist eine Baubewilligung unter anderem dann zu versagen, wenn durch die bauliche Maßnahme ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; dazu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz.

Die §§ 57 und 64 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009, LGBl. Nr. 30/2009, lauten auszugsweise:

"Bauhöhe

§ 57

(1) Die Bauhöhe kann als Höchsthöhe und wegen besonderer Erforderlichkeit für bestimmte Flächen zusätzlich auch als Mindesthöhe festgelegt werden.

(2) Die Bauhöhe hat sich bei Festlegung in Metern auf den höchsten Punkt des Baues und das oberste Gesimse oder die oberste Dachtraufe, gemessen von der Meereshöhe oder vom natürlichen Gelände, zu beziehen. Die Bauhöhe kann auch durch die Anzahl der oberirdischen Geschoße (§ 56 Abs. 5) festgelegt werden. Dabei gelten, wenn ein oberirdisches Geschoß höher als 3,50 m ist, jede 3,50 m der darüber hinausgehenden Höhe als ein weiteres Geschoß. Das unterste Geschoß ist unter den Voraussetzungen gemäß § 56 Abs. 4 Z 2 lit. a nicht zu zählen.

(3) Dächer und sonstige, höchstens eingeschoßige Aufbauten unbeschadet ihrer Konstruktion und Gestaltung dürfen unter Beachtung des zulässigen höchsten Punktes des Baues eine von der zulässigen höchsten Lage des obersten Gesimses oder der obersten Dachtraufe ausgehende, 45 Grad zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche nicht überragen. Dies gilt nicht für den der Dachform entsprechenden Giebelbereich. Bei einer Höhenfestsetzung durch die Anzahl der Geschoße ist für die 45 Grad zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschoßes liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche auszugehen.

(4) Unter die Höhenbegrenzung fallen nicht:

1. im Gesamtbild des Baues untergeordnete Bauteile (Rauchfänge, einzelne Dachausbauten udgl);

2. Sonderbauten (Kirchtürme, Funk- und Fernsehtürme, Industrieschornsteine udgl); für diese sind die Mindest- und Höchsthöhen unter grundsätzlicher Bedachtnahme auf Abs. 5 sowie auf den Zweck der einzelnen Bauten im Einzelfall durch die Gemeindevertretung festzulegen.

(5) Die Bauhöhe ist unter Bedachtnahme auf die nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Höhenbegrenzungen und die besonderen örtlichen Erfordernisse festzulegen; dabei ist insbesondere auf gesundheitliche Aspekte sowie gegebenenfalls auf die Erhaltung oder Gestaltung eines charakteristischen Ortsbildes einzugehen.

Wirkungen des Bebauungsplans

§ 64

(1) Ab Inkrafttreten des Bebauungsplans dürfen Bauplatzerklärungen und nach baurechtlichen Vorschriften des Landes erforderliche Bewilligungen nur in Übereinstimmung mit den Festlegungen des Bebauungsplans erteilt werden.

(2) Für bestehende Bauten, die dem Bebauungsplan widersprechen, dürfen nur notwendige Erhaltungsmaßnahmen und solche Änderungen bewilligt werden, durch die der Bau von den festgelegten Bebauungsgrundlagen nicht oder nicht wesentlich mehr als bisher abweicht.

(3) Soweit rechtskräftige Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen für bauliche Maßnahmen, mit deren Ausführung noch nicht begonnen worden ist, bei der Aufstellung des Bebauungsplans nicht berücksichtigt werden konnten, sind sie auf Antrag oder von Amts wegen von der Baubehörde anzupassen oder erforderlichenfalls aufzuheben. Bis zu einer solchen Anpassung oder Aufhebung darf mit der Ausführung der baulichen Maßnahme nicht begonnen werden; trotzdem begonnene Maßnahmen sind nicht bewilligten Maßnahmen gleichzuhalten. Wird dadurch die Verbauung eines Grundstücks verhindert, ist für die dadurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu leisten.

