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VwGH vom 28.02.2017, Ra 2016/11/0164

VwGH vom 28.02.2017, Ra 2016/11/0164

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des L H in W, vertreten durch die Schwartz Huber-Medek & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-041/037/2242/2016-3, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 7d Abs. 1 und 2 AVRAG (hier in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 113/2015) schuldig erkannt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft bezüglich der ihr von einer in der Slowakei ansässigen Gesellschaft (T.s.r.o.) überlassenen, namentlich genannten 16 Arbeitskräfte (mit slowakischer bzw. ungarischer Staatsangehörigkeit) am die Lohnunterlagen nicht auf der näher bezeichneten Baustelle (Arbeitsort) in Wien bereitgehalten habe, obwohl dies zumutbar gewesen sei.

2 Über den Revisionswerber wurden deshalb gemäß § 7i Abs. 4 Z 3 AVRAG 16 Geldstrafen zu je EUR 1.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben. Gemäß § 9 Abs. 7 VStG hafte dafür auch die P. GmbH.

3 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die 16 Arbeitskräfte, welche die Finanzpolizei bei der Kontrolle am auf der Baustelle in Wien angetroffen habe, Arbeitnehmer der slowakischen T.s.r.o. seien und Abbrucharbeiten unter der Aufsicht der vom Revisionswerber vertretenen P. GmbH verrichtet hätten. Die Arbeiten seien Gegenstand einer als Werkvertrag bezeichneten Vereinbarung zwischen der P. GmbH und der slowakischen T.s.r.o. gewesen, die Abrechnung mit der slowakischen T.s.r.o. sei nach Stunden erfolgt. Vom Revisionswerber sei im gesamten Verfahren nicht bestritten worden, dass es sich um eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handle.

5 Unstrittig sei auch, dass insbesondere die Lohnunterlagen bezüglich der Arbeitskräfte nicht auf der Baustelle bereitgehalten worden seien, obwohl es dort Aufenthaltsräume mit Büromöbeln (Kasten, Arbeitstisch) gegeben habe. Zwar seien am Tag nach der Kontrolle () Unterlagen mit E-Mail an die Finanzpolizei gesendet worden, so etwa Meldungen betreffend die Überlassung der Arbeitskräfte nach Österreich, nicht aber solche betreffend die Entlohnung der auf der Baustelle tätigen Arbeitskräfte.

6 In der rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung aus, die jedenfalls dann gegeben sei, wenn einer der alternativen Tatbestände des § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 AÜG erfüllt sei. Gegenständlich seien sogar zwei dieser Tatbestände verwirklicht, weil die in Rede stehenden Arbeitskräfte ihre Arbeit unter der Aufsicht eines Angestellten der P. GmbH erbracht hätten und organisatorisch in das Unternehmen dieser Gesellschaft eingegliedert gewesen seien (Z 3 leg. cit.). Außerdem ergebe sich aus der Feststellung betreffend die Abrechnung mit der T.s.r.o. "nach Stunden", dass gegenständlich nicht der Werkunternehmer, sondern der Werkbesteller (P. GmbH) das Erfolgsrisiko trage (Z 4 leg. cit.).

7 Vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Überlassung der Arbeitskräfte an die P. GmbH sei diese (als Beschäftiger iSd § 3 Abs. 3 AÜG) gemäß § 7d Abs. 2 AVRAG zur Bereithaltung der Lohnunterlagen iSd Abs. 1 verpflichtet gewesen. Dem Einwand, dass die Dienstverhältnisse von einigen der in Rede stehenden Arbeitskräften erst im September 2015 begonnen hätten und daher Lohnzahlungsnachweise noch fehlten, entgegnete das Verwaltungsgericht, dass selbst das Zutreffen dieses Vorbringens nichts daran ändere, dass die Arbeitsverträge und die Unterlagen betreffend die Lohneinstufung bereitzuhalten gewesen wären, um die Einhaltung des nach österreichischen Vorschriften gebührenden Entgelts überprüfen zu können.

8 Zum Einwand, die Bereithaltung der Lohnunterlagen auf der Baustelle wäre nicht zumutbar iSd § 7d Abs. 1 vorletzter Satz AVRAG, verwies das Verwaltungsgericht auf die auf der Baustelle unstrittig vorhanden gewesenen Aufenthaltsräume, in denen auch Pläne und Werkzeug verwahrt worden seien.

