VwGH vom 10.05.2011, 2007/18/0304
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des BT in W, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1224/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe erstmals am einen Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes für türkische Gastarbeiter gestellt. Am habe er in W die österreichische Staatsbürgerin F geheiratet. Infolgedessen habe er seinen Aufenthalt in Österreich "legalisieren und ein Arbeitsverhältnis eingehen" können. Am habe seine frühere Ehefrau F gegenüber der Aufenthaltsbehörde eingeräumt, dass es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine "Formehe" gehandelt habe. Diese Ehe, die im Jahr 1993 geschieden worden sei, sei nur zu dem Zweck geschlossen worden, dem Beschwerdeführer eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu verschaffen. Mit Rechtskraft vom sei darüber hinaus diese Ehe vom Bezirksgericht Favoriten gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Wegen des Eingehens der Scheinehe sei in der Folge der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels rechtskräftig abgewiesen worden.
Meldebehördlich sei der Beschwerdeführer als am in die T verzogen verzeichnet. In der Zeit vom bis sei der Beschwerdeführer mit der türkischen Staatsangehörigen T verheiratet gewesen. Seinen Angaben zufolge sei er am mit einem für ihn ausgestellten Visum, welches vom bis gültig gewesen sei, in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er einen Asylantrag gestellt. Sohin ergebe sich anhand dieser Daten, dass der Beschwerdeführer kurz nach der Scheidung von der österreichischen Staatsbürgerin F die türkische Staatsangehörige T geheiratet habe und sich zwei Tage vor seiner Rückkehr nach Österreich wieder habe scheiden lassen.
Am habe der Beschwerdeführer die um sieben Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin M geheiratet. Noch an diesem Tag sei er ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Am habe er seinen Asylantrag zurückgezogen und einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht.
Die erstinstanzliche Behörde habe zwar im Anschluss Erhebungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Scheinehe geführt, dennoch seien der Erstantrag und auch ein Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers von der Behörde erster Instanz bewilligt worden. Spätere Erhebungen hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer und seine vier Kinder, die mittlerweile ebenfalls in Österreich lebten, in W, K-Gasse, bei Hausparteien als "wohnend bekannt" seien. Dort wohne der Beschwerdeführer ständig. Hingegen habe die Ehefrau des Beschwerdeführers von keiner der befragten Hausparteien auf dem vorgezeigten Lichtbild erkannt werden können. Es könne ausgeschlossen werden, dass sie dort auch nur kurzzeitig Unterkunft genommen habe.
Auch in der vorgeblichen ehelichen Wohnung in W, E-Straße, seien die Hausparteien befragt worden. Diese hätten angegeben, in dieser Wohnung seien nur die Ehefrau des Beschwerdeführers, ihr Sohn D mit dessen Freundin sowie der Ehemann, welcher mit Vornamen "Z" heiße, ständig wohnhaft. Nach Vorlage von Lichtbildern des Z P und des Beschwerdeführers sei von Hausparteien Z P, nicht aber der Beschwerdeführer, als der "Ehemann" identifiziert worden. Der Beschwerdeführer sei den Hausparteien des fraglichen Wohnhauses in W völlig unbekannt. Des Weiteren sei im Zuge einer Erhebung der Sohn D der Ehefrau des Beschwerdeführers an dieser Adresse angetroffen worden. Über Befragen habe er angegeben, dass es sich bei "Z" um seinen Stiefvater handle. Dieser wohne hier, ohne gemeldet zu sein. Er sei der Freund seiner Mutter.
Im Zuge einer von der belangten Behörde angeordneten neuerlichen Erhebung im Wohnhaus W, E-Straße, habe der dortige Hausbesorger S angegeben, in der fraglichen Wohnung wohne nur die Ehefrau des Beschwerdeführers mit ihrem Lebensgefährten, ihrem Sohn und dessen Lebensgefährtin sowie deren Baby. Zwar habe er den Namen des Lebensgefährten der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht gekannt, jedoch habe er anhand eines ihm gezeigten Lichtbildes des Beschwerdeführers mit "100% Sicherheit ausschließen" können, dass der Beschwerdeführer der Lebensgefährte von M (der Ehefrau des Beschwerdeführers) sei.
Im Zuge einer weiteren Erhebung in W, K-Gasse, sei demgegenüber die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers angetroffen worden. Diese habe angegeben, hier nur zu Besuch zu sein. Dabei habe sie sich aber in Widersprüche verstrickt und letztlich gemeint, wieder in ihre Wohnung in W, deren Adresse sie aber nicht habe nennen können, fahren zu wollen. Die Hausmeisterin des Hauses in W und deren Sohn hätten angegeben, dass in der fraglichen Wohnung in W eine türkische Familie wohne. Sie hätten den Beschwerdeführer an einem ihnen gezeigten Lichtbild sofort erkannt. "Seine Ehefrau" sei den Angaben der Hausmeisterin und ihres Sohnes zufolge ebenfalls türkischer Abstammung.
