VwGH vom 03.03.2011, 2009/22/0096
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2009/22/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden der B und der E, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner u.a., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres vom , Zlen. 132.444/3-III/4/08 und 132.444/4-III/4/08, jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerinnen (Mutter und Tochter, beide Staatsangehörige von Sambia) auf Erteilung von Aufenthaltstiteln zwecks Familienzusammenführung mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und § 7 Abs. 1 NAG-DV ab.
Zur Begründung führte sie in beiden Bescheiden annähernd gleichlautend aus, dass die Beschwerdeführerinnen am die genannten Anträge gestellt hätten. Die Erstbeschwerdeführerin halte sich bereits seit im Bundesgebiet auf. Sie habe am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Bis sei sie im Besitz einer Legitimationskarte gewesen.
Zur Berechnung der Unterhaltsmittel, die mindestens zur Verfügung stehen müssten, sei der Richtsatz gemäß § 293 ASVG heranzuziehen. Demnach müssten für ein Ehepaar, das im gemeinsamen Haushalt mit einem Kind lebe, EUR 1.239,03 zur Verfügung stehen. Die Erstbeschwerdeführerin habe einen Mietvertrag zwischen der G und dem Cousin des Ehemannes sowie eine "Wohnrechtsvereinbarung" zwischen dem Ehemann und seinem Cousin vorgelegt. Ein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft sei nicht nachgewiesen worden. Für die betreffende Mietwohnung bestünden Zahlungsrückstände in Höhe von EUR 1.581,86. Zwischen der G und dem Wohnungsmieter seien Ratenzahlungen vereinbart worden. Für die belangte Behörde stehe somit fest, dass der Wohnungsmieter mit den Mietzahlungen im Rückstand und es fraglich sei, ob diese auch von ihm fristgerecht beglichen werden könnten. Von einer gesicherten Unterkunft könne daher nicht gesprochen werden.
Über Aufforderung habe die Erstbeschwerdeführerin Bestätigungen über das Einkommen des Ehemannes vorgelegt, wonach dieser aus zwei Erwerbstätigkeiten insgesamt über ein monatliches Gesamteinkommen in Höhe von EUR 1.908,10 verfüge. Es seien drei Kredite in der Höhe von EUR 1.900,--, EUR 3.902,-- und EUR 1.891,--
offen. Diese Kredite seien fällig gestellt worden. Der Ehemann sei erst seit bzw. bei den nunmehrigen Arbeitgebern beschäftigt. Vorher habe er Arbeitslosengeld, Krankengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe erhalten und sei in bestimmten Zeiten geringfügig beschäftigt gewesen. Für die belangte Behörde stehe daher eindeutig fest, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin nicht über feste und vor allem regelmäßige Einkünfte verfüge.
Die Erstbeschwerdeführerin habe eine Einstellzusage eines näher genannten Unternehmens vorgelegt. Dieser zufolge solle sie als Friseurin mit 20 Wochenstunden und einem Nettobezug von EUR 602,19 eingestellt werden. Der Geschäftsführer dieses Unternehmens habe der belangten Behörde mitgeteilt, dass es sich "bei dem genannten Bezug um eine Anstellung von 30 Wochenstunden" handle. "Der monatliche Brutto- und Nettobezug sei daher nicht korrekt und wäre dieser weit geringer." Gemäß § 119 Abs. 1 FPG sei zu bestrafen, wer wissentlich falsche Angaben macht, um sich einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen.
Dem Unterhaltsbedarf von EUR 1.239,03 monatlich stehe zwar ein monatliches Einkommen von EUR 1.908,10 gegenüber, jedoch sei der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin laut Auskunft des Kreditschutzverbandes zahlungsunfähig. Somit seien die Unterhaltsmittel nicht gedeckt und es sei sehr wahrscheinlich, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde.
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Die öffentlichen Interessen zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele seien jedoch höher zu bewerten als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen - verbundenen - Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerden zeigen auf, dass die belangte Behörde zu Unrecht Erteilungsvoraussetzungen verneint hat.
Hinsichtlich des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft verweist die belangte Behörde darauf, dass der Cousin des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin zwar eine Wohnrechtsvereinbarung mit diesem Ehemann geschlossen habe, jedoch mit den Mietzahlungen im Rückstand sei. Die belangte Behörde stellte aber nicht fest, dass und aus welchen Gründen anzunehmen sei, dass diese Ratenvereinbarung (denkbar etwa auch durch Zahlungen des Ehemannes selbst) nicht eingehalten werde. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde das Fehlen der Voraussetzung einer ortsüblichen Unterkunft nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführt hat, ist dieser Tatbestand aus den getroffenen Feststellungen auch nicht ableitbar. Es ist auch nicht nachvollziehbar, welche zum Nachweis der Wohnmöglichkeit darüber hinaus erforderliche Urkunde die Beschwerdeführerinnen iSd § 7 Abs. 1 NAG-DV vorzulegen unterlassen hätten.
Hinsichtlich des erforderlichen Unterhalts geht die belangte Behörde zutreffend von den Richtsätzen des § 293 ASVG und davon aus, dass der Familie der Beschwerdeführerinnen EUR 1.239,03 zur Verfügung stehen müssten. Die belangte Behörde stellte weiters auch fest, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ein monatliches Einkommen von EUR 1.908,10 erhalte, wobei aus der Begründung nicht abgeleitet werden kann, ob dabei die Sonderzahlungen bereits berücksichtigt wurden. Auch wenn Kredite in Höhe von EUR 1.900,--, EUR 3.902,-- und EUR 1.891,-- zurückzuzahlen sind, wurde nicht schlüssig dargetan, warum mit dem weit über den Richtsätzen liegenden Einkommen der Unterhalt der Beschwerdeführerinnen nicht gedeckt werden könnte. Zutreffend ging die belangte Behörde offenkundig von einer Prognose aus, inwieweit das bekanntgegebene Einkommen auch in Zukunft zur Verfügung stehen werde. Dabei durfte sie auch berücksichtigen, welche Beschäftigung mit welchem Erfolg in der Vergangenheit ausgeübt wurde. Konkrete Feststellungen, die zu einer Prognose Anlass geben könnten, dass die nun bekanntgegebenen Beschäftigungsverhältnisse nicht auf absehbare Zeit andauern werden, wurden aber nicht getroffen.
Nicht nachvollziehbar ist der Vorwurf der belangten Behörde hinsichtlich der Vorlage der Einstellzusage zu Gunsten der Erstbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin legte eine Bestätigung eines näher genannten Unternehmens vom vor, der zufolge sie "nach Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis" mit 20 Wochenstunden als Friseurin auf unbestimmte Zeit eingestellt werde. Weiters enthält diese Bestätigung den Hinweis: "(Die Beschwerdeführerin) wird einen monatlichen Bruttobezug von EUR 735,--, somit einen Nettobezug von EUR 602,19 erhalten." Inwiefern in dieser Urkundenvorlage eine Täuschungshandlung liegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Erstbeschwerdeführerin dieses Einkommen nicht erreichen sollte, liegt das Gesamteinkommen der Familie - wie bereits dargelegt - weit über den erforderlichen Richtsätzen, weshalb selbst unter Berücksichtigung der offenen Kredite deren Unterhalt gesichert scheint.
Da die belangte Behörde somit zu Unrecht Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 NAG verneint hat, waren die angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am