9 Hinsichtlich der Verschuldensseite ging das Verwaltungsgericht vom Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes iSd § 5 Abs. 1 VStG aus und dass der Revisionswerber mehrfach darauf hingewiesen habe, er hätte zur Tatzeit die in Rede stehende Verpflichtung noch nicht gekannt. Diese Unkenntnis könne zufolge § 5 Abs. 2 VStG das Verschulden des Revisionswerbers nicht beseitigen, weil er sich vor der Ausübung der gegenständlichen Bautätigkeiten über die dafür geltenden Vorschriften hätte informieren müssen. Da der Revisionswerber dies weder behauptet noch glaubhaft gemacht habe, sei von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

10 Der Revisionswerber habe sich aber sehr kooperativ und bemüht gezeigt, durch das Nachreichen von Unterlagen einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen. Außerdem könne aufgrund der Angaben der Finanzpolizei, die seit dem Tatzeitpunkt keine weiteren Beanstandungen mehr festgestellt habe, von einem seitherigen Wohlverhalten ausgegangen werden.

11 Die Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG oder für die Erteilung einer Ermahnung nach dem Schlusssatz dieser Bestimmung erachtete das Verwaltungsgericht nicht als erfüllt, weil im vorliegenden Fall weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung noch das Verschulden des Revisionswerber gering seien. Sein tatbildmäßiges Verhalten bleibe keinesfalls erheblich hinter dem in der gegenständlichen Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurück. Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Tat sei nicht als gering einzustufen, weil diese das "öffentliche Interesse an der unmittelbaren, raschen und effizienten

behördlichen Kontrollmöglichkeit zwecks Bekämpfung ... von Lohn-

und Sozialdumping in erheblichem Maße geschädigt" habe.

12 Allerdings seien bei der Strafbemessung das Fehlen erschwerender Umstände und mildernd die Unbescholtenheit sowie das erwähnte kooperative und bemühte Verhalten des Revisionswerbers, möglichst rasch einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen, zu berücksichtigen. Zu beachten sei außerdem, dass die Übertretungen aus Unwissenheit begangen worden seien, sowie das seitherige Wohlverhalten des Revisionswerbers und der Umstand, dass der Revisionswerber nach der internen Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem zweiten Geschäftsführer mit der gegenständlichen Baustelle nicht betraut gewesen sei. Angesichts dessen könne von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe iSd § 20 VStG ausgegangen werden, sodass (unter gleichzeitiger Beachtung der allseitigen Verhältnisse des Revisionswerbers) in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung die gegenständlich maßgebende Strafuntergrenze (gemäß § 7i Abs. 4 dritter Anwendungsfall AVRAG beträgt der Strafrahmen EUR 2.000,-- bis EUR 20.000,-- für jeden Arbeitnehmer) um die Hälfte unterschritten werde, sodass pro Arbeitnehmer eine Geldstrafe von EUR 1.000,-- zu verhängen gewesen sei. Eine weitere Herabsetzung komme gemäß § 20 VStG nicht in Betracht.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird (u.a.) vorgebracht, das Verwaltungsgericht verstoße mit seiner Strafbemessung gegen unionsrechtliche Vorgaben und daran anknüpfende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, indem es bei der Bewertung des Unrechtsgehaltes auf das verletzte öffentliche Interesse an der behördlichen Kontrollmöglichkeit abstelle. Dieses Interesse alleine könne keine Rechtfertigung für die (mit der gegenständlichen Bereithaltungspflicht verbundene) Beschränkung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit begründen (Hinweis auf das "Kommission/Deutschland", Rs C-490/04), sodass die Strafbemessung nach Ansicht des Revisionswerbers in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden sei.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15 Schon mit dem genannten Vorbringen wirft die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass die Revision (ohne dass es einer Auseinandersetzung mit dem übrigen Zulässigkeitsvorbringen bedarf) als zulässig anzusehen ist.

16 Die Revision ist aber aus nachstehenden Überlegungen nicht begründet:

17 Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993 in der für den Tatzeitpunkt maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 113/2015 (AVRAG), lautet auszugsweise:

"Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Aufforderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.

...

Strafbestimmungen

§ 7i. ...

(4) Wer als

...

3. Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden

Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

..."

18 Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988 in der für den Tatzeitpunkt maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 94/2014 (AÜG), lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden.

...

Zweck

§ 2. (1) Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz bezweckt

1. den Schutz der überlassenen Arbeitskräfte, insbesondere

in arbeitsvertraglichen, arbeitnehmerschutz- und

sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten, und

2. die Regelung der Arbeitskräfteüberlassung zur Vermeidung

arbeitsmarktpolitisch nachteiliger Entwicklungen.

