VwGH vom 19.12.2012, 2009/22/0058
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch die Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/1.OG, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.831/2-III/4/2008, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung -
Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage zumindest ab bis über eine Aufenthaltserlaubnis "Ausbildung" gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 FrG verfügt. Ab habe er eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Schüler" erhalten. Am habe er dann den gegenständlichen Antrag eingebracht.
Gegen dessen erstinstanzliche Abweisung gemäß § 47 Abs. 3 NAG habe er in der Berufung vorgebracht, dass er während seiner Studienzeit mehrere Monate in Serbien gewesen wäre und seine Schwiegermutter ihm in diesem Zeitraum Unterhalt geleistet hätte. Es könnte nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein, dass er gezwungen wäre, Österreich zu verlassen, um in Serbien Unterhaltsleistungen seiner Stiefmutter zu empfangen, damit die Voraussetzungen nach § 47 Abs. 3 NAG erfüllt seien. Außerdem würde die Ungleichbehandlung von Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern gegenüber Angehörigen von EU-Bürgern eine Diskriminierung darstellen.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag auf die Familienzusammenführung mit seiner Stiefmutter, einer österreichischen Staatsbürgerin, gestützt, weshalb zu überprüfen gewesen sei, ob er ein "sonstiger Angehöriger" im Sinne des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG sei. Allerdings habe er "nicht nachgewiesen" bzw. sei es "aus der Aktenlage nicht ersichtlich", dass er - wie unter § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a) und b) NAG verlangt - vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hätte oder mit diesem bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen hätte. Er habe in seiner Berufung selbst angegeben, dass er während seiner Studienzeit mehrere Monate in Serbien gewesen sei und ihm in diesem Zeitraum von seiner Schwiegermutter Unterhalt geleistet worden sei. Um die Voraussetzungen eines "sonstigen Angehörigen" zu erfüllen, wären diese Unterhaltsleistungen jedoch von seiner Stiefmutter zu leisten gewesen; die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG seien daher in seinem Fall nicht gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beurteilung des vorliegenden Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides () nach dem NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 richtet.
Die belangte Behörde stützte im angefochtenen Bescheid ihre Ansicht, wonach die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG nicht erfüllt seien, offenbar maßgeblich auf den Umstand, dass die angegebenen im Herkunftsstaat erfolgten Unterhaltszahlungen an den Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Serbien nicht von seiner Stiefmutter als Zusammenführender, sondern nach seinen Ausführungen in der Berufung von seiner Schwiegermutter geleistet worden seien.
Die Beschwerde wendet dazu ein, dass es sich bei diesem Bezug in der Berufung um einen offensichtlichen Irrtum bzw. Schreibfehler handle, und ganz offensichtlich die Stiefmutter gemeint gewesen sei.
Schon dieser Verfahrensfehler führt die Beschwerde zum Erfolg:
Angesichts der Tatsache, dass einerseits im gesamten Verwaltungsakt ansonsten an keiner Stelle jemals eine Schwiegermutter des Beschwerdeführers erwähnt wurde und andererseits der Beschwerdeführer im Akt durchgehend als ledig geführt wird, kann nicht nachvollzogen werden, wie die belangte Behörde ohne weiteres diesen offenkundigen, einmaligen Schreibfehler in der Berufung, in der ansonsten von der Stiefmutter des Beschwerdeführers die Rede ist und ausdrücklich auf das auf die Unterhaltsgewährung durch die Stiefmutter Bezug nehmende Vorbringen in der Stellungnahme vom verwiesen wird, zum Anlass nehmen konnte, um die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG als nicht erfüllt anzusehen.
Vor dem Hintergrund der eigenen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG dann erfüllt gewesen wären, wenn die im Herkunftsstaat bereits bezogenen Unterhaltsleistungen durch die Stiefmutter erfolgt wären, erweist sich die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides damit nicht nur als unschlüssig, sondern wird auch die Relevanz dieses Verfahrensfehlers aufgezeigt.
Aus der bloßen, nicht weiter begründeten Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Erfüllung der Anforderungen nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a oder b NAG "nicht nachgewiesen" habe "bzw." diese "aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich" sei, lässt sich im Übrigen jedenfalls keine nachvollziehbare Begründung entnehmen - der angefochtene Bescheid enthält dazu keine beweiswürdigenden Überlegungen -, die der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof - selbst unter Berücksichtigung der insoweit dem Verwaltungsgerichtshof bloß eingeschränkt zukommenden Prüfbefugnis - standhalten könnte (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0011).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-70057