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VwGH vom 27.08.2013, 2012/06/0153

VwGH vom 27.08.2013, 2012/06/0153

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der C S in A, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. RoBau-8-1/715/4-2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A C in A; 2. Gemeinde A), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0143, verwiesen.

Dem Erstmitbeteiligten (Bauwerber) wurde mit erstinstanzlichem Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom eine Baubewilligung für die Aufstockung seines bestehenden Wohnhauses auf drei Geschoße sowie die Errichtung eines Zubaus mit einer Eingangsüberdachung über der derzeit bestehenden Garage erteilt. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin wies der Gemeindevorstand der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom ab. Dieser Bescheid wurde jedoch von der belangten Behörde mit Bescheid vom wegen Verletzung der Mindestabstände durch den geplanten Kapfer (Dachgaupe) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der zweitmitbeteiligten Gemeinde verwiesen. Mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0143 wurde eine gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Darauf reichte der Bauwerber mit Eingabe vom einen Korrekturplan zum ursprünglichen Einreichplan ein, der die Bezeichnung "Tekturplan zum Einreichplan Bauakt Zl. 131-9/1261-02, Aufstockung Einfamilienhaus, Änderung Dauchgaupe" trägt.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des nördlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks und brachte im Rahmen des Parteiengehörs zur geänderten Ausführung des Dachkapfers in ihrer Stellungnahme vom im Wesentlichen vor, der Bauwerber hätte nicht nur einen abgeänderten Plan, sondern auch ein die Planänderung berücksichtigendes Baubewilligungsansuchen vorlegen müssen. Im anhängigen Verfahren liege somit kein Baubewilligungsansuchen im Sinn der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO) vor. Aufgrund der nicht gesetzeskonform durchgeführten Änderung des Baubewilligungsansuchens sei das Verfahren mit wesentlicher Mangelhaftigkeit behaftet. Darüber hinaus sei unterhalb der Dachgaupe von einer weiteren Abstandsverletzung innerhalb des Schutzbereiches gegenüber dem Grundstück der Beschwerdeführerin auszugehen. Diesbezüglich sei die Beschwerdeführerin nicht präkludiert, eine Präklusion könne seit der Vorlage der abgeänderten Planunterlagen vom hinsichtlich dieser nicht vorliegen. Aus diesen Plänen ergebe sich, dass das Hausdach an der Nordseite des Projektes deutlich in den Abstandsbereich rage. Dieser in den Abstandsbereich ragende Teil des Daches erstrecke sich über mehr als die gesamte Breite des Gebäudes und verletzte somit § 6 Abs. 1 TBO. Es handle sich dabei auch um keinen privilegierten Bauteil im Sinn des § 6 Abs. 2 oder 3 TBO, weil das Dach kein "untergeordneter Bauteil" im Sinn des § 2 Abs. 16 TBO sei. Ein Dach, das sich über die gesamte Länge eines Gebäudes erstrecke, könne denkunmöglich als "untergeordneter Bauteil" beurteilt werden (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse Zl. 2005/06/0362, Zl. 92/06/0250 und Zl. 99/06/0089). Darüber hinaus handle es sich um einen gegenüber der Fassade vorspringenden Bauteil. Mit Hinweis auf § 112 Abs. 1 und Abs. 5 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 (TROG) führte die Beschwerdeführerin weiter aus, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass der für den hier gegenständlichen Bauplatz im Jahr 1988 in Kraft getretene Bebauungsplan mit Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten des neuen Flächenwidmungsplanes (am ) gemäß § 112 TROG am außer Kraft getreten sein müsse. Abs. 5 dieser Bestimmung lege jedoch fest, dass Bebauungspläne, die am bestanden hätten oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden seien und in denen die Bauhöhe ausschließlich durch die Anzahl oberirdischer Geschoße festgelegt worden sei, weiterhin aufrecht blieben. Da der neue Flächenwidmungsplan der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit Ablauf des in Kraft getreten sei, habe erst zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Frist im Sinn des § 112 Abs. 1 TROG zu laufen beginnen können. Der Bebauungsplan der zweitmitbeteiligten Gemeinde aus dem Jahr 1986 habe somit am aufrecht bestanden und sei bis heute gemäß § 117 Abs. 5 TROG 2011 bzw. bis im Rahmen der Bestimmung des § 112 Abs. 1 TROG 2006 weiterhin aufrecht. Somit kämen die Anwendungsvoraussetzungen des § 112 Abs. 5 TROG 2006 zum Tragen, wonach dieser Bebauungsplan weiterhin aufrecht sei. Der