...

Begriffsbestimmungen

§ 3. (1) Überlassung von Arbeitskräften ist die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

(2) Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.

(3) Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

...

Beurteilungsmaßstab

§ 4. (1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor,

wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des

Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und

Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes,

unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk

herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug

des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers

eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen

oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der

Werkleistung haftet.

..."

19 Die hier maßgebenden Bestimmungen des VStG lauten

auszugsweise:

"Außerordentliche Milderung der Strafe

§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

...

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

...

4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes

und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

...

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

..."

20 Zum Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung:

Als Revisionsgrund wird zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht hätte bei richtiger Beurteilung des zwischen der P. GmbH und der T.s.r.o. abgeschlossenen Vertrages zum Ergebnis gelangen müssen, dass ein Werkvertrag und kein "Arbeitskräfteüberlassungsvertrag" vorliege, sodass die angelastete Bereithaltungspflicht des § 7d Abs. 2 AVRAG den Revisionswerber schon aus diesem Grund nicht treffe.

21 Damit übersieht der Revisionswerber, dass sowohl nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 AÜG als auch nach der ständigen hg. Rechtsprechung zu dieser Bestimmung eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegt, wenn auch nur eine der vier Ziffern dieser Bestimmung erfüllt ist, selbst wenn die zu Grunde liegende Vereinbarung zivilrechtlich als Werkvertrag einzustufen wäre (vgl. aus vielen den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2016/11/0090, und das Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0250, je mwN). Das Verwaltungsgericht ist, wie dargestellt wurde, aufgrund entsprechender Feststellungen zum Ergebnis gelangt, dass gegenständlich sowohl die Z 3 als auch die Z 4 des § 4 Abs. 2 AÜG erfüllt seien. Dem tritt die Revision nicht konkret entgegen.

22 Zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit:

In den Revisionsgründen wird das Zulässigkeitsvorbringen betreffend die Unionsrechtswidrigkeit der Strafbemessung wiederholt und ergänzend ausgeführt, der EuGH habe im genannten Urteil C-490/04 zwar in der Verpflichtung, Unterlagen über das Mindestentgelt bereitzuhalten, keinen Verstoß gegen den freien Dienstleistungsverkehr erkannt, doch keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Verpflichtung zur Bereithaltung der übersetzten Unterlagen unionsrechtskonform sei, wenn diese bereits mit dem ersten Tag der Beschäftigung beginne. Diese Verpflichtung stelle eine zusätzliche Wettbewerbsbehinderung dar, weil sich der Arbeitsbeginn zwangsläufig verzögere, "wenn zuerst auf die Übersetzung von Unterlagen gewartet werden muss". Der Revisionswerber vertritt erkennbar den Standpunkt, die gesetzliche Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen müsste, um unionsrechtskonform zu sein, ermöglichen, innerhalb einer bestimmten Frist nach Arbeitsbeginn Übersetzungen und Unterlagen nachzureichen.

23 Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom , Rechtssache Kommission gegen Deutschland, C-490/04, in den Rn 63 ff eine (fallbezogen deutsche) Rechtsvorschrift, die den Arbeitgeber verpflichtet, die für die Kontrolle der Einhaltung (u.a.) von Tarifverträgen für das Baugewerbe erforderliche Unterlagen (konkret Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen, Arbeitszeit- und Lohnzahlungsnachweise) im Inland (bzw. auch auf der Baustelle) in deutscher Sprache bereitzuhalten, als Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs angesehen (Rn 68), die durch ein im Allgemeininteresse liegendes zwingendes Ziel - nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und die Kontrolle der Gewährleistung dieses Schutzes - gerechtfertigt sei (Rn 70-72). Der EuGH hat in diesem Urteil betont (Rn 74-75), dass die genannte Vorschrift - im Unterschied zu jener, die seinem Urteil vom , Rechtssache Arblade, C-369/96 u.a., zugrunde gelegen sei und die Überwachungsaufgaben der Behörden in Bezug auf das Vorhandensein der Unterlagen lediglich habe "erleichtern" sollen - die Kontrolle der Baustellen "vielmehr ermöglichen" solle.

24 Dieselbe Rechtsansicht hat der EuGH im Wesentlichen auch im Urteil vom , Rechtssache Santos Palhota, C- 515/08 (vgl. dort Rn 57-60), zum Ausdruck gebracht.

