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VwGH vom 02.12.2008, 2007/18/0327

VwGH vom 02.12.2008, 2007/18/0327

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des S M A F in W, geboren am , vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Mag. Dr. Roland Kier, Dr. Richard Soyer und Dr.in Alexia Stuefer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 105/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde diesem zunächst die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1998 mit einem Visum C nach Österreich eingereist, nach Ablauf des Sichtvermerks jedoch nicht wieder ausgereist sei, sondern seinen Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt habe. Am habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und aufgrund der damals geltenden Rechtslage auf Antrag zunächst eine bis zum gültige Niederlassungsbewilligung erhalten.

Im Zuge eines Verfahrens über einen Verlängerungsantrag seien sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau vernommen worden und hätten zunächst das Vorliegen einer Scheinehe bestritten. Bei einer neuerlichen Vernehmung habe die Ehefrau zugegeben, von einem "A", der schon öfter Scheinehen vermittelt habe, eines Tages gefragt worden zu sein, ob sie gegen Bezahlung willens sei, einen ausländischen Staatsbürger zu heiraten. Sie habe eingewilligt, weil sie in einer finanziellen Notlage gewesen sei und dringend Bargeld benötigt habe. Vor der Hochzeit habe sie EUR 3.000,-- erhalten, danach habe man geheiratet. Anschließend hätten sich die Wege der Ehefrau und des Beschwerdeführers getrennt, nur im Bedarfsfall, zum Beispiel bei Erledigung von Behördenwegen hinsichtlich des Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer, habe sie diesen kontaktiert. Noch in der Berufung - so die belangte Behörde weiter - habe der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Scheinehe bestritten.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom sei die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass aufgrund des Ehenichtigkeitsurteils kein Zweifel bestehen könne, dass der in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführer auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Wer - wie der Beschwerdeführer - seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich durch das Eingehen einer Scheinehe zu legalisieren versuche, beeinträchtige im erheblichen Ausmaß das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme jedoch aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass kein Zweifel bestehen könne, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese wiege jedoch keinesfalls schwer, weil sich der Beschwerdeführer jahrelang unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und die anschließende Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nur durch die angeführte Scheinehe erwirken habe können. Gleiches gelte für allfällige Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers. Auch angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen zu Österreich sei das ihm insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Dem stehe jedoch das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem "Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes". Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG liege nicht vor.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei dieses "mit nunmehr zehn Jahren zu befristen" gewesen. In Hinblick auf das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf seine Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist nämlich nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerde zutreffend auf einen Widerspruch zwischen dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Bescheides hinweist: Während der Spruch in eindeutiger Weise eine Bestätigung des von der Erstbehörde für die Dauer von fünf Jahren ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 FPG zum Ausdruck bringt, ist in der Begründung von einer Befristung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit "nunmehr zehn Jahren" die Rede.

1.2. Nach der hg. Rechtsprechung kommt eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/12/0311).

Ist somit der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu. Selbst ein Widerspruch der Begründung zum Spruch ist unerheblich, wenn nach dem Wortlaut des Spruchs eines Bescheides über dessen Inhalt kein Zweifel herrschen kann. Eine über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung von Spruch und Begründung findet somit ihre Grenze dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw. komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0354, mwN).

1.3. Legt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist von einem von der belangten Behörde für die Dauer von (nur) fünf Jahren verhängten Aufenthaltsverbot auszugehen.

2.1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2.2. Die Beschwerde bestreitet die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom (vgl. oben I.1.) nicht. Mit diesem Urteil wurde die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehefrau am geschlossene Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt.

Damit steht aber in bindender Weise fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt hat (vgl. zu dieser Bindungswirkung etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0519). Ferner wendet sich der Beschwerdeführer nicht gegen die Feststellung, dass er sich für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf diese Ehe berufen hat. Damit begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.

2.3. Angesichts der gravierenden Beeinträchtigung des großen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich und beschäftigungsrechtlich bedeutsamen Bewilligungen ist auch die weitere Annahme der belangten Behörde, dass vorliegend die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0403, mwN).

3.1. Bei der nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von etwa neun Jahren sowie seine Berufstätigkeit berücksichtigt. Zutreffend hat sie jedoch darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer jahrelang unrechtmäßig in Österreich aufhielt und die Rechtmäßigkeit seines daran anschließenden Aufenthaltes auf dem rechtsmissbräuchlichen Eingehen einer Ehe beruhte. In Hinblick darauf sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbaren Interessen wesentlich relativiert (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom ); das gilt auch für das in einem Nachtrag zur Berufung unterbreitete Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er im Mai 2006 - somit nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Erstbehörde - eine GmbH gegründet habe, die im

4. Wiener Gemeindebezirk ein Internet-Cafe betreibe.

Den dennoch vorhandenen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.2. Daran vermögen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass er Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahle und wegen des Betriebs des Internet-Cafes durch seine GmbH auch die Fernmeldebehörde einen finanziellen Gewinn erziele, nichts zu ändern, weil bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG zu Gunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom ).

4. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dass der belangten Behörde ein Ermessensfehler unterlaufen sei, ergeben sich doch weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände, die eine Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Schließlich erweist sich auch der Beschwerdevorwurf, dass der angefochtene Bescheid im Sinn des § 60 AVG nur mangelhaft begründet sei, als nicht berechtigt.

6. Da die Beschwerde somit unbegründet ist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am