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VwGH vom 06.07.2010, 2009/22/0132

VwGH vom 06.07.2010, 2009/22/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. Fr-289/2/08, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist "gemäß § 71 Abs. 4 AVG" ab.

Zur Begründung führte sie aus, dass die erstinstanzliche Behörde gegen den Beschwerdeführer am ein Aufenthaltsverbot erlassen habe. Der Beschwerdeführer habe die Berufungsfrist versäumt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Eine vorgelegte ärztliche Bestätigung bescheinige die regelmäßige Wahrnehmung von Terminen für die Substitutionstherapie des Beschwerdeführers; sie bestätige nicht, dass der Beschwerdeführer stationär aufgenommen worden wäre bzw. ausgehunfähig und somit verhindert gewesen wäre, Wege zum Postamt wahrzunehmen. Im Fall des Beschwerdeführers könne nicht von einer plötzlich auftretenden Krankheit gesprochen werden. Der Beschwerdeführer sei am in Salzburg von Polizeibeamten einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass gegen ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe. Bei der anschließenden niederschriftlichen Vernehmung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg nicht beim Postamt hätte beheben können, weil er seinen Reisepass zu Hause nicht gefunden hätte. Der Beschwerdeführer sei zumindest seit dem Jahr 2006 und jedenfalls zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Schriftstückes beim zuständigen Postamt mobil und weder in stationärer noch häuslicher Pflege bzw. bettlägerig gewesen.

Ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden der Partei an der Fristversäumung schließe die Wiedereinsetzung aus. Der Beschwerdeführer habe die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Schon mehrfach habe es der Beschwerdeführer unterlassen, behördliche Schriftstücke zu beheben, und er habe die Konsequenzen für sein sorgloses Verhalten zu tragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (Z 1). Eine Erkrankung stellt nur dann einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar, wenn die Dispositionsfähigkeit der Partei auf Grund der Krankheit beeinträchtigt ist. Die Partei muss durch die Erkrankung so weit gehindert sein, dass ihr das Unterlassen jener Schritte, die für die Wahrung der Frist erforderlich gewesen wären, nicht als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorgeworfen werden kann. Sie muss durch die Erkrankung auch daran gehindert gewesen sein, die Versäumung der Frist durch andere geeignete Dispositionen, insbesondere durch Beauftragung eines Vertreters, abzuwenden (vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz. 79).

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, regelmäßig Termine für seine Substitutionstherapie wahrzunehmen. Dies begründete sie mit den vom Beschwerdeführer mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten ärztlichen Bestätigungen. Weiters stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer nicht durch eine plötzlich auftretende Krankheit an der Abholung des Aufenthaltsverbotsbescheides gehindert gewesen sei. Diese Feststellung stützte sie neben den erwähnten ärztlichen Bestätigungen auf den Inhalt der Aussage des Beschwerdeführers, die er nach Aufgriff bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle abgegeben hatte. Das mit dem Beschwerdeführer am vor der Bundespolizeidirektion Salzburg aufgenommene Protokoll enthält die Angabe des Beschwerdeführers, dass er "den Bescheid am Postamt nicht beheben (konnte), da ich meinen Reisepass zu Hause nicht gefunden habe ... Ich habe auch gesundheitliche Probleme."

Angesichts dieser Aussage hegt der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 85/02/0053) keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der behördlichen Annahme, dass der Beschwerdeführer nicht durch seinen Gesundheitszustand an der Behebung des Bescheides gehindert gewesen sei.

Die Beschwerde wirft der belangten Behörde einen Verfahrensmangel in der Weise vor, dass die genannte Aussage des Beschwerdeführers "nicht überprüfbar" sei. Wenn sie damit meint, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Inhalt dieser Aussage hätte vorhalten müssen, ist dem zu entgegnen, dass keine Verpflichtung nach § 45 Abs. 3 AVG besteht, die Partei zu ihren eigenen Angaben oder zu Beweismitteln, die sie selbst vorgelegt hat oder auf die sie sich berufen hat, zu hören (Hengstschläger/Leeb, aaO., § 45 Rz. 29). Im Übrigen wird Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Nach Ansicht der Beschwerde sei die Dispositionsunfähigkeit des Beschwerdeführers dadurch untermauert, dass er sich nicht mit der das Aufenthaltsverbot erlassenden Behörde in Verbindung gesetzt habe. Diese Schlussfolgerung kann nicht nachvollzogen werden. Das Ignorieren behördlicher Schriftstücke ist keinesfalls zwingend immer auf die Folgen einer Dispositionsunfähigkeit zurückzuführen.

Da die belangte Behörde in schlüssiger Weise schon von vornherein eine Krankheit des Beschwerdeführers als Grund für die Nichtabholung der Postsendung verneinte, bestand entgegen der Beschwerdebehauptung kein Erfordernis für die Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. zu einer solchen Erforderlichkeit Hengstschläger/Leeb, aaO., § 52 Rz. 9).

Soweit in der Beschwerde auf die "ambulante Betreuung" verwiesen wird, in der der Beschwerdeführer stehe, wurde eben dieser Umstand in zulässiger Weise als Indiz dafür gewertet, dass der Beschwerdeführer durchaus in der Lage sei, seine Angelegenheiten zu regeln und Termine wahrzunehmen.

Die belangte Behörde verneinte somit zutreffend das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses und wies zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag ab.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet - die Zurückweisung der Berufung wird nicht releviert und inhaltliche Ausführungen zum Aufenthaltsverbot sind verfehlt -, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-70244