VwGH vom 14.06.2007, 2007/18/0278
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der O O in W, geboren 1963, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1167/06, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei laut ihren Angaben am illegal nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt am abgewiesen worden sei. Nach Einbringung einer Berufung habe sie ihren Asylantrag beim unabhängigen Bundesasylsenat am zurückgezogen, sodass dieser den erstinstanzlichen Asylbescheid (rechtskräftig) behoben habe. Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof hätten eine Behandlung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates abgelehnt. Die Beschwerdeführerin habe während ihres Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 verfügt.
Die Beschwerdeführerin, die unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sei, sei weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt und auch nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben. Sie halte sich sohin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG erfüllt seien. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 leg. cit. entgegenstehe.
Die Beschwerdeführerin lebe seit ca. vier Jahren im Bundesgebiet und verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu ihrem Ehegatten. Es sei daher davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verbunden sei. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Darüber hinaus könne ein Aufenthaltstitel gemäß § 21 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG nur vom Ausland aus erwirkt werden. Die Beschwerdeführerin, die ihren Aufenthalt trotz Zurückziehung des Asylantrages fortgesetzt habe, habe das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung sei von solchem Gewicht, dass ihre gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet. Dem genannten öffentlichen Interesse liefe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz Zurückziehung des Asylantrages), den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ihr weiterer Aufenthalt auch unter Berücksichtigung ihrer familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin ein österreichischer Staatsbürger sei, sie behauptet jedoch nicht, dass dieser das (gemeinschaftsrechtliche) Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Auch dem angefochtenen Bescheid ist kein Anhaltspunkt für die Inanspruchnahme eines solchen Rechtes durch ihn zu entnehmen. Im Hinblick darauf zeigt die Beschwerde mit ihrem - nicht weiter substanziierten - Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines Österreichers begünstigte Drittstaatsangehörige sei und über ihre Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ein Gericht oder eine gerichtsähnliche Institution, wie der unabhängige Verwaltungssenat, hätte entscheiden müssen, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf (vgl. dazu § 2 Abs. 4 Z. 11 und § 9 Abs. 1 FPG; ferner das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0119).
2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist ist, über keinen Aufenthaltstitel verfügt und nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben ist. Da, wie oben ausgeführt, kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin, sollte er tatsächlich - wie behauptet - österreichischer Staatsbürger sein, von seinem gemeinschaftsrechtlichen Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, hätte sie jedenfalls ab dem Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, mit (vgl. § 82 Abs. 1 leg. cit.) eines Aufenthaltstitels bedurft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0193).
Im Hinblick darauf begegnet auch die weitere - unbekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinem Einwand.
Hiebei stünde in Anbetracht des Fehlens eines Niederlassungsrechtes der Ausweisung der Beschwerdeführerin § 87 iVm § 86 Abs. 2 FPG nicht entgegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0330).
3.1. Unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG bringt die Beschwerde vor, die Argumente für die Interessenabwägung, insbesondere, dass eine Legalisierung des Aufenthaltes nur vom Ausland aus möglich wäre, seien überholt. Diesbezüglich werde auf das Urteil des EGMR vom , Nr. 50435/99 (Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande), verwiesen, worin festgehalten worden sei, dass ein illegaler Aufenthalt, dessen Legalisierung nur vom Ausland her möglich sei, keine Rechtfertigung für den Eingriff im Sinn des Art. 8 EMRK darstelle. Die Beschwerdeführerin habe einen Anspruch auf Aufenthalt in Österreich, sodass sich die Verpflichtung zur Auslandsantragstellung als Schikane darstelle. Nicht aus rechtlichen Gründen, aber aus der Erfahrung der Verwaltungspraxis sei es praktisch unmöglich, eine Auslandsantragstellung in der gegenständlichen Konstellation zu einem positiven Ergebnis zu bringen.
3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
In dem von der Beschwerde ins Treffen geführten Urteil hat der EGMR bekräftigt, dass Art. 8 EMRK keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten enthalte, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. Das Maß an Verpflichtung des Staates, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Gebiet zuzulassen, hänge von den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses ab. Einer der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sei etwa, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden sei, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen seien, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes bzw. der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen sei. Nur unter ganz speziellen Umständen bewirke die Ausweisung eines ausländischen Familienmitglieds eine Verletzung des Art. 8 EMRK.
In dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Fall kam eine ausländische Staatsangehörige im Juni 1994 in die Niederlande, wo sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebte. Im Februar 1996 brachte sie ein gemeinsames Kind zur Welt, das die niederländische Staatsbürgerschaft erhielt. Nach der Trennung der Eltern im Jahr 1997 wurde das Sorgerecht für das Kind dem Vater (dem Lebensgefährten der Fremden) zugesprochen. In seiner Beurteilung, dass die Ausweisung der Mutter aus den Niederlanden unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK unzulässig sei, ging der EGMR davon aus, dass diese im Fall ihrer Rückkehr in ihr Heimatland verpflichtet wäre, ihr (minderjähriges) Kind in den Niederlanden zurückzulassen, und es für das Kind im Hinblick auf seine enge Bindung zu seinen Großeltern väterlicherseits traumatisch sein würde, die Niederlande verlassen zu müssen. Abgesehen davon sei das elterliche Sorgerecht dem Vater zugesprochen worden und würde er einer Ausreise des Kindes nicht zustimmen.
Weder aus der vorliegenden Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten ein minderjähriges Kind habe, das sie im Fall ihrer Ausreise hier zurücklassen müsste, und sie im Zeitpunkt ihrer Eheschließung als gesichert habe annehmen können, dass ihr ein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet erteilt würde. Schon im Hinblick darauf ist der vorliegende Beschwerdefall mit dem dem genannten Urteil zu Grunde liegenden Fall nicht vergleichbar und der Beschwerdehinweis auf dieses Urteil daher nicht zielführend.
Im Übrigen begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen und ihres (erst) seit dem Jahr 2003 bestehenden inländischen Aufenthaltes - hiebei ist die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration während des Asylverfahrens in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert, dass dieser Aufenthalt auf Grund des (in der Folge zurückgezogenen) Asylantrages lediglich vorläufig berechtigt war - keinen Bedenken.
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen unter dem Blickwinkel des § 21 NAG eine Legalisierung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet vom Inland aus nicht in Betracht kommt.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am