Bebauungsplan aus dem Jahr 1988 lege eine Geschoßflächendichte mit 0,4, die Anzahl der Vollgeschoße mit II und Baugrenzlinien fest, die nach wie vor anzuwenden seien. Die Errichtung des antragsgegenständlichen dritten Obergeschoßes könne gemäß § 112 Abs. 3 TROG 2006 zwischen und zulässig gewesen sein. Zum Zeitpunkt der Vorstellungsentscheidung vom sei dies jedenfalls unzulässig gewesen. Zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung vom sei die Festlegung über Geschoßflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschoße, die am bestanden habe, seit außer Kraft. Durch das TROG 2011 sei diese Außerkrafttretensbestimmung auf verschoben worden. Die Erteilung der Baubewilligung bis verstoße somit gegen die Bestimmungen im Bebauungsplan aus dem Jahr 1988. Diese Rechtswidrigkeit lebe im Verfahren mit dem Inkrafttreten des TROG 2011 wieder auf. Übergangsbestimmungen, wonach nach dem TROG 2006 außer Kraft getretene Festlegungen jedenfalls nicht weiter anzuwenden seien, fänden sich im TROG 2011 nicht. Dieses stelle seinerseits auf das Jahr 2001 ab, woraus sich ergebe, dass Festlegungen in Bebauungsplänen, die zum Stichtag bestanden hätten, im Regime des TROG 2011 weiter aufrecht bestünden. Daraus ergebe sich, dass bis auf den Zeitraum zwischen und aufrechte Festlegungen des Bebauungsplanes bestanden hätten, die von der Behörde nunmehr in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen seien. Seit seien die Festlegungen des Bebauungsplanes (gemeint wohl: aus dem Jahr 1988) gemäß § 117 TROG 2011 weiter anzuwenden. Die Beschwerdeführerin sei in ihren subjektivöffentlichen Rechten gemäß § 25 Abs. 3 TBO verletzt, weil entgegen den anzuwendenden Bestimmungen des Bebauungsplanes aus dem Jahr 1988 ein Projekt bewilligt worden sei, das die vorgeschriebene Bauweise und zulässige Bauhöhe nicht einhalte.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Zu dem Vorbringen der Beschwerdeführerin führte die Berufungsbehörde im Wesentlichen aus, durch Einreichung der neuen Baupläne sei den verfahrensrechtlichen Anforderungen betreffend eine Änderung oder Ergänzung des Bauansuchens ausreichend genüge getan. Im fortgesetzten Berufungsverfahren sei Teilrechtskraft hinsichtlich sämtlicher, von der Vorstellungsbehörde nicht aufgegriffener Punkte eingetreten. Daher sei auf den erstmals erhobenen Einwand, das nördliche Vordach stelle keinen untergeordneten Bauteil dar und verletze die Abstandsvorschriften, nicht weiter einzugehen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin hätten sich ausschließlich auf den Dachkapfer bezogen, weshalb hinsichtlich des Vordaches Präklusion eingetreten sei. Daran ändere auch die Neueinreichung der Pläne nichts, weil sich die Projektmodifikation nicht auf das (rechtskräftige) Vordach, sondern ausschließlich auf den Dachkapfer beziehe. Auch hinsichtlich der Frage, ob der Bebauungsplan aus dem Jahr 1988 anzuwenden sei, sei Teilrechtskraft eingetreten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung vom wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr Vorbringen aus der Stellungnahme vom und führte ergänzend aus, dass eine Teilrechtskraft nicht eingetreten sei, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes darstelle. Es sei auch keine Präklusion eingetreten, weil bereits im ersten Verfahrensgang Einwendungen betreffend die Abstandsverletzungen geltend gemacht worden seien. Die Begründung für eine rechtzeitig erhobene Einwendung könne auch noch später ergänzt oder geändert werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend führte sie - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - im Wesentlichen aus, eine Teilrechtskraft sei nicht eingetreten, weil der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom durch den Bescheid der belangten Behörde vom zur Gänze aufgehoben worden sei und auch die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Teilbarkeit hinsichtlich des beantragten Vorhabens nicht vorlägen. Eine Bindungswirkung liege nur hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des Dachkapfers vor. Mit Eingabe vom sei eine geänderte Ausführung des Dachkapfers vorgelegt worden, wodurch nunmehr keine Abstandsverletzung mehr vorliege. Wenn die Beschwerdeführerin Abstandsverletzungen durch den unterhalb dieser Dachgaupe geplanten Bauteil geltend mache, sei sie diesbezüglich präkludiert, weil dieser Bauteil bereits in identer Ausführung in den ursprünglichen Einreichunterlagen vorgesehen gewesen sei und die Beschwerdeführerin gegen diesen Bauteil bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Einwendung geltend gemacht habe.