Über Antrag des Beschwerdeführers seien seine Ehefrau M, deren Kind aus einer früheren Beziehung D und dessen Lebensgefährtin als Zeugen einvernommen worden. Diese hätten die Angaben des Beschwerdeführers zu stützen versucht. Angesichts der Erhebungsergebnisse seien diese Zeugenaussagen aber als wenig glaubwürdig einzuschätzen. Den ersten Angaben des Sohnes der Ehefrau D im Zuge der vor Ort geführten Erhebung sei wegen ihrer Spontaneität große Bedeutung zuzumessen. Erst nachdem dieser Kenntnis vom Erhebungsgrund erlangt habe, habe er versucht, seine Angaben wieder abzuschwächen.
In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Aufenthaltsehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens dar. Im Eingehen einer Aufenthaltsehe liege ein Verhalten, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung und an der Einhaltung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften berühre.
Bei der Interessenabwägung seien der mehrjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine vier in Österreich aufhältigen Kinder ins Gewicht fallend zu berücksichtigen. Die so bestehende Integration in Österreich sei aber in ihrer Bedeutung entscheidend gemindert, weil sowohl die Erteilung der bisherigen Aufenthaltstitel als auch der Zugang zum Arbeitsmarkt nur auf Grund des Eingehens von Aufenthaltsehen ermöglicht worden sei. Der Beschwerdeführer habe durch mehrfaches Eingehen von Aufenthaltsehen maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich zur Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, wiederholt erheblich beeinträchtigt. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit M Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0092, mwN).
Der Beschwerdeführer richtet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe eine solche Ehe geschlossen. In diesem Zusammenhang wird in der Beschwerde ausgeführt, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei teils sehr unsachlich und polemisch abgefasst. Sie enthalte pauschale Vorverurteilungen und stelle bloß eine Reihe polemischer Fragen in den Raum.
Dem angefochtenen Bescheid ist (noch) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Feststellungen in erster Linie auf das Ergebnis der vor Ort durchgeführten Erhebungen gestützt wurden. Die aus dem Ergebnis dieser Erhebungen gezogenen Schlüsse versucht die Beschwerde allein dadurch zu entkräften, dass sie ausführt, die belangte Behörde habe die Aussagen "von drei nunmehr einvernommenen Zeugen" übergangen. Diese hätten übereinstimmend hinsichtlich der ihnen gestellten Fragen geantwortet. Dabei unterlässt es aber der Beschwerdeführer darzustellen, inwieweit tatsächlich übereinstimmende Antworten zu diesen Fragen vorgelegen wären und weshalb diese geeignet gewesen wären, die Schlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung zu erschüttern. Eine solche Darstellung wäre aber zur Dartuung der Relevanz des behaupteten Begründungsmangels schon deswegen notwendig gewesen, weil sich - anders als der Beschwerdeführer meint - aus den vorgelegten Verwaltungsakten keineswegs durchwegs übereinstimmende Angaben seiner Ehefrau, ihres Kindes D und der Lebensgefährtin ihres Kindes zu den Lebensgewohnheiten des Beschwerdeführers ergeben. Dem Beschwerdeführer, der lediglich pauschal behauptet, die Angaben dieser Zeugen seien ob ihrer Übereinstimmung in Detailkenntnissen lebensnah und nachvollziehbar, gelingt es nicht, die behördliche Beweiswürdigung als unschlüssig darzustellen. Vor diesem Hintergrund vermag die Beschwerde letztlich keinen für das Ergebnis relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.
In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer bereits zum wiederholten Mal zwecks Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile eine Scheinehe eingegangen ist, sind die Ausführungen der belangten Behörde zur nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers hat er die allfällige Trennung von seinen in Österreich lebenden Angehörigen in Kauf zu nehmen. Dass die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch minderjährigen Kinder, die über einen vom Beschwerdeführer abgeleiteten Aufenthaltstitel verfügen, im Falle seiner Ausreise allenfalls allein und unversorgt in Österreich zurückbleiben könnten, hat der Beschwerdeführer nie behauptet. Angesichts des Aufenthalts der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers in Österreich, die den Feststellungen zufolge mit den noch minderjährigen Kindern zusammenwohnt, kann davon aber auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
Da sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-70149