25 Die Materialien zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSDB-G, BGBl. I Nr. 24/2011 (1076 BlgNR XXIV.GP Seite 6), mit dem u.a. die Bestimmung des § 7d über die Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen in deutscher Sprache in das AVRAG eingefügt wurde, nehmen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht ausdrücklich Bezug auf die genannten Urteile des EuGH.

26 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass gegen die in § 7d Abs. 1 und 2 AVRAG normierte Verpflichtung zur Bereithaltung von Unterlagen betreffend die Lohneinstufung in deutscher Sprache am Arbeitsort aus dem Blickwinkel des Unionsrechts keine Bedenken bestehen, weil diese Verpflichtung einerseits ein "im Allgemeininteresse liegendes Ziel" verfolgt (als solches hat der EuGH - ausdrücklich - auch die "Kontrolle der Gewährleistung" des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer genannt; vgl. Rn 70 des zitierten Urteils C-490/04) und sie (so auch die zitierten Gesetzesmaterialien) den Kontrollorganen erst "ermöglicht ..., am Arbeits(Einsatz)ort die Erhebungen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Entgeltbestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer/innen zu gewährleisten. Solche Erhebungen vor Ort würden in der Praxis übermäßig erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, wenn diese Unterlagen nicht in Deutsch vorgelegt werden".

27 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/11/0143, in welchem (ebenfalls unter Bezugnahme auf dort zitierte Judikatur des EuGH) bereits eine ähnliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Bereithaltung von Unterlagen (nämlich jene betreffend die Anmeldung zur Sozialversicherung) als unionsrechtlich unbedenklich angesehen wurde, weil sie nicht nur der Wahrung eines Allgemeininteresses (Schutz der sozialen Sicherheit der entsendeten Arbeitnehmer) dient, sondern auch die Dienstleistungsfreiheit nicht übermäßig einschränkt, somit nicht exzessiv ist und überdies ein "effektives und geeignetes" Mittel darstellt, um dem genannten Schutz Rechnung zu tragen.

28 Unter Berücksichtigung der genannten Kriterien ist es unionsrechtlich auch nicht als bedenklich zu erkennen, dass die in § 7d Abs. 1 AVRAG genannten Unterlagen - nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis geht es ausschließlich um die Unterlagen betreffend die ordnungsgemäße Entlohnung - bereits ab dem ersten Arbeitstag am Arbeitsort (Baustelle) bereitgehalten werden müssen, weil nur auf diese Weise eine effektive Kontrolle betreffend die Einhaltung des zustehenden Entgelts auch hinsichtlich solcher entsendeter Arbeitskräfte möglich ist, die am Arbeitsort (auf der Baustelle) nur für kurze Zeit beschäftigt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/11/0100, wonach die nur vorübergehende Natur der Tätigkeit im Inland typisch für die Entsendung von Arbeitskräften ist). Die Verpflichtung ist auch nicht unverhältnismäßig, weil die Unterlagen betreffend die Entlohnung seiner Arbeitnehmer beim Arbeitgeber naturgemäß bereits existieren und nicht erst (nachträglich) erstellt werden müssen (bzw. diese bei Überlassung von Arbeitskräften vom Überlasser an den Beschäftiger bereitzustellen sind; § 7d Abs. 2 zweiter Satz AVRAG). Damit ist es aber im Regelfall auch möglich, eine Übersetzung in die deutsche Sprache schon vor der grenzüberschreitenden Entsendung anfertigen zu lassen (nicht zuletzt auch deshalb, weil die Entsendung im Regelfall nicht unvorhergesehen erfolgt, zumal diese grundsätzlich auch schon eine Woche zuvor der österreichischen Behörde zu melden ist; § 7b Abs. 3 AVRAG). Dass es sich bei den gegenständlichen Abbrucharbeiten um unaufschiebbare Maßnahmen (zweiter Satz der letztgenannten Bestimmung) gehandelt habe, wurde vom Revisionswerber gar nicht behauptet.

