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VwGH vom 21.06.2011, 2009/22/0060

VwGH vom 21.06.2011, 2009/22/0060

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/22/0062

2009/22/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden der 1. R,

2. M und 3. M B, alle vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres vom ,

1. Zl. 152.737/4-III/4/08 (Zl. 2009/22/0060), 2.) Zl. 152.737/2- III/4/08 (Zl. 2009/22/0061) und 3.) Zl. 152.737/3-III/4/08 (Zl. 2009/22/0062), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.932,36 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerinnen (einer Mutter und deren Töchter indischer Staatsangehörigkeit) auf Erteilung von Aufenthaltstiteln zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehemann bzw. Vater, der über eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" verfügt, gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen gleichlautend aus, die Beschwerdeführerinnen hätten am bei der österreichischen Botschaft in Neu-Delhi die gegenständlichen Anträge gestellt. Nach den Richtsätzen des § 293 ASVG müssten sie Unterhaltsmittel in der Höhe von EUR 1.319,98 für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar sowie zwei minderjährige Kinder nachweisen. Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen als Zusammenführender sei selbständig erwerbstätig und erziele ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 898,13. Außerdem bestehe bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft laut Niederschrift vom ein Rückstand, der in monatlichen Teilbeträgen von EUR 200,-- ab Dezember 2008 abbezahlt werde.

Da das Einkommen des Zusammenführenden unter den sich aus § 293 ASVG ergebenden Richtsätzen liege, habe nicht nachgewiesen werden können, dass ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden. Daher sei es sehr wahrscheinlich, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe die Einkommenssteigerung des Zusammenführenden von durchschnittlich 60 % im Jahr 2008 gegenüber dem Jahr 2007 nicht berücksichtigt. Bereits in der Berufung seien dessen Einkommensunterlagen bis inklusive September 2008 (richtig: August 2008) vorgelegt worden, woraus sich ein monatliches Einkommen von EUR 6.250,-- errechnen lasse. Dieses überschreite um ein Mehrfaches die Richtsätze des § 293 ASVG. Anhand der "Nettoaufstellung vom " lasse sich daraus ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von EUR 3.313,-- errechnen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zu dem monatlichen Nettobetrag von EUR 898,13 gelangt sei.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Hinsichtlich des erforderlichen Unterhalts geht die belangte Behörde zutreffend von den Richtsätzen des § 293 ASVG aus. Demnach hätten zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides den Beschwerdeführerinnen und dem Zusammenführenden insgesamt EUR 1.276,58 (vgl. § 293 ASVG idF BGBl. I Nr. 101/2007) zur Verfügung stehen müssen.

Die Feststellung der belangten Behörde, dass dem Zusammenführenden ein monatliches Einkommen von EUR 898,13 zur Verfügung stehe, basiert offenbar ausschließlich auf der "Eingabe -

Ausgabe Rechnung" für das Jahr 2007, wonach die NSB KEG in diesem Jahr einen Gewinn in der Höhe von EUR 10.777,59 erzielt hat. Dabei ließ die belangte Behörde jedoch unberücksichtigt, dass die Beschwerdeführerinnen bereits mit der Berufung eine "Jahresbestätigung 2008" vorgelegt haben, wonach die NSB KEG dem Zusammenführenden in den Monaten Jänner bis August 2008 einen Betrag von EUR 31.810,51 brutto ausbezahlt hat. In der Berufung wurde auch darauf hingewiesen, dass das Unternehmen (die NSB KEG) erst im Oktober 2006 seinen Betrieb aufgenommen hat und die Gesamteinnahmen von 2007 auf 2008 durchschnittlich um 60 % gestiegen sind.

Mit diesem Berufungsvorbringen hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt. Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist jedoch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , 2009/22/0066, mwN, und vom , 2009/22/0096). Dabei kam etwa früheren Beschäftigungen, den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sowie der Wahrscheinlichkeit, ob die nun bekanntgegebenen Einkommensverhältnisse auch auf absehbare Zeit andauern werden, Bedeutung zu.

Die Beschwerdeführerinnen haben bereits in der Berufung nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Einkommenssituation des Zusammenführenden seit der Unternehmensgründung im Oktober 2006 entwickelt hat. Eine Begründung, warum die belangte Behörde ihrer Entscheidung dennoch nicht die aktuellen Einkommensdaten, sondern jene aus dem Jahr 2007 zu Grunde gelegt hat, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Da die belangte Behörde den Änderungen in den Einkommensverhältnissen offenbar von vornherein die Relevanz abgesprochen und es daher unterlassen hat, anhand der aktuell nachgewiesenen (Brutto)Einkommenssituation des Zusammenführenden festzustellen, ob die Beschwerdeführerinnen ausreichende Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG nachweisen konnten, waren die angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Antrages auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-70062