Der Vorwurf der Abstandsverletzung erweise sich aber auch der Sache nach als unberechtigt. Es handle sich dabei um eine Verlängerung des neu zu errichtenden nördlichen Gebäudedaches, das die Funktion eines Vordaches erfülle und über die gesamte Gebäudelänge sowie je einen weiteren Meter auf den Stirnseiten des Gebäudes reiche. Dieser Bauteil erfülle die Qualifikation eines untergeordneten Bauteiles, weil das Wesen eines Vordaches und dessen Zweckbestimmung, nämlich einen Schutz der darunter liegenden Fassade vor Niederschlagswässern und sonstigen Einwirkungen zu gewährleisten, gerade eine derartige Ausführung erfordere. Vordächer stellten dem Typ nach untergeordnete Bauteile dar; ein Vordach mit einer Auskragung von einem Meter an einem Gebäude mit insgesamt drei oberirdischen Geschoßen und einer Gesamthöhe von über 8 m erfülle jedenfalls die Voraussetzungen eines untergeordneten Bauteiles.

Zur Anwendbarkeit des Bebauungsplanes aus dem Jahr 1988 führte die belangte Behörde aus, dieser sei am in Kraft getreten und sei somit auf Grundlage des TROG 1984 erlassen worden. Gemäß § 114 Abs. 1 TROG 1994 dürften am bestehende Bebauungspläne nicht mehr geändert werden; auf sie sei bis zur Erlassung eines allgemeinen und eines ergänzenden Bebauungsplanes im Bauverfahren Bedacht zu nehmen. Bebauungspläne nach dem TROG 1984 seien also in das TROG 1994 übergeleitet worden. Das TROG 1997 enthalte eine gleichartige Übergangsreglung. Durch die Novelle LGBl. Nr. 21/1997 sei § 114 Abs. 1 TROG 1994 insofern abgeändert worden, als das Außerkrafttreten der nach dem TROG 1984 erlassenen Bebauungspläne an die Erlassung des allgemeinen Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen geknüpft worden sei; angesichts der darin getroffenen planerischen Festlegungen scheine die Heranziehung der Bebauungspläne 1984 als Bedachtnahmekriterium von da an nicht mehr gerechtfertigt. Durch § 114 Abs. 1 TROG 1994 in der Fassung LGBl. Nr. 73/2001 sei die Weitergeltung von Bebauungsplänen nach dem seinerzeitigen TROG 1984 zeitlich befristet worden, nämlich bis längstens drei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes. Festlegungen über Geschoßflächen, Dichten und die Anzahl der Vollgeschoße sowie über Baugrenzlinien und Höhenlagen, die am bestanden hätten oder bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden seien, sollten gemäß Abs. 3 spätestens bis außer Kraft treten. Dieses Datum des Außerkrafttretens sei durch die Novelle LGBl. Nr. 47/2011 - rückwirkend zum - auf den hinausgeschoben worden. Entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin sei § 112 Abs. 1 TROG 2011 (vormals § 114 Abs. 1 TROG 1994) die allein maßgebliche Rechtsnorm für das Weitergelten übergeleiteter Bebauungspläne nach dem TROG 1984 bzw. für deren Außerkrafttreten. Die seit der Novelle LGBl. Nr. 73/2001 geltenden Abs. 3 und 4 und der mit der Novelle LGBl. Nr. 35/2005 eingeführte Abs. 5, auf den sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen berufe, seien auf nach dem TROG 1994 bzw. TROG 1997 erlassene Bebauungspläne anzuwenden.