29 Zur behaupteten Unzumutbarkeit des Bereithaltens von Unterlagen:

Soweit der Revisionswerber vorbringt, es sei ihm iSd § 7d Abs. 1 dritter Satz AVRAG nicht zumutbar gewesen, die in Rede stehenden Lohnunterlagen am Arbeits- bzw. Einsatzort bereit zu halten, genügt der Hinweis auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass es auf der gegenständlichen Baustelle Aufenthaltsräume gab, in denen auch Pläne und Werkzeug verwahrt wurden. Damit war es dem Revisionswerber (der in der Revision auch auf die Verpflichtung gemäß § 14 Abs. 1 DSG betreffend Gewährleistung der Datensicherheit und Schutz der Daten vor dem Zugriff durch Unbefugte verweist) jedenfalls auch zumutbar, auf der Baustelle eine Möglichkeit zur sicheren Verwahrung der Lohnunterlagen zu schaffen.

30 Zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG:

Der Revisionswerber vertritt zusammengefasst die Rechtsansicht, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht zum Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht anwendbar sei. Es habe dabei nämlich ausschließlich auf die Bedeutung des verletzten Rechtsgutes (öffentliches Interesse an der unmittelbaren, raschen und effizienten behördlichen Kontrollmöglichkeit) abgestellt, wodurch der letztgenannten Bestimmung aber jeglicher Anwendungsbereich entzogen würde, zumal die Rechtsordnung schon aus verfassungsrechtlichen Überlegungen nur bedeutsame Rechtsgüter mit den Mitteln des Strafrechts schützen dürfe. Wenn somit ein rechtswidriges Verhalten mit Strafe bedroht werde, wäre demnach immer zwingend davon auszugehen, dass kein geringer Unrechtsgehalt vorliege, wodurch der Anwendungsbereich deutlich kleiner wäre als jener des früheren § 21 VStG.

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom , Zl. Ro 2014/03/0052 (dem folgend etwa der Beschluss vom , Zl. Ra 2015/02/0044), unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (ErlRV 2009 BlgNR 24. GP, 19) zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013, mit dem § 45 Abs. 1 VStG (u.a.) um den in Rede stehenden Einstellungstatbestand der Z 4 erweitert wurde, ausgeführt, dass diese Bestimmung im Wesentlichen dem § 21 Abs 1 VStG (alte Fassung) entspricht, sodass die gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der zuletzt genannten Bestimmung übernommen werden kann. Ein Absehen von der Verhängung einer Strafe (bei allfälliger Ermahnung des Beschuldigten) setze daher weiterhin voraus, dass das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

32 Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht abgewichen, hat es doch, wie eingangs dargestellt wurde, die Erfüllung der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG deshalb verneint, weil im vorliegenden Fall weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung noch das Verschulden des Revisionswerber gering seien.

33 Das Revisionsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe ausschließlich auf die Bedeutung des verletzten Rechtsgutes abgestellt, ist daher unzutreffend. Das Verwaltungsgericht ist (zu Recht) nicht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen die Bereithaltungspflicht von Lohnunterlagen gemäß § 7d Abs. 1 und 2 AVRAG die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG prinzipiell ausschließe. Die gegenteilige Rechtsansicht stünde einerseits in einem Wertungswiderspruch mit der Möglichkeit des Absehens von der Strafe bei tatsächlicher Unterentlohnung (vgl. zum Absehen von der Strafe nach der lex specialis des § 7i AVRAG das Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/11/0083) und nicht im Einklang mit den Zielen des § 7i AVRAG (im Vordergrund steht die Sicherstellung des Entgeltanspruches und nicht die Pönalisierung; vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2014/11/0068, mwN).

34 Dennoch ist die Rechtsansicht, dass die Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung - im konkreten Fall - nicht erfüllt seien, nicht zu beanstanden, weil die Lohnunterlagen der dem Revisionswerber überlassenen Arbeitskräfte der Behörde selbst am Tag nach der Kontrolle nicht zur Überprüfung vorlagen. Der Revisionswerber hat daher das öffentliche Interesse an der Kontrolle der Einhaltung des Mindestentgelts (somit die Möglichkeit der Überprüfung seiner u.a. in der Revision aufgestellten Behauptung, dass die Arbeitskräfte rechtmäßig entlohnt wurden) nicht unbedeutend verletzt.

35 Zur außerordentlichen Strafmilderung:

Da das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall die gesetzliche Mindeststrafe (Strafrahmen gemäß § 7i Abs. 4 Z 3 dritter Anwendungsfall AVRAG EUR 2.000,-- bis EUR 20.000,-- für jeden Arbeitnehmer) in allen 16 Fällen um die Hälfte unterschritten hat, und eine weitere Herabsetzung des Strafmaßes gemäß § 20 VStG nicht in Betracht kommt, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen.

36 Da der Inhalt der Revision somit erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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