§ 49 Abs. 1 bis 5 findet sinngemäß mit der Maßgabe Anwendung, dass die Antragsfrist ab Rechtskraft der Aufhebung zu laufen beginnt."

Gemäß § 11 Abs. 2 Bebauungsgrundlagengesetz - BGG, LGBl. Nr. 69/1968, in der hier relevanten Fassung LGBl. Nr. 87/1982 (aufgehoben mit durch LGBl. Nr. 99/1992), dürfen Dächer und sonstige Aufbauten unter Beachtung der festgelegten Höchsthöhe eine von der zulässigen höchsten Lage des obersten Gesimses oder der obersten Dachtraufe ausgehende, 45 Grad zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche nicht überragen. Im Gesamtbild des Baues untergeordnete Bauteile (Rauchfänge, einzelne Dachausbauten u. dgl.) fallen nicht unter die Höhenbegrenzung (Abs. 3).

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich nicht gegen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach der im Jahr 1985 genehmigte Aufbau über dem fünften Obergeschoss keinen "sonstigen Aufbau" gemäß dem damals anzuwendenden § 11 Abs. 2 BGG und auch keinen untergeordneten Bauteil im Sinn des § 11 Abs. 3 leg. cit. darstellt. Dies begegnet auch keinen Bedenken seitens des Gerichtshofes.

Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der belangten Behörde und der Beschwerdeführerinnen beziehen sich darauf, dass die belangte Behörde davon ausgeht, der Dachaufbau, der bereits ein Vollgeschoss darstelle, dürfe im Wesentlichen unbeschränkt bis zu den Baugrenzlinien ausgebaut werden, weil dadurch die im gegenständlichen Fall einzige festgelegte Bebauungsgrundlage, nämlich die Anzahl der Obergeschosse, nicht verändert werde. Die Beschwerdeführerinnen vertreten hingegen die Ansicht, das Gebäude, das bereits im Bestand die Vorgaben des Bebauungsplanes nicht einhalte, dürfte nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß - im Wesentlichen zu Erhaltungszwecken - um- bzw. ausgebaut werden.

Dazu führen die Beschwerdeführerinnen aus, der Dachaufbau widerspreche dem Bebauungsplan. Das Gebäude habe bisher aus fünf Geschossen und einem geringfügig ausgebauten Dachgeschoss bestanden, das nunmehr als volles sechstes Obergeschoss durch ein massiv auskragendes Element bis kurz an die Baugrenzlinie im Luftraum erweitert werden solle. Dadurch werde die Fläche des bisherigen Bestandes im sechsten Obergeschoss auf mehr als das Doppelte vergrößert. Die Anwendbarkeit des § 64 Abs. 2 ROG, wonach die Baumaßnahme von den festgelegten Bebauungsgrundlagen "nicht wesentlich mehr als bisher" abweiche, liege demnach nicht vor. Der Ausbau des kleinen Dachaufbaus zu einem Vollgeschoss mit über 80 m2 und einer Dachterrasse von knapp 45 m2 komme einer Neuerrichtung eines weiteren Vollgeschosses gleich; das Objekt werde dadurch wesentlich erweitert. Gemäß § 64 Abs. 2 ROG seien jedoch nur "notwendige Erhaltungsmaßnahmen" und "solche Änderungen, durch die der Bau von den festgelegten Bebauungsgrundlagen nicht oder nicht wesentlich mehr als bisher abweicht" erlaubt. Der Ausbau eines geringfügigen Dachaufbaus in ein Vollgeschoss mit der doppelten Nutzfläche sei von dieser Bestimmung offensichtlich und klar erkennbar nicht umfasst. Die belangte Behörde verkenne den Regelungsinhalt des § 64 Abs. 2 ROG. Beim Abweichen von den festgelegten Bebauungsgrundlagen gehe es nicht bloß um die Anzahl der Geschosse, sondern sehr wohl um die Größe, Ausprägung, Höhe und Fassadenlinie. Das Nichteinhalten der bisherigen Fassadenlinie und der Höhe stelle ein wesentliches Abweichen von den Bebauungsgrundlagen bzw. dem bisherigen Bestand dar. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0015, ausgesprochen, dass ein Abweichen vom Baubestand von bis zu mehr als einem Meter nicht mehr als geringfügig im Sinn des § 16 Abs. 4 Baupolizeigesetz anzusehen sei; nichts anderes könne für die Abweichungen im Sinn des § 64 Abs. 2 ROG gelten.

