VwGH vom 23.03.2016, Ra 2016/12/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des J L in S, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W122 2001518-1/5E, betreffend Funktionsabgeltung bzw. Verwendungsabgeltung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Graz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war zunächst auf einem Arbeitsplatz des Militärischen Dienstes (Verwendungsgruppe M BUO 1, Funktionsgruppe 2) verwendet worden. Für die Dauer vom bis zum war er vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport dem Bundesministerium für Finanzen dienstzugeteilt und dort während dieses Zeitraums mit den Aufgaben eines Arbeitsplatzes des Allgemeinen Verwaltungsdienstes (in der Verwendungsgruppe A2, Funktionsgruppe 3) betraut worden.
2 Über seinen Antrag vom wurde der Revisionswerber mit Wirkung vom zum Zollamt Graz versetzt und dort auf eine Planstelle des Allgemeinen Verwaltungsdienstes (Verwendungsgruppe A3, Funktionsgruppe 8) ernannt.
3 Mit Eingabe vom stellte der Revisionswerber den Antrag auf besoldungsrechtliche Abgeltung (Funktionsabgeltung bzw. Verwendungsabgeltung) nach § 97 GehG für seine höherwertige Verwendung während der erwähnten Dienstzuteilung im Zeitraum vom bis zum . Für den Fall der Nichtentsprechung ersuchte er um Erlassung eines Bescheides.
4 Mit Bescheid vom stellte das Zollamt Graz über den genannten Antrag vom fest, dass für den Zeitraum vom bis zum kein Anspruch des Revisionswerbers auf eine Funktionszulage, Funktionsabgeltung, Verwendungszulage oder Verwendungsabgeltung gemäß § 97 GehG bestehe.
Begründend führte es auf Basis des oben wiedergegebenen unstrittigen Sachverhaltes aus, der Revisionswerber habe während der genannten Dienstzuteilung weiterhin seinen Arbeitsplatz als Unteroffizier innegehabt. Der Arbeitsplatz des Allgemeinen Verwaltungsdienstes (Verwendungsgruppe A2, Funktionsgruppe 3), dessen Aufgaben er wahrgenommen habe, sei nicht dem Militärischen Dienst, sondern der Finanzverwaltung zuzuordnen. § 97 Abs. 5 GehG ordne aber ausdrücklich an, dass ein Anspruch auf Funktionsabgeltung oder Verwendungsabgeltung nur dann bestehe, wenn der betreffende Arbeitsplatz dem Militärischen Dienst zugeordnet sei. Da diese Voraussetzung im Rahmen der vorübergehenden Verwendung während der Dienstzuteilung nicht erfüllt gewesen sei, sei wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden gewesen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom behob das Bundesverwaltungsgericht über Berufung (Beschwerde) des Revisionswerbers den genannten Bescheid vom gemäß § 28 Abs. 2 und 5 VwGVG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 und 5 GehG ersatzlos. Es erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
Begründend führte es nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, die wiedergegebene Interpretation der - sich auf die Funktionsabgeltung nach § 95 GehG und die Verwendungsabgeltung nach § 96 GehG beziehenden -
einschränkenden Bestimmung des § 97 Abs. 5 GehG durch das Zollamt Graz nähme § 97 Abs. 1 GehG jeden Anwendungsbereich. Dies könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Richtig sei § 97 Abs. 1 GehG - entgegen der vom Zollamt Graz vertretenen Ansicht - anzuwenden, was zur Behebung dessen Bescheides vom führe.
Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil das angefochtene Erkenntnis weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche noch eine solche Rechtsprechung fehle und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich sei. Vielmehr habe sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen können.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht und beantragt wird, dass dem Revisionswerber für die Dauer seiner Dienstzuteilung "vom bis eine Verwendungsabgeltung bzw. Funktionsabgeltung gemäß § 97 GehG bemessen wird." Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber nach Aktenvorlage durch das Bundesverwaltungsgericht sowie der Abgabe von Äußerungen durch den Bundesminister für Finanzen und den Revisionswerber (eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet) in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 § 28 Abs. 1 bis 5 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013 (im Folgenden: VwGVG) in der Stammfassung, lautet:
"Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
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1. | der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder |
2. | die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. |
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."
