VwGH vom 21.02.2013, 2012/06/0217
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des W H, 2. der B H und
3. der L C, alle in F, alle vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler, Mag. Nicolas Stieger, Dr. Thomas Kaufmann und Mag. Andreas Droop, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-318-002/E8-2007, UVS-414-007/E8-2007, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. N GmbH in F, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Kapuzinergasse 14; 2. Bezirkshauptmannschaft B; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit der Berufung gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides (baurechtliche Genehmigung) keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit näher umschriebener Maßgabe bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Zum Verfahrenshergang wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0008, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides betreffend die gewerberechtliche Genehmigung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das Beweisverfahren als mangelhaft und der entscheidungsrelevante Sachverhalt als ergänzungsbedürftig beurteilt wurden. In der Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, die Ansicht der belangten Behörde, eine ergänzende medizinische Beurteilung habe unterbleiben können, weil sich die "Immissionsprognose" der lufthygienischen Gutachten, auf die sich die Medizinerin stütze, im Laufe des Verfahrens nicht geändert habe, sei nicht haltbar. Auch die Begründung, die genaue Kenntnis der Substanzen, die die eingewendeten Gerüche verursachten, sei für das Verfahrensergebnis irrelevant, überzeuge nicht; sollten die vereinzelt wahrgenommenen Immissionen aufgrund ihrer Inhaltsstoffe gesundheitsgefährdend sein, käme es auf die Häufigkeit ihres Auftretens nicht an. Es könne auch nicht erkannt werden, dass die Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung durch die festgestellten Immissionen nach den Ergebnissen des bisherigen Beweisverfahrens von vornherein ausgeschlossen wäre.
Die gegenständliche Entscheidung bezieht sich auf die Baubewilligung für die Vornahme von Änderungen bei der Ausführung des mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B. vom erteilten Baubewilligung für die Errichtung der Gebäude und sonstigen Bauwerke einer Anlage zur innerbetrieblichen Reststoffbehandlung (Punkt I. des erstinstanzlichen Bescheides).
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auch die gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft B. vom gerichtete Berufung ab. Begründend führte sie aus, die gegenständliche Betriebsanlage befinde sich in einer als Baufläche-Betriebsgebiet Kategorie I gewidmeten Grundfläche; die Grundstücke der beschwerdeführenden Parteien lägen im Mischgebiet. Im Hinblick auf die eingeholten lufthygienischen Gutachten vom , , und sei nicht davon auszugehen, dass der Betrieb der geänderten Anlage zur innerbetrieblichen Reststoffbehandlungsanlage mit Geruchsimmissionen verbunden sei, die im Hinblick auf ihre Art und Häufigkeit zu einer wesentlichen Störung der Wohnnutzung in einem Mischgebiet führten. Hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsgefährdung verwies die belangte Behörde erkennbar auf die diesbezüglichen Ausführungen in Zusammenhang mit der gewerberechtlichen Bewilligung, womit die Emissionen für die Nachbarn weder als gesundheitsgefährdend noch als unzumutbar belästigend beurteilt wurden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gegenständlich sind das Vorarlberger Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 52/2001, in der Fassung LGBl. Nr. 32/2009, und das Vorarlberger Raumplanungsgesetz (RPG), LGBl. Nr. 39/1996 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 35/2008, anzuwenden.
§ 8 Abs. 1 BauG regelt den Immissionsschutz. Nach dieser Bestimmung dürfen Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen keinen Verwendungszweck haben, die eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen. Diesbezüglich kommt den Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 lit. c BauG ein Mitspracherecht zu, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist. Gemäß § 14 Abs. 5 RPG sind "Betriebsgebiete Kategorie 1" Gebiete, die für Betriebsanlagen bestimmt sind, die keine wesentlichen Störungen für die Umgebung des Betriebsgebiets verursachen (die weiteren Sätze dieses Absatzes sind im Beschwerdefall nicht von Belang). Gemäß § 28 Abs. 2 BauG ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Bauvorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht und auch sonst öffentliche Interessen, besonders solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Denkmalschutzes, der Energieeinsparung und des haushälterischen Umgangs mit Grund und Boden (§ 2 Abs. 3 lit. a RPG), nicht entgegenstehen.
Für die Beurteilung, ob im gegenständlichen Fall die beantragte Baubewilligung erteilt werden kann, ist somit entscheidungsrelevant, ob die Nachbarn durch das Bauvorhaben unzulässig belästigt oder gefährdet werden. Mit dem hg. Erkenntnis Zl. 2011/04/0008, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, wurde bereits ausgesprochen, dass diese Frage auf Grund eines mangelhaft geführten Ermittlungsverfahrens nicht beantwortet werden kann. Dies gilt gleichermaßen für das Bauverfahren.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er sich auf den Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheid bezieht, aus den im hg. Erkenntnis Zl. 2011/04/0008 näher angeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung konnte unterbleiben, weil die in der Beschwerde beantragten Kosten - soweit sie berechtigt waren - bereits im hg. Erkenntnis Zl. 2011/04/0008 zugesprochen wurden.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-70219