Damit ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 64 Abs. 1 ROG 2009 dürfen ab Inkrafttreten des Bebauungsplanes Bauplatzerklärungen und nach baurechtlichen Vorschriften des Landes erforderliche Bewilligungen nur in Übereinstimmung mit den Festlegungen des Bebauungsplanes erteilt werden. Von diesem Grundsatz sieht Abs. 2 leg. cit. eine Ausnahme für bestehende Bauten, die bereits dem Bebauungsplan widersprechen, vor. Für solche Bauten dürfen nur notwendige Erhaltungsmaßnahmen und solche Änderungen bewilligt werden, durch die der Bau von den festgelegten Bebauungsgrundlagen nicht oder nicht wesentlich mehr als bisher abweicht.

Ausnahmen sind nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich restriktiv auszulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0209, mwN). § 64 Abs. 2 ROG 2009 hat erkennbar die Zielsetzung, bestehende Bauten, die dem Bebauungsplan widersprechen, zu erhalten und nur im notwendigen Umfang zu ändern, jedoch nicht weiter auszubauen. Diese Auslegung legt auch Abs. 3 des § 64 ROG 2009 nahe, wonach rechtskräftige Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen für bauliche Maßnahmen, mit deren Ausführung noch nicht begonnen wurde, die dem anzuwendenden Bebauungsplan widersprechen, von der Baubehörde anzupassen oder erforderlichenfalls aufzuheben sind. Wenn also sogar bereits erteilte Baubewilligungen, die dem Bebauungsplan widersprechen, angepasst oder aufgehoben werden müssen, sofern mit ihrer Realisierung noch nicht begonnen wurde, dürfen umso mehr keine neuen Bewilligungen für nicht mit dem Bebauungsplan im Einklang stehende Maßnahmen erteilt werden. Anderenfalls wäre § 64 Abs. 3 ROG 2009 eine Schlechterstellung für jene Fälle, in denen bei Inkrafttreten eines neuen Bebauungsplanes bereits eine Baubewilligung für eine bauliche Maßnahme vorlag, gegenüber der hier zu beurteilenden Situation, dass nämlich der Antrag für eine dem geltenden Bebauungsplan widersprechende Baumaßnahme erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Bebauungsplan bereits in Kraft ist, gestellt wird. Ein solcher Inhalt kann § 64 ROG 2009 nicht unterstellt werden.

Aus den vorliegenden Verwaltungsakten geht überdies hervor, dass mit Bescheid vom ein Aufbau oberhalb des fünften Geschosses bewilligt wurde. Aus dem Einreichplan ergibt sich, dass dieser Aufbau aus dem Stiegenhaus und einem Triebwerksraum im Ausmaß von etwa 6,2 x 6,8 m sowie einer verlängerten Wand an der Schmalseite dieses Aufbaus mit einer Länge von etwa 6,2 m bestand. Im Plan ist auch eine strichlierte Linie eingezeichnet, die eine quadratische Fläche von etwa 6,4 x 13,4 m unmittelbar im Anschluss an den Aufbau kennzeichnet. Ob es sich dabei um eine Überdachung handeln sollte, ist nicht erkennbar, weil der Einreichplan diesbezüglich keine Legende enthält. Da auch der Bescheid darüber keine Auskunft gibt, ist unklar, ob im Jahr 1985 tatsächlich die Errichtung eines Flugdaches genehmigt wurde.

Der angefochtene Bescheid war somit bereits auf Grund seines Widerspruches zum geltenden Bebauungsplan wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen war dabei nicht mehr einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am