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VwGH 08.09.2016, Ra 2016/11/0103

VwGH 08.09.2016, Ra 2016/11/0103

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Die Bezeichnung der Behörde ist ein wesentliches Merkmal, dessen Fehlen zur absoluten Nichtigkeit führt. Dem Erfordernis zur Bezeichnung der Behörde ist dann Rechnung getragen, wenn nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann - also unabhängig von der subjektiven Kenntnis seitens des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde. Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen. Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (Hinweis E vom , Ra 2015/03/0051).
Normen
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §5 Abs5;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;
FSG-GV 1997 §2 Abs1;
RS 2
Dem Revisionswerber wurde die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen befristet und unter der Auflage einer Nachuntersuchung mit Haarprobe "erteilt". Nach dem Akteninhalt (Auszug aus dem Führerscheinregister) ist der Revisionswerber jedoch seit über zehn Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung (dementsprechend findet sich im Akt auch kein Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung). Sollte aber Gegenstand der behördlichen Entscheidung nicht die Erteilung einer Lenkberechtigung (iSd 2. und 3. Abschnittes des FSG 1997), sondern die - nachträgliche - Einschränkung der bestehenden Lenkberechtigung (5. Abschnitt des FSG 1997) des Revisionswerbers (durch Befristung und Vorschreibung einer Auflage) sein, so handelte es sich dabei um eine andere Sache (§ 24 Abs. 1 Z 2 FSG 1997), was im Spruch entsprechend zum Ausdruck zu bringen wäre. In diesem Fall wären die Voraussetzungen für die Vorschreibung von Kontrolluntersuchungen und für die Befristung der Lenkberechtigung neuerlich zu beurteilen, wobei insbesondere § 14 Abs. 5 FSG-GV 1997 (für den Fall, dass die Suchtgiftabhängigkeit des Revisionswerbers nicht mehr bestehen sollte) und im Kontext auch § 2 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV 1997 zu beachten wären (Hinweis E vom , Ra 2016/11/0088).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Höhl, über die Revision des T F in A, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-650511/19/MS, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i. A. Erteilung einer Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss (= Spruchteil A) wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Am wurde in der Wohnung des Revisionswerbers eine Indoorplantage mit 25 Cannabispflanzen vorgefunden (aktenkundiger Abschlussbericht der Polizeiinspektion S). In der Beschuldigtenvernehmung vom selben Tag gab der - im Jahr 1981 geborene und mittels Führerschein ausgewiesene - Revisionswerber an, er habe seit dem 15. Lebensjahr Suchtgiftkontakt, zunächst gelegentlich und seit ca. 5 Jahren "regelmäßiger" (2-3 Joints pro Abend). Er benötige täglich 1 bis 1,5 Gramm Cannabiskraut.

In der fachärztlichen Stellungnahme vom erwähnte der Neurologe DDr. K., der Revisionswerber habe bei der Untersuchung erwähnt, dass er seit dem "komplett abstinent" lebe. Aus nervenärztlicher Sicht bestehe kein Einwand gegen eine "bedingte Weitererteilung der Lenkberechtigung", wenn "negative Drogenharnkontrollen in 2-monatigen Abständen über 1 Jahr" erfolgten.

Im amtsärztlichen Gutachten vom wurde der Revisionswerber zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Klasse B als befristet geeignet erachtet. Der Amtsarzt hielt in diesem Gutachten eine Nachuntersuchung in einem Jahr "mit Haarprobe bei FS Verlängerung (6 cm Haarlänge erforderlich)" für notwendig und verwies in der Begründung auf den erforderlichen Abstinenznachweis entsprechend fachärztlicher Empfehlung.

1.2. Im Akt findet sich sodann folgende Niederschrift, in deren Kopfzeile der Name "Bezirkshauptmannschaft Gmunden" aufgedruckt ist:

"Niederschrift

Ort der Amtshandlung: Bezirkshauptmannschaft Gmunden

Datum und Beginn der Amtshandlung: um 09.04 Uhr

Leiter der Amtshandlung: (...)

Zahl: (...)

Gegenstand der Amtshandlung: Auflagen, Befristungen,

Beschränkungen

Der Leiter der Amtshandlung verkündet nachstehenden

mündlichen Bescheid:

Spruch

Herrn (Revisionswerber), geb. 1981, (Wohnadresse), wird

folgende Lenkberechtigung erteilt:

Ausstellungsbehörde: Bezirkshauptmannschaft Gmunden

Klasse(n): AM und B

Geschäftszahl: (...)

Ausgestellt am:

Befristet bis:

Auflagen, Beschränkungen: bei der Nachuntersuchung wird eine Haarprobe auf Drogen durchgeführt, hierfür ist eine Haarlänge von mindestens 6 cm erforderlich;

Rechtsgrundlagen: §§ 3 Abs. 1 Ziff. 3, 5 Abs. 5, 8, 24 Abs. 1 Ziff. 2 Führerscheingesetz 1997

Begründung:

..."

Die gegen diese Erledigung erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die bekämpfte Erledigung keinen Bescheid iSd AVG darstelle und daher mittels Beschwerde nicht bekämpfbar sei, weil - auch unter Berücksichtigung, dass auf dem Briefpapier der Niederschrift der Name der Behörde genannt sei - weder aus der Präambel des Spruches noch aus einer sonstigen Stelle der Erledigung zweifelsfrei entnommen werden könne, von welcher Behörde die Erledigung stammt.

