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VwGH vom 07.04.2011, 2009/22/0101

VwGH vom 07.04.2011, 2009/22/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner u.a., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 153.158/2- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid vom , mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom auf weitere Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "beschränkt" gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen worden war.

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben des Landeshauptmannes von Wien vom zur Vorlage einer Kopie des gültigen Reisedokumentes (bzw. einer entsprechenden Stellungnahme für den Fall, dass er keinen Reisepass erhalten hätte), eines aktuellen Nachweises über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz und eines aktuellen Nachweises des gesicherten Lebensunterhalts aufgefordert worden sei. Innerhalb der gewährten Frist sei dem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen worden. Daher sei eine geschäftsmäßige Behandlung des Antrages nicht möglich gewesen, weil wesentliche Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Der Antrag sei daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG von der erstinstanzlichen Behörde zurückzuweisen gewesen. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung Verzögerungen bei der Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes geltend gemacht habe, sei ihm entgegenzuhalten, dass er der Behörde eine Stellungnahme mit den Gründen, warum eine fristgerechte Vorlage eines gültigen Reisedokuments nicht möglich sei, übermitteln hätte können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 7 NAG-DV lautet (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 8/2007) auszugsweise:

"Urkunden und Nachweise für alle Aufenthaltstitel

"§ 7. (1) Dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 1) sind - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den §§ 8 und 9 - folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen:

1. Kopie des gültigen Reisedokuments (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

...

6. Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG);

7. Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe oder in den bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen eine Haftungserklärung."

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer am zur Vorlage einer Kopie des gültigen Reisedokuments, eines aktuellen Nachweises über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz und eines aktuellen Nachweises des gesicherten Lebensunterhalts aufgefordert wurde.

Eingangs ist festzuhalten, dass entgegen der Beschwerdeansicht das Fehlen von in § 7 NAG-Durchführungsverordnung (NAG-DV) genannten Unterlagen einen Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG darstellen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/21/0302).

Allerdings hat der Gerichtshof im genannten Erkenntnis - auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird - auch dargelegt, dass nicht die unterlassene Vorlage jeder der für den jeweiligen Aufenthaltszweck erforderlichen Urkunden und Nachweise zur Unzulässigkeit des Antrages führen kann. So postuliert § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-DV (lediglich) die Mitwirkungspflicht der Partei im Ermittlungsverfahren, etwa in dem Sinn, dass ein Fremder initiativ nachzuweisen habe, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Werden Nachweise des gesicherten Lebensunterhalts nicht angeschlossen, liegt kein "Mangel" im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vor.

Nichts anderes kann für den in § 7 Abs. 1 Z 6 NAG-DV aufgezählten Nachweis über einen Krankenversicherungsschutz gelten, wird doch auch dort durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" lediglich beispielhaft aufgezählt, aber nicht ausreichend konkret festgelegt, welche Urkunde im Einzelfall dem Antrag anzuschließen ist.

Diesbezüglich liegt somit von vornherein kein tragfähiger Grund für eine Zurückweisung des Antrags vor.

In dem bereits genannten Erkenntnis 2008/21/0302 (dem folgend vgl. auch jenes vom , 2009/22/0080) hat der Gerichtshof zwar bestätigt, dass bei Nichtvorlage einer Kopie des gültigen Reisedokumentes regelmäßig ein "Mangel" im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vorliegen werde.

Allerdings verweist der Beschwerdeführer auf den Inhalt seiner Vernehmung bei der erstinstanzlichen Behörde vom . Dabei hat er angegeben, dass die Vorlage des Reisepasses "wegen der Problematik Militärdienst etwas länger" dauere. Er hat zwar um eine Fristerstreckung "wegen des verlangten Reisepasses" lediglich bis gebeten. Dies enthob die erstinstanzliche Behörde jedoch nicht von ihrer Verpflichtung zu prüfen, ob der Beschwerdeführer gehindert ist, einen Reisepass vorzulegen. Diese Problematik wurde bereits in den hg. Erkenntnissen vom , 2001/19/0014, und vom , 2001/19/0070, angesprochen. Ist die Vorlage eines Reisepasses im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 1 NAG-DV nicht möglich oder nicht zumutbar, kann die Nichtvorlage nicht zu einer Zurückweisung des Antrags führen, sondern es hat sich die belangte Behörde mit den Gründen für die Nichtvorlage des Reisedokuments und mit der Identität des Antragstellers auseinanderzusetzen, auf deren Feststellung die Vorlage eines Reisepasses wohl in erster Linie hinausläuft. Allenfalls hat sie sich mit anderen Gründen zu befassen, die für die Vorlage einer Kopie des Reisedokuments bei der Verlängerung eines Aufenthaltstitels relevant sein könnten.

Wegen der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am