9 § 97 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der Fassung des Besoldungsreform-Gesetzes 1994, BGBl. Nr. 550 (Abs. 1 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 127; Abs. 2 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2000, BGBl. I Nr. 94), lautet auszugsweise:
"Gemeinsame Bestimmungen für Funktionszulage, Funktionsabgeltung, Verwendungszulage und Verwendungsabgeltung
§ 97. (1) Wird eine Militärperson vorübergehend auf einem höherwertigen Arbeitsplatz des Allgemeinen Verwaltungsdienstes oder des Exekutivdienstes verwendet, sind eine allfällige Funktionsabgeltung und eine allfällige Verwendungsabgeltung in einer den Bemessungskriterien der §§ 95 und 96 entsprechenden Höhe zu ermitteln.
(2) In der Ausbildungsphase kann nur dann eine Funktionszulage oder eine Funktionsabgeltung oder eine Verwendungszulage nach § 92 oder eine Verwendungsabgeltung nach § 96 oder eine Ergänzungszulage nach § 94a gebühren, wenn auf die Militärperson die Ausnahmebestimmungen des § 148 Abs. 6 Z 1 oder 2 BDG 1979 zutreffen.
(3) ...
(4) ...
(5) Maßgebend für den Anspruch auf Funktionsabgeltung und auf Verwendungsabgeltung ist, dass der betreffende Arbeitsplatz dem Militärischen Dienst zugeordnet ist. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob auch der Vertretene dem Militärischen Dienst angehört."
10 Die Revision ist zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht, wie der Revisionswerber zutreffend darstellt, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist; sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.
11 Der Revisionswerber vertritt - zusammengefasst - die Rechtsauffassung, das Bundesverwaltungsgericht wäre auf Grundlage seiner eigenen Rechtsansicht zu einer Sachentscheidung verpflichtet, keinesfalls aber berechtigt gewesen, den Bescheid vom ersatzlos zu beheben. Mit diesem Vorbringen ist der Revisionswerber im Recht:
12 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in den dort genannten Fällen in der Verwaltungssache selbst zu entscheiden, im Übrigen aber ergibt sich auch in den Fällen des § 28 Abs. 3 VwGVG, sofern die Verwaltungsbehörde nicht der inhaltlichen Entscheidung widerspricht, ein Vorrang für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063). Sache des Verwaltungsverfahrens ist im vorliegenden Revisionsfall der Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung einer Funktionsabgeltung bzw. Verwendungsabgeltung.
13 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Bescheid des Zollamtes Graz vom gemäß § 28 Abs. 2 und 5 VwGVG "ersatzlos behoben". Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/12/0003, dargetan hat, schließt eine Formulierung, wie sie auch hier vom Bundesverwaltungsgericht gebraucht wurde, eine neuerliche Entscheidung über den gestellten Antrag aus (vgl. zu den Aufhebungen, an die in § 28 Abs. 5 VwGVG angeknüpft wird, auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, § 28 VwGVG Rn 18). Ein Ausnahmefall, wie er in dem Erkenntnis vom angesprochen wurde (wie etwa der Fall der Aufhebung wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde) liegt hier nicht vor. Auch für die Annahme, es liege nur ein Vergreifen im Ausdruck vor, fehlen in der (knappen) Begründung des angefochtenen Erkenntnisses jegliche Anhaltspunkte.
14 Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache selbst hätte daher vorliegendenfalls nicht durch ersatzlose Aufhebung des bei ihm angefochtenen verwaltungsbehördlichen Bescheides erfolgen dürfen; sie hätte vielmehr im Wege einer inhaltlichen Entscheidung über die Gebührlichkeit oder Nichtgebührlichkeit der vom Revisionswerber behaupteten Ansprüche erfolgen müssen (soweit nicht - wofür jedoch keine Anhaltspunkte gegeben sind - die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgelegen wären).
15 Indem das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtslage verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Da sich der Verwaltungsgerichtshof (schon mangels Sachverhaltsfeststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung ermöglichten) zu einer Entscheidung in der Sache selbst nicht veranlasst sieht, war es daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am