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VwGH vom 03.10.2013, 2012/06/0156

VwGH vom 03.10.2013, 2012/06/0156

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des L B, 2. der D KG, 3. des

G H 4. des V H, 5. des G L, 6. der M L, 7. des G O, 8. der C P,


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9.
des G S 10. des G S 11. des M S 12. der H S 13. des M T,
14.
des B W und 15. des Jm Z, alle vertreten durch Patzak, Fidi und Kollegen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Wiener Schlichtungsstelle) vom , Zl. MA 50-Schli-II/2775/2012, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 73 Außerstreitgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom trug die belangte Behörde den beschwerdeführenden Parteien - diese sind Miteigentümer eines Hauses in Wien - auf, innerhalb einer bestimmten Frist näher genannte Erhaltungsarbeiten durchzuführen.

Mit Eingabe vom stellten die anwaltlich vertretenen beschwerdeführenden Parteien einen "Antrag gemäß § 73 AußstrG", die Entscheidung vom ersatzlos zu beheben. Dies wurde damit begründet, dass nach Durchführung eines Teiles der Erhaltungsarbeiten neue Tatsachen bekannt geworden und neue Beweismittel aufgefunden worden seien, aufgrund derer die Durchführung der übrigen aufgetragenen Instandhaltungsarbeiten nicht mehr erforderlich sei. Wären diese Tatsachen und Beweise bereits vorgelegen, wäre die Entscheidung vom unterblieben, soweit diese über jene Arbeiten hinausreichten, die bisher bereits durchgeführt worden seien.

Mit E-Mail vom teilte die belangte Behörde dem Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien Folgendes mit:

"Zu ihrem Antrag gemäß § 73 AußstrG teilt die MA 50 Gruppe Schlichtungsstelle mit, dass gemäß § 39 Abs. 3 Mietrechtsgesetz (MRG) auf ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle u.a. nicht die Bestimmungen des § 73 AußstrG anzuwenden sind. Sie werden daher binnen einer Woche um Mitteilung ersucht, ob Sie den Antrag zurückziehen. Andernfalls wäre ein Zurückweisungsbescheid zu erlassen."

Mit Schriftsatz vom äußerste sich der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei dahingehend, dass der Antrag nicht zurückgezogen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) wies die belangte Behörde sodann den Antrag der beschwerdeführenden Parteien, die rechtskräftige Entscheidung der Schlichtungsstelle vom gemäß § 73 AußstrG ersatzlos zu beheben, zurück. Begründend führte sie aus, die Schlichtungsstelle entscheide gemäß § 37 Abs. 1 MRG in den dort genannten Angelegenheiten. Die vor einer Gemeindeschlichtungsstelle in diesem Verfahren zur Anwendung zu gelangenden Verfahrensbestimmungen des AußstrG seien in § 39 Abs. 3 MRG abschließend aufgezählt. § 73 AußstrG, der die Möglichkeit vorsehe, nach Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses dessen Abänderung zu beantragen, sei in § 39 Abs. 3 MRG nicht angeführt und finde deshalb vor einer Gemeindeschlichtungsstelle keine Anwendung. Das darauf gerichtete Begehren sei daher mangels Anwendbarkeit des § 73 AußstrG ohne näheres inhaltliches Eingehen auf den Antrag zurückzuweisen gewesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im gegenständlichen Verfahren ist das Mietrechtsgesetz - MRG, BGBl. Nr. 520/1981, in der Fassung BGBl. I Nr. 218/2011, anzuwenden. Dessen §§ 37 und 39 lauten auszugsweise:

"Entscheidungen im Verfahren außer Streitsachen

§ 37. (1) Über die Anträge in den im folgenden genannten Angelegenheiten entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist:


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1.
2.
Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§§ 3, 4 und 6);
3.
Entscheidung der Gemeinde

§ 39. (1) Verfügt eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten und rechtfertigt die Anzahl der dort nach § 37 Abs. 1 anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zwecke der Entlastung des Gerichtes, so kann ein Verfahren nach § 37 Abs. 1 bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist.

