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VwGH vom 27.09.2010, 2009/22/0047

VwGH vom 27.09.2010, 2009/22/0047

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/22/0056 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Ralf Mössler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 11/7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 149.543/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines chinesischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig über Deutschland in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er unter dem Namen H Z einen Asylantrag eingebracht. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom in erster Instanz "rechtskräftig negativ entschieden" worden. Mit selbem Datum sei die dem Beschwerdeführer gewährte vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen widerrufen worden.

Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin L geheiratet. Den hier gegenständlichen Antrag habe er am persönlich bei der Bundespolizeidirektion Wien gestellt.

Der Antrag sei entgegen den Bestimmungen des - nunmehr anzuwendenden - NAG gestellt worden. Der Beschwerdeführer halte sich seit In-Kraft-Treten des NAG am und sohin auch zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung über seinen Antrag nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sohin stehe § 21 Abs. 1 NAG der Bewilligung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages entgegen.

Bei der von Amts wegen durchzuführenden Überprüfung, ob eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland nach § 74 NAG zuzulassen sei, könnten keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkannt werden, weil weder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts im Antrag des Beschwerdeführers oder seiner Berufung behauptet werde noch stichhaltige Gründe für die Annahme vorlägen, das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers sei aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht. Ein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei entbehrlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge - ein solcher liegt hier unbestritten vor - vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er wäre nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen, so ist er darauf hinzuweisen, dass ihm die belangte Behörde die im Inland erfolgte Antragstellung nicht zum Vorwurf gemacht, sondern tragend darauf abgestellt hat, dass er nach In-Kraft-Treten des NAG () die Entscheidung über den Antrag entgegen § 21 Abs. 1 letzter Satz NAG im Inland abgewartet hat.

Dass dies nicht der Fall gewesen oder der Beschwerdeführer dazu berechtigt gewesen wäre, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Somit begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Bewilligung des gegenständlichen Antrages stehe § 21 Abs. 1 NAG entgegen, keinen Bedenken.

Gemäß § 74 NAG kann die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden. Nach § 72 Abs. 1 NAG kann den im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1 NAG), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.

Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0412, mwN).

Diese Rechtslage verkennend hat die belangte Behörde allein darauf abgestellt, ob asylrelevante Gründe oder Gründe, welche die Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers nach Art. 3 EMRK hindern würden, vorlägen. Jedoch lehnte sie es von vornherein ab, auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers einzugehen und eine Prüfung mit Blick auf Art. 8 EMRK durchzuführen, was nach dem Gesagten aber erforderlich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang traf die belangte Behörde auch keine näheren Feststellungen, die diese Beurteilung ermöglicht hätten, obwohl der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht hätte, es sei ihm nicht möglich, nach China zurückzukehren, um dort den Antrag zu stellen und auf die Erledigung zu warten, weil er seine "Arbeit verlieren" würde, von seiner Familie getrennt würde und er nicht wüsste, was er ohne Familie "in China machen sollte".

Mit Blick auf die aus dem Akt hervorgehenden Beschäftigungsverhältnisse, die seit Oktober 2005 bestehende aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und den bereits seit dem Jahr 1999 durchgehenden Aufenthalt in Österreich kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer einen aus Art. 8 EMRK ableitbaren Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels geltend machen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0287), was die Pflicht zur Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG nach sich zöge.

Demnach war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-70012