Im vorliegenden Fall sei der neue Flächenwidmungsplan der zweitmitbeteiligten Gemeinde am in Kraft getreten. Gemäß § 117 Abs. 1 TROG 2011 sei der Bebauungsplan mit Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes, somit am , außer Kraft getreten. Im gegenständlichen Bauverfahren sei somit nicht auf die Festlegungen dieses Bebauungsplanes Bedacht zu nehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2011, kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, sofern durch die Antragsänderung die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert wird und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die Übermittlung der Tekturpläne stelle ohne eine entsprechende schriftliche Abänderung des verfahrenseinleitenden Ansuchens keine taugliche Entscheidungsgrundlage dar; die belangte Behörde habe daher ihre Entscheidungsbefugnis überschritten.

Nach der ständigen hg. Judikatur kommt es auf den Inhalt einer Eingabe, also auf das daraus erkennbare und erschließbare Ziel des Einschreiters an (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb , Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Rz 38 zu § 13 AVG zitierte hg. Judikatur). Nach der Bezeichnung "Tekturplan zum Einreichplan Bauakt Zl. 131-9/1261-02, Aufstockung Einfamilienhaus, Änderung Dauchgaupe" durften die Behörden des Verwaltungsverfahrens davon ausgehen, dass dadurch der ursprüngliche Genehmigungsantrag des Beschwerdeführers in Hinblick auf das kurz zuvor ergangene hg. Erkenntnis Zl. 2011/06/0143, mit dem die Entscheidung, wonach der ursprünglich geplante Dachkapfer die Mindestabstände verletzt, bestätigt wurde, im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG geändert werden sollte. Den Verfahrensakten ist auch keine gegenteilige Äußerung des Bauwerbers zu entnehmen. Das auf die Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde gerichtete Beschwerdevorbringen ist somit nicht zielführend.

Auf Grund der Übergangsbestimmung des § 62 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2011 - TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, ist im vorliegenden Verfahren die TBO 2001, LGBl. Nr. 94/2001, in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009, anzuwenden. Gemäß deren § 2 Z 16, sind untergeordnete Bauteile u.a. Vordächer, Dachkapfer, Fänge, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen. § 6 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass - sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist - jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken einen bestimmten Abstand einzuhalten hat. Bei dieser Berechnung bleiben gemäß § 6 Abs. 2 TBO 2001 untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist (lit. a), und Fänge sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite (lit. b) außer Betracht und dürfen somit innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden.

Gemäß § 25 Abs. 2 TBO 2001 kommt der Beschwerdeführerin als Nachbarin im Bauverfahren Parteistellung zu; als Partei ist sie unter anderem berechtigt, die Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe, soweit diese ihrem Schutz dienen, geltend zu machen (§ 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001).

Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde angenommene Präklusion hinsichtlich des in den Abstandsbereich ragenden Vordachs, weil sie während des Verfahrens mehrmals die Verletzung der Abstandsvorschriften gerügt habe und sich eine Präklusion niemals auf Unterlagen beziehen könne, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch gar nicht vorhanden gewesen seien.

