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VwGH vom 03.11.2010, 2007/18/0248

VwGH vom 03.11.2010, 2007/18/0248

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des D N in W, geboren am , vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 705/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, nach dem Fremdengesetz 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Beschwerde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0719, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil der genannte Bescheid in Ansehung der festgesetzten unbefristeten Gültigkeitsdauer mit dem Gesetz nicht im Einklang stand.

2. Mit dem vorliegend angefochtenen (Ersatz )Bescheid der belangten Behörde vom wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer befinde sich laut seinen Angaben seit 1993 im Bundesgebiet, wobei er ab dem (als von Mazedonien zugezogen) in W aufrecht gemeldet sei. Aus Kopien seines Reisepasses sei ersichtlich, dass er seit über eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Familienzusammenführung" verfügt habe. Am habe er einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten. Im Zweifel sei jedoch zu Gunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass er sich zum Zeitpunkt seiner ersten inländischen Meldung rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen und räuberischen Diebstahls (teils) durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und 2, § 130 (erster Satz erster Fall und zweiter Satz zweiter Fall), § 131 (erster Fall) und § 15 StGB sowie des Vergehens nach § 27 Suchtmittelgesetz - SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, dass er am Verfügungsberechtigten des Unternehmens B. EUR 2.574,-- Bargeld, am Verfügungsberechtigten des Unternehmens A. durch Einschlagen einer Scheibe eines Geschäftes eine Kassa mit Bargeld in Höhe von zumindest EUR 20,-- bis EUR 30,--, am einem anderen durch Einschlagen einer Scheibe eines Restaurants eine Kellnerbrieftasche mit EUR 525,-- Bargeld und eine Flasche B sowie am einer weiteren Person einen Rucksack und mehrere darin befindliche Gegenstände in einem nicht mehr feststellbaren Wert weggenommen habe, wobei er bei der letzten Straftat auf zwei Personen einzuschlagen versucht und mit diesen "gerangelt" habe, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten. Ferner habe er zwischen 18. Mai und Verfügungsberechtigten des Unternehmens M. durch Einbruch in einen Supermarkt, zwischen 22. Mai und Verfügungsberechtigten des Unternehmens G. durch Einschlagen eines Fensters und in der Nacht zum Verfügungsberechtigten des Unternehmens T. durch Einschlagen einer Glasscheibe einer Geschäftstür jeweils Bargeld wegzunehmen versucht. Der Beschwerdeführer habe dabei in der Absicht gehandelt, sich durch die (wiederkehrende Begehung der) strafbaren Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Außerdem habe er im Zeitraum von 1999 bis August 2002 Heroin und Kokain besessen.

Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen - so u. a. des § 60 Abs. 1 FPG - führte die belangte Behörde aus, dass angesichts des der Verurteilung zugrunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr (auch) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 (offensichtlich gemeint: Abs. 1) Z. 1 FPG erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer, der seit dem Jahr 1993 im Bundesgebiet lebe, habe im Bundesgebiet die zweite, dritte und vierte Klasse Hauptschule und danach eine Lehre als Einzelhandelskaufmann, welche er am erfolgreich abgeschlossen habe, absolviert. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Auf Grund des Umstandes, dass er bereits seit 1993 im Bundesgebiet aufhältig sei und hier seine Eltern lebten und arbeiteten, verfüge er in Österreich über enge familiäre Bindungen, sodass von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG auszugehen sei. Ungeachtet dessen sei die fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und der körperlichen Integrität sowie der Rechte und des Vermögens Dritter - dringend geboten. Aus den zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers ergebe sich insbesondere, dass er nicht in der Lage bzw. nicht gewillt sei, die zum Schutz maßgeblicher Rechtsgüter aufgestellten Normen einzuhalten. Auf Grund seiner Drogensucht habe er den Entschluss gefasst, durch die Begehung von Diebstählen und Einbruchsdiebstählen sein Einkommen aufzubessern. Er habe auch nicht davor zurückgeschreckt, Gewalt gegen zwei Personen anzuwenden, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten. Eine Verhaltensprognose könne für ihn keinesfalls positiv ausfallen. Dem halte der Beschwerdeführer entgegen, dass er im Anton-Proksch-Institut eine Langzeittherapie begonnen und diese erfolgreich im Jahr 2003 beendet habe. Seit 2004 besuchte er wöchentlich einzel- und gruppentherapeutische Sitzungen, um in all seinen Lebensbereichen abstinent zu bleiben. Zur Zeit arbeitete er als Kunsthandwerker in einer Werkstatt in W, wobei er plante, sich in den nächsten Monaten beruflich weiterzuentwickeln und wieder in seinem erlernten Beruf zu arbeiten. Nach der Therapie hätte er sich ein soziales Netz, Freundschaften und eine berufliche Orientierung aufgebaut. Er wäre seit als Arbeiter in einem Elektroanlagenbauunternehmen beschäftigt und bezöge ein Nettoeinkommen von ca. EUR 1.120,--.