(2) ...

(3) Die Gemeinde hat nach Vornahme der erforderlichen Ermittlungen, wenn der Versuch einer gütlichen Beilegung des Streites erfolglos geblieben ist, über den Antrag nach § 37 Abs. 1 zu entscheiden. Auf das Verfahren sind die Regelungen der § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2, §§ 17, 25 bis 28, § 31 Abs. 1 bis 4 und §§ 32 bis 34 AußStrG sowie § 37 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Z 1 bis 12 und 18 und Abs. 4 entsprechend anzuwenden; im Übrigen gilt für das Verfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991.

(4) ..."

§ 73 Abs. 1 Außerstreitgesetz - AußStrG, BGBl. I Nr. 111/2003, lautet:

"Abänderungsantrag

§ 73. (1) Nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem über die Sache entschieden wurde, kann seine Abänderung beantragt werden, wenn

1. die Partei in dem vorangegangenen Verfahren nicht vertreten war,

2. die Partei eines gesetzlichen Vertreters bedarf und nicht durch einen solchen vertreten war und die Verfahrensführung nicht nachträglich genehmigt wurde,

3. ein ausgeschlossener oder mit Erfolg abgelehnter Richter oder Rechtspfleger entschieden hat,

4. die Voraussetzungen nach § 530 Abs. 1 Z 1 bis 5 ZPO vorliegen,

5. eine Partei eine über die Sache früher ergangene, bereits rechtskräftige Entscheidung auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, welche zwischen den Parteien des dem abzuändernden Beschluss zugrunde liegenden Verfahrens Recht schafft, oder

6. die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte.

(2) ..."

§ 69 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

(2) …"

Die Beschwerde bringt vor, es komme nicht darauf an, auf welche Gesetzesstelle sich die beschwerdeführenden Parteien berufen hätten; in ihrem Antrag vom hätten sie mit ausreichender Klarheit geltend gemacht, dass neue Tatsachen bzw. Beweismittel hervorgekommen seien, die sie im Verfahren ohne ihr Verschulden nicht hätten geltend machen können, die aber voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. In diesem Vorbringen hätte die belangte Behörde einen auf § 69 Abs. 1 Z 2 AVG gestützten Antrag erkennen müssen. Wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass das Außerstreitgesetz keine "passende" Regelung für dieses Anliegen der beschwerdeführenden Parteien vorsehe, dann hätte sie eben das AVG anzuwenden gehabt.

Es trifft zwar zu, dass gemäß § 39 Abs. 3 MRG für das Verfahren vor den Gemeindebehörden "im Übrigen", also soweit nicht die in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgezählten Paragrafen des AußstrG entsprechend anzuwenden sind, das AVG 1991 gilt. Im vorliegenden Verfahren wies die Schlichtungsstelle der Stadt Wien jedoch die anwaltlich vertretenen beschwerdeführenden Parteien mit E-Mail vom darauf hin, dass der ausdrücklich auf § 73 AußstrG gestützte Antrag zurückzuweisen sein werde, weil diese Rechtsgrundlage von der belangten Behörde nicht anzuwenden sei. In ihrer dazu ergangenen Mitteilung vom lehnten die Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien es jedoch ab, den Antrag zurückzuziehen, und brachten auch nicht vor, dieser stütze sich auf § 69 Abs. 1 Z 2 AVG. Damit brachten sie eindeutig zum Ausdruck, dass sie eine Entscheidung der belangten Behörde über ihren Antrag gemäß § 73 AußstrG begehrten. Angesichts dieses erklärten Willens der rechtsfreundlich vertretenen beschwerdeführenden Parteien war es der belangten Behörde verwehrt, dem Antrag eine Deutung zu geben, die mit dessen Wortlaut nicht übereinstimmt (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb , Rz. 38 zu § 13 AVG zitierte hg. Judikatur), ihn also auf eine andere Rechtsgrundlage zu beziehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am