Aufgrund des Vorlageantrages des Revisionswerbers fasste das Verwaltungsgericht den (als Spruchteil A bezeichneten) angefochtenen Beschluss, mit welchem gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG "die Beschwerde gegen das als ‚Bescheid' bezeichnete Schriftstück vom als unzulässig zurückgewiesen" und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt wurde. Die Erhebung einer ordentlichen Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG für unzulässig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Revisionswerbers.

1.3. Mit dem - durch (Amts-)Revision nicht bekämpften - (als Spruchteil B bezeichneten) Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom (auch mit diesem wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers "befristet bis unter der Auflage erteilt, dass anlässlich der Nachuntersuchung eine Haarprobe erforderlich ist und diese eine Haarlänge von mindestens 6 cm erfordert") gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG statt und hob den bekämpften Bescheid auf.

2. In der außerordentlichen Revision gegen den angefochtenen Beschluss vom wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei in Abweichung von der (näher bezeichneten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall unzutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der in der zitierten Niederschrift vom festgehaltenen Erledigung um keinen Bescheid gehandelt habe. Nach objektiven Gesichtspunkten sei vielmehr völlig unzweifelhaft, dass es sich dabei um einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden handle. Folglich hätte das Verwaltungsgericht meritorisch über die Beschwerde gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom entscheiden müssen (nach Ansicht des Revisionswerbers durch ersatzlose Behebung dieses Bescheides).

Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist aus dem von ihr genannten Grund zulässig, sie ist auch begründet:

Gemäß § 62 Abs. 2 AVG ist der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

Gemäß § 58 Abs. 3 iVm § 18 Abs. 4 AVG hat der Bescheid u. a. die Bezeichnung der Behörde zu enthalten.

Die Bezeichnung der Behörde ist ein wesentliches Merkmal, dessen Fehlen zur absoluten Nichtigkeit führt. Dem Erfordernis zur Bezeichnung der Behörde ist dann Rechnung getragen, wenn nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann - also unabhängig von der subjektiven Kenntnis seitens des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde. Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen. Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (vgl. die ständige hg. Rechtsprechung, referiert bei Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 15f. zu § 18 und Rz 11 zu § 56, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2015/03/0051).

Gegenständlich ist der obzitierten Niederschrift vom zweifelsfrei die den Bescheid erlassende Behörde (Bezirkshauptmannschaft Gmunden) zu entnehmen, und zwar sowohl aus der Kopfzeile der den Bescheid beurkundenden Niederschrift als auch aus der Einleitung des Spruches ("Ausstellungsbehörde") . Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, es liege mangels Bezeichnung der Behörde kein Bescheid vor und die Beschwerde sei daher zurückzuweisen, ist somit schlichtweg verfehlt.

4. Für das fortzusetzende Verfahren wird aus verfahrensökonomischen Gründen überdies auf Folgendes hingewiesen:

Mit dem genannten Bescheid vom wurde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen befristet und unter der Auflage einer Nachuntersuchung mit Haarprobe "erteilt" (ebenso wie mit dem vom Verwaltungsgericht zwischenzeitig aufgehobene Bescheid vom ). Nach dem Akteninhalt (Auszug aus dem Führerscheinregister) ist der Revisionswerber jedoch seit dem Jahr 2004 im Besitz einer Lenkberechtigung (dementsprechend findet sich im Akt auch kein Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung).

Sollte aber Gegenstand der behördlichen Entscheidung nicht die Erteilung einer Lenkberechtigung (iSd 2. und 3. Abschnittes des FSG), sondern die - nachträgliche - Einschränkung der bestehenden Lenkberechtigung (5. Abschnitt des FSG) des Revisionswerbers (durch Befristung und Vorschreibung einer Auflage) sein, so handelte es sich dabei um eine andere Sache (§ 24 Abs. 1 Z 2 FSG), was im Spruch entsprechend zum Ausdruck zu bringen wäre. In diesem Fall wären im fortzusetzenden Verfahren die Voraussetzungen für die Vorschreibung von Kontrolluntersuchungen und für die Befristung der Lenkberechtigung (nach Ergänzung des ärztlichen Gutachtens, aus welchen Gründen mit einer Haarprobe und nicht mit einer Harnuntersuchung das Auslangen gefunden werden kann) neuerlich zu beurteilen, wobei insbesondere § 14 Abs. 5 FSG-GV (für den Fall, dass die Suchtgiftabhängigkeit des Revisionswerbers nicht mehr bestehen sollte) und im Kontext auch § 2 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV zu beachten wären (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2016/11/0088). Einer diesbezüglichen Einschränkung der bestehenden Lenkberechtigung des Revisionswerbers steht das erwähnte rechtskräftige Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom (Spruchteil B) schon deshalb nicht entgegen, weil mit diesem, wie erwähnt, in einer anderen Sache (Erteilung der Lenkberechtigung) entschieden wurde.

5. Der angefochtene Beschluss war nach dem Gesagten (oben Pkt. 3) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §5 Abs5;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;
FSG-GV 1997 §2 Abs1;
Schlagworte
Behördenbezeichnung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016110103.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAE-70038