In seiner Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass seiner Mutter am die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden wäre. Sie unterstützte ihn seit Jahren finanziell und durch persönlichen Beistand, gewährte ihm tatsächlich Unterhalt und hätte auch eine Unterhaltserklärung abgegeben. Seine Mutter wäre derzeit nicht erwerbsfähig und bezöge eine Berufsunfähigkeitspension. Auf Grund ihres schlechten psychischen und physischen Gesundheitszustandes bedürfte sie besonderer Pflege. In den letzten Jahren wäre sie unzählige Male stationär in verschiedenen Krankenanstalten aufhältig gewesen. So wäre sie auch am stationär im AKH aufgenommen worden und befände sich derzeit dort in Pflege. Es bestünde bei ihr auf Grund der komplexen gesundheitlichen Probleme ein besonderer Betreuungsbedarf. Insbesondere wäre sie auf die persönliche Pflege und den Beistand durch ihn angewiesen. Aus medizinischer Sicht wäre bestätigt worden, dass die unsichere familiäre Situation, insbesondere die drohende Aufenthaltsbeendigung des Sohnes (Beschwerdeführers), ihren Gesundheitszustand massiv beeinträchtigen würde. Bei der Mutter des Beschwerdeführers wäre unter anderem mehrfach eine behandlungsbedürftige chronifizierte reaktive Depression mit ausgeprägter Somatisierungsneigung diagnostiziert worden. Sie litte vor allem unter Schlaflosigkeit und chronischen urologischen Beschwerden. Es wäre mehrfach eine Psychotherapie bzw. Familientherapie dringend empfohlen worden. Aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen wäre daher die persönliche Pflege der Mutter durch den Beschwerdeführer zwingend erforderlich. Er wäre die einzige Bezugsperson für sie in Österreich. Er besuchte sie täglich im Krankenhaus und gäbe ihr jede erdenkliche Unterstützung.

Dieses Vorbringen - so die belangte Behörde weiter - könne jedoch nicht entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen, liege doch sein für die Verurteilung ausschlaggebendes, im Zeitraum von Mai bis August 2002 gesetztes Fehlverhalten bzw. jenes im Zusammenhang mit dem Besitz von Suchtmitteln noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen angenommen werden könnte, zumal bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß sei. Selbst wenn der Beschwerdeführer mittlerweile auf Grund der von ihm ins Treffen geführten Therapie von seiner Suchtgiftabhängigkeit befreit worden sein sollte, böte allein dieser Umstand noch keine Gewähr dafür, dass er nicht neuerlich gegen suchtmittelrechtliche Strafbestimmungen verstoßen und - wie in der Vergangenheit - Eigentumsdelikte zur Finanzierung dieser Drogenabhängigkeit begehen würde. Vor allem könne angesichts des kurzen Zeitraums, der seit der Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 2003 verstrichen sei, noch keine zuverlässige Prognose darüber abgegeben werden, ob die von ihm ins Treffen geführte Suchtgifttherapie von dauerhaftem Erfolg sein werde.

Bei der nach § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1993 und seine familiären Bindungen im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt werde. Auch die Bindung zu seinen Eltern (insbesondere seiner Mutter) werde durch den Umstand, dass er erwachsen sei, relativiert. Im Übrigen könne er den Kontakt zu seinen Eltern dadurch aufrecht erhalten, dass er von diesen im Ausland besucht werde. Auch könne eine allfällige berufliche Integration nicht entscheidend zu seinen Gunsten ausschlagen.

Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das im dargestellten Gesamt(fehl)verhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes.

Dass die Mutter des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe, sei im gesamten Verfahren weder hervorgekommen, noch sei dies von ihm behauptet worden. Er sei somit nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen.

Da der Beschwerdeführer erst seit dem als niedergelassen anzusehen sei, komme ihm § 61 Z. 3 FPG nicht zugute. Auch sei er erst in seinem 13. Lebensjahr nach Österreich gekommen und daher nicht von klein auf im Inland aufgewachsen, sodass § 61 Z. 4 FPG der vorliegenden Maßnahme nicht entgegenstehe.

Im Hinblick auf die Art, Vielzahl und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und die damit verbundene Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.

In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des nunmehr festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Vorauszuschicken ist, dass der vorliegend angefochtene Bescheid nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt dessen Erlassung zu beurteilen ist.

