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VwGH vom 27.09.2010, 2009/22/0048

VwGH vom 27.09.2010, 2009/22/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 316.269/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde ein vom Beschwerdeführer, einem serbischen Staatsangehörigen, am zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner österreichischen Ehefrau gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer nach illegaler Einreise nach Österreich hier seit gemeldet sei; er sei noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Republik Österreich gewesen.

Der Beschwerdeführer habe am in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Den gegenständlichen Antrag habe er am eingebracht, wobei er sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 21 Abs. 1 und 2 Z. 1 sowie 72 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung des vorliegenden Antrages, der ein Erstantrag sei, entgegenstehe. Im Hinblick auf § 72 NAG sei zu bemerken, dass der Beschwerdeführer mit seinem "allgemein gehaltenen Berufungsvorbringen bezüglich humanitärer Gründe" seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 29 Abs. 1 NAG nicht nachgekommen sei. Im vorliegenden Fall werde daher festgestellt, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass er noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat, sodass die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag um einen Erstantrag im Sinn des § 21 Abs. 1 NAG handle, keinen Bedenken begegnet. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte der Beschwerdeführer daher an sich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch - etwa auf Familiennachzug - besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0307, mwN).

In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerde unter anderem auf das in der Berufung zu humanitären Gründen erstattete Vorbringen, welches bei Zugrundelegung entsprechender Feststellungen der Verpflichtung zur Stellung des Antrags im Ausland entgegenstehe.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

In seiner Berufung gegen den Bescheid erster Instanz - mit dem der Antrag des Beschwerdeführers ebenfalls gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen wurde - brachte der Beschwerdeführer an humanitären Gründen, "von dem Erfordernis der Antragstellung im Ausland Abstand zu nehmen", (neben den im angefochtenen Bescheid ohnehin festgestellten Umständen der Dauer seines Aufenthalts und seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin) vor, dass er als Angehöriger der Volksgruppe der Roma in Serbien keine Existenzmöglichkeit habe und eines seiner Kinder in Österreich lebe.

Diesem Vorbringen kann allerdings bei der im Rahmen der Prüfung, ob humanitäre Gründe in dem beschriebenen Sinn vorliegen, vorzunehmenden Gesamtbetrachtung aller vom Fremden geltend gemachten Bindungen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN) und im Hinblick auf die in § 72 NAG angesprochenen besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen des Fremden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0476) rechtliche Bedeutung zukommen.

Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage dazu keine Feststellungen getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; dieser war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-70017