Aus folgenden Gründen kann diese Frage dahinstehen:

Die belangte Behörde setzte sich auch inhaltlich mit dem entsprechenden Vorbringen in der Vorstellung auseinander und kam zutreffend zu dem Ergebnis, dass es sich bei einem Vordach mit einer Auskragung von 1 m um einen untergeordneten Bauteil im Sinn des § 2 Z 16 TBO 2001 handelt, der gemäß § 6 Abs. 2 lit. a leg. cit. bei der Berechnung der Mindestabstände außer Betracht bleibt. Die von der Beschwerde zitierten hg. Erkenntnisse (Zl. 2005/06/0362, Zl. 99/06/0089 und Zl. 92/06/0250) unterscheiden sich vom vorliegenden Sachverhalt insofern, als - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - bei einem über 8 m hohen Haus ein Vordach mit einer Auskragung von 1 m auf Grund seiner Dimensionierung im Vergleich zum restlichen Bauwerk durchaus als "untergeordneter Bauteil" anzusehen ist. Die Beschwerdeführerin wurde im Ergebnis dadurch, dass das Vordach 1 m in die Abstandsflächen ragt, nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt.

Die Beschwerdeführerin wiederholt ihr Vorbringen hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bebauungsplanes aus dem Jahr 1988 und folgert daraus, dass ausgehend von der Fortgeltung der Festlegung von zwei oberirdischen Geschossen im Bebauungsplan aus dem Jahr 1988 das gegenständliche Projekt nicht zulässig sei; durch diese Rechtswidrigkeit sei sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 25 Abs. 3 TBO 2001 verletzt.

Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob - so die Rechtsansicht der belangten Behörde - im vorliegenden Fall der nach § 18 TROG 1984 erlassene Bebauungsplan gemäß § 117 Abs. 1 TROG 2011 spätestens drei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes außer Kraft trat oder - wie die Beschwerdeführerin meint - dieser Bebauungsplan gemäß § 117 Abs. 5 TROG 2011 weiterhin aufrecht ist.

§ 117 TROG 2011 in der Fassung LGBl. Nr. 56/2011 lautet:

"§ 117

Bebauungspläne

(1) Bestehende Bebauungspläne nach § 18 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 dürfen nicht mehr geändert werden. Sie treten mit der Erlassung des Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen, spätestens jedoch drei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes nach § 111 Abs. 1 erster Satz, außer Kraft. Bis dahin ist auf die Festlegungen solcher Bebauungspläne, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen, im Bauverfahren Bedacht zu nehmen.

(2) Bebauungspläne, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch ergänzende Bebauungspläne, dürfen bereits vor dem Inkrafttreten des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes nach § 111 Abs. 1 erlassen werden.

(3) Festlegungen über Geschoßflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschoße, die am bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht. § 61 und § 62 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl. Nr. 10/1997 und des Gesetzes LGBl. Nr. 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden. Solche Festlegungen treten spätestens am außer Kraft.

(4) Festlegungen über Baugrenzlinien und Höhenlagen, die am bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht.

§ 59 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 4 in Verbindung mit § 61 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl. Nr. 10/1997 und des Gesetzes LGBl. Nr. 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden.

(5) Bebauungspläne, die am bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind und in denen die Bauhöhe ausschließlich durch die Anzahl der oberirdischen Geschoße festgelegt wird, bleiben weiterhin aufrecht. § 62 Abs. 1 erster und zweiter Satz dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 93/2001 ist darauf weiter anzuwenden. Wird der Bebauungsplan hinsichtlich des betreffenden Grundstückes geändert, so ist jedoch jedenfalls der oberste Punkt im Sinn des § 62 Abs. 1 erster Satz festzulegen.

(6) ..."

Diesbezüglich ist der belangten Behörde beizupflichten, wonach sich Abs. 1 des § 117 TROG 2011 ausdrücklich auf jene Bebauungspläne bezieht, die nach dem TROG 1984 erlassen wurden, und somit insofern eine lex specialis zu Abs. 5 dieses Paragraphen darstellt.

Da im vorliegenden Fall der Flächenwidmungsplan am in Kraft trat, trat der Bebauungsplan aus dem Jahr 1988 im Juli 2008 außer Kraft und war somit auf das anhängige Verfahren - das Bauansuchen datiert vom - nicht anzuwenden.

Soweit die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig hält, weil das gegenständliche Projekt nicht die Vorgaben des Bebauungsplanes aus dem Jahr 1988 einhält, ist sie folglich in keinem Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 3 TBO verletzt, weil dieser Bebauungsplan im vorliegenden Verfahren nicht mehr anzuwenden war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-70047