1.2. In Anbetracht der unbestrittenen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.3. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - von 1999 bis August 2002 Heroin und Kokain besessen hat sowie insbesondere - wie oben (I. 1.) dargestellt - in der Zeit vom bis eine Reihe von Eigentumsdelikten verübt hat. Dabei hat er auch nicht vor Gewaltanwendung gegen zwei Personen zurückgeschreckt, um sich die gestohlenen Sachen zu erhalten. In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die Ansicht der belangten Behörde, dass der seither (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) verstrichene Zeitraum des Wohlverhaltens noch nicht ausreichend erschien, um von einem Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die öffentlichen Interessen ausgehen zu können, nicht zu beanstanden. Auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass erst nach einem längeren Zeitraum des Wohlverhaltens eine zuverlässige Prognose darüber abgegeben werden könne, ob die von ihm ins Treffen geführte Suchttherapie von dauerhaftem Erfolg sein werde, begegnet auf dem Boden der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0089, mwN) keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG und bringt vor, dass das Aufenthaltsverbot nicht nur für den Beschwerdeführer, sondern auch für dessen Mutter äußerst schwerwiegende Auswirkungen haben würde. Diese stehe bereits seit längerer Zeit wegen Depressionen in Behandlung. Der Beschwerdeführer sei die einzige Bezugsperson seiner erkrankten Mutter und kümmere sich um diese. Seine Außerlandesschaffung würde deren Zustand verschlechtern. Insbesondere übergehe die belangte Behörde die ihr mit Schriftsatz vom (offensichtlich gemeint: 2006) zur Kenntnis gebrachte Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Grund der schweren Erkrankung der Mutter des Beschwerdeführers. Obwohl der belangten Behörde Aufenthaltsbestätigungen des Sozialmedizinischen Zentrums Baumgartner Höhe, des Wilhelminenspitals und des AKH vorgelegt worden seien und die Mutter des Beschwerdeführers am (offensichtlich gemeint: 2006) wieder stationär aufgenommen worden sei, gehe die belangte Behörde von der Möglichkeit der Fortführung des Familienlebens durch Besuche der Eltern des Beschwerdeführers in Mazedonien aus. Die belangte Behörde übersehe dabei, dass seiner Mutter derartige Besuche auf Grund ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht möglich und nicht zumutbar seien. Die belangte Behörde habe es unterlassen, weitere Erhebungen über den Gesundheitszustand der Mutter des Beschwerdeführers durchzuführen und ihm dazu Parteiengehör zu gewähren. Erst nach Kenntnis des aktuellen Gesundheitszustandes seiner Mutter wäre die belangte Behörde in der Lage gewesen, die gebotene Interessenabwägung vorzunehmen.

2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Der Beschwerdeführer hat im fortgesetzten Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom (u.a.) eine Reihe von ärztlichen Berichten und Bestätigungen vorgelegt und dazu vorgebracht, dass seine Mutter auf Grund ihres schlechten psychischen und physischen Gesundheitszustandes der besonderen Pflege bedürfe und in den letzten Jahren unzählige Male stationär in verschiedenen Krankenanstalten aufhältig gewesen sei. So sei sie auch am stationär im AKH aufgenommen worden und befinde sich derzeit dort in Pflege. Es bestehe bei ihr auf Grund der komplexen gesundheitlichen Probleme ein besonderer Betreuungsbedarf. Insbesondere sei seine Mutter auf die persönliche Pflege und den Beistand durch ihn angewiesen, und es sei aus medizinischer Sicht bestätigt worden, dass die drohende Aufenthaltsbeendigung den Gesundheitszustand seiner Mutter massiv beeinträchtige. Bei seiner Mutter sei (u.a.) mehrfach eine behandlungsbedürftige chronifizierte reaktive Depression mit ausgeprägter Somatisierungsneigung diagnostiziert worden. Mehrfach sei eine Psychotherapie bzw. Familientherapie dringend empfohlen worden. Es sei daher aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen die persönliche Pflege seiner Mutter durch den Beschwerdeführer zwingend erforderlich. Dieser sei die einzige Bezugsperson für seine Mutter in Österreich. Er besuche sie täglich im Krankenhaus und gebe ihr jede erdenkliche Unterstützung.

Im Rahmen ihrer Beurteilung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde zu diesem Vorbringen ausgeführt, dass es nicht entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht falle, weil das für seine Verurteilung ausschlaggebende, im Zeitraum von Mai bis August 2002 gesetzte Fehlverhalten bzw. jenes im Zusammenhang mit dem Besitz von Suchtmitteln noch nicht so lange zurückliege, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen angenommen werden könnte. Auch sei die Bindung des Beschwerdeführers insbesondere zu seiner Mutter durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer erwachsen sei, relativiert. Im Übrigen könne er den Kontakt zu seinen Eltern dadurch aufrecht erhalten, dass er von diesen im Ausland besucht werde.

Vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 66 Abs. 2 FPG, wonach bei der Abwägung nach dieser Bestimmung auch auf die Interessen der Familienangehörigen des Fremden Bedacht zu nehmen ist, reichen diese Ausführungen der belangten Behörde für eine Beurteilung des Gesundheitszustandes der Mutter des Beschwerdeführers und der behaupteten Notwendigkeit seiner weiteren Anwesenheit im Bundesgebiet für die gebotene Interessenabwägung nicht aus. Ob die vorzitierten Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Erst auf dem Boden ergänzender Feststellungen zum Gesundheitszustand der Mutter des Beschwerdeführers und der Notwendigkeit deren Betreuung durch ihn wird eine verlässliche Beurteilung der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Mutter sowie dazu, ob insbesondere deren persönliche Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführer im Bundesgebiet die gegenläufigen öffentlichen Interessen überwögen, möglich sein.

3. Der angefochtene Bescheid, der sich hinsichtlich des darin festgestellten Sachverhaltes als in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig erweist und dem ein wesentlicher Begründungsmangel anhaftet, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-70025