VwGH vom 07.08.2013, 2012/06/0142
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des J K und 2. der A K, beide in G, beide vertreten durch Hauslauer, Eberl, Hubner, Krivanec und Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 20704-07/647/6-2012, betreffend Aussetzung eines Bauverfahrens (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. T W und 2. P W, beide vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48; 3. Marktgemeinde G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom suchten die beschwerdeführenden Parteien um einen Aus- und Umbau, eine Erweiterung sowie die Errichtung von Nebenanlagen des Hotels "H" auf den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken 111/9, 111/10 und 112 auf dem Gebiet der drittmitbeteiligten Marktgemeinde an.
Der Erstmitbeteiligte ist Eigentümer des nordwestlich des Baugrundstückes gelegenen Straßengrundstückes 111/11, der Zweitmitbeteiligte ist Eigentümer des westlich gelegenen Grundstücks Nr. 111/6. Laut Ausführungen im Bescheid des Bezirkshauptmannes S vom erhoben der Erst- und Zweitmitbeteiligte Einwendungen gegen das Bauvorhaben (diese liegen den Verwaltungsakten nicht bei). Nach Ausführungen, die sich gegen den Bebauungsplan wandten, brachten sie zum gegenständlichen Projekt vor, dieses sei zu hoch, wodurch die Besonnung ihrer Grundstücke während der Wintermonate massiv beeinträchtigt werde, was sich negativ auf das Leben und die Gesundheit auswirke. Die Grundparzellen 111/10 und 112 seien nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen; diese hätten keine Dienstbarkeit an der Straßenparzelle 111/11; ein Geh- und Fahrtrecht habe nur die Grundparzelle 111/9. Eine Anlieferung für den gesamten Gastbetrieb über die Grundparzelle 111/9 werde nicht gestattet, weil dies der Weitergabe einer Dienstbarkeit gleichkäme. Es dürften keine Beeinträchtigungen durch Geruch und Abgase, insbesondere aus den Bereichen der Tiefgarage, der Küche und des Wellnessbereiches/Hallenbades, erfolgen. Darüber hinaus würden eine Beweissicherung hinsichtlich des betroffenen Straßenabschnittes und ein Sichtschutz in Form einer geeigneten Bepflanzung gefordert.
Mit Bescheid vom erteilte der Bezirkshauptmann S die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Zu den Einwendungen des Erst- und Zweitmitbeteiligten führte die Behörde aus, bei der Bauplatzerklärung der Grundparzelle 111/7 sei ein fünf Meter breiter Streifen vom Grundstück 111/1 dauernd dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden. Diese öffentliche Privatstraße habe aufgrund späterer Grundstücksteilungen nun die Grundstücksnummer 111/11. Aus öffentlich-rechtlicher Sicht stehe die Inanspruchnahme der dem öffentlichen Verkehr dienenden Flächen auch den Bauwerbern zu, und zwar selbst dann, wenn über die zivilrechtlichen Folgen einer Inanspruchnahme noch kein Einvernehmen hergestellt worden sei. Die inhaltliche und formelle Prüfung eines Bebauungsplanes stehe der Behörde nicht zu. Dieser könne nur bei den Höchstgerichten angefochten werden. Die Einhaltung der im Bebauungsplan enthaltenen Festlegungen sei nicht angezweifelt worden. Aufgrund schlüssiger und nachvollziehbarer Gutachten der Amtssachverständigen entspreche das Vorhaben dem Stand der Technik; durch projektierte Maßnahmen und konkrete Auflagen seien unzumutbare Belästigungen für die Nachbarn nicht zu erwarten.
Der Erst- und Zweitmitbeteiligte wiederholten in ihrer Berufung vom ihre Kritik am Zustandekommen der Bebauungsgrundlagen und des Bebauungsplanes und brachten neuerlich vor, dass die Grundstücke 112 und 111/10 keine Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz hätten. Eine Öffentlicherklärung der Privatstraße Grundstück 111/11 sei nicht erfolgt. Der Erst- und Zweitmitbeteiligte hätten nunmehr einen Antrag gemäß § 40 Abs. 2 Landesstraßengesetz 1972 (LStG 1972) gestellt. Die Errichtung der projektgegenständlichen Tiefgarage mit immerhin 48 Stellplätzen sei nicht mit § 39d Bautechnikgesetz (BauTG) vereinbar. Durch die Zu- und Abfahrt zur bzw. aus der Tiefgarage würden der Erst- und Zweitmitbeteiligte in einem Umfang belästigt und gefährdet, der das örtlich zumutbare Maß bei Weitem übersteige.
Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) setzte die belangte Behörde das Verfahren betreffend die Berufung des Erst- und Zweitmitbeteiligten gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes S vom gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das beim Bürgermeister der drittmitbeteiligten Marktgemeinde anhängige Verfahren gemäß § 40 Abs. 2 LStG 1972 betreffend das Grundstück 111/11 aus. Dies begründete sie damit, dass gemäß § 14 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) eine Bauplatzerklärung zu versagen sei, wenn eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr nicht gewährleistet sei. Den Verwaltungsakten sei nicht zu entnehmen, dass die Privatstraße auf der Grundparzelle 111/11 zu einer öffentlichen Straße erklärt worden sei. Der Erst- und Zweitmitbeteiligte hätten mit Schriftsatz vom einen Antrag gemäß § 40 Abs. 2 LStG 1972 eingebracht. Der Bürgermeister der drittmitbeteiligten Marktgemeinde habe nunmehr zu entscheiden, ob ein Öffentlichkeitsrecht auf Grundparzelle 111/11 bestehe. Diese Frage stelle eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG dar. Im Bauverfahren sei die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz im Sinn des § 14 BGG in Zweifel gezogen worden. Die Frage, ob die Grundparzelle 111/11 dem öffentlichen Verkehr diene, sei als Hauptfrage im Verfahren gemäß § 40 Abs. 2 LStG 1972 anhängig. Das Ergebnis dieses Verfahrens sei als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG für das Bauverfahren präjudiziell.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie der Erst- und Zweitmitbeteiligte - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im gegenständlichen Fall ist das Bebauungsgrundlagengesetz (BGG), LGBl. Nr. 69/1968, in der Fassung LGBl. Nr. 118/2009, anzuwenden. Dessen §§ 12a und 14 lauten (auszugsweise):
"Selbständige Bauplatzerklärung oder Bauplatzerklärung als Teil der Baubewilligung
§ 12a
(1) Die Bauplatzerklärung kann beantragt und erteilt werden:
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a) | als selbständiger Verwaltungsakt oder |
b) | als Teil der Baubewilligung, wenn |
- | ein Bebauungsplan der Grundstufe besteht, - es sich bei der Grundfläche um eine Baulücke handelt oder |
- | für die Grundfläche eine Einzelbewilligung gemäß § 46 ROG 2009 vorliegt. |
(2) Partei im Bauplatzerklärungsverfahren (Abs 1 lit a) ist nur der Eigentümer der in Betracht kommenden Grundfläche. Dem Eigentümer ist eine Person gleichzuhalten, die einen Rechtstitel nachweist, der für die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes an der Grundfläche geeignet ist.
(3) Das Ansuchen um Baubewilligung kann im Fall des Abs 1 lit b nur vom Eigentümer der Grundfläche oder einer gemäß Abs 2 zweiter Satz gleichzuhaltenden Person gestellt werden. Dem Ansuchen sind die im § 13 Abs 1 genannten Unterlagen anzuschließen und auf Verlangen der Baubehörde die Unterlagen gemäß § 13 Abs 2 nachzureichen. Die Baubewilligung ist über die Versagungsgründe des § 9 Abs 1 BauPolG hinaus auch zu versagen, wenn
a) trotz Erfordernis kein Bebauungsplan der Grundstufe und der Aufbaustufe besteht und die Grundfläche keine Baulücke ist und keine Einzelbewilligung gemäß § 46 ROG 2009 vorliegt; oder
b) ein Versagungsgrund des § 14 Abs 1 lit c oder d oder, wenn kein Bebauungsplan der Grundstufe besteht, des § 14 Abs 1 lit b, c oder d vorliegt. In bezug auf diese Prüfung ist nur der Antragsteller Partei im Baubewilligungsverfahren. Die Bauplatzerklärung ist in den Spruch des Bescheides als von der Baubewilligung gesonderter Teil aufzunehmen.
(4) Für das Erlöschen und die Änderung der Bauplatzerklärung als Teil der Baubewilligung gelten die §§ 22, 24 und 24a.
Entscheidung über das Ansuchen
§ 14
(1) Die Bauplatzerklärung ist zu versagen, wenn die Grundfläche vom Standpunkt des öffentlichen Interesses für die Bebauung ungeeignet erscheint. Dies ist der Fall, wenn
a) die Bebauung der Grundfläche dem Flächenwidmungs- oder dem Bebauungsplan widersprechen würde oder für die Grundfläche trotz Erfordernis kein Bebauungsplan der Grundstufe und auch der Aufbaustufe besteht. Das Fehlen eines Bebauungsplanes stellt dann keinen Versagungsgrund dar, wenn
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- | es sich bei der Grundfläche um eine Baulücke handelt; |
- | es sich um die Errichtung einzelner Bauten in Streulage (das ist eine solche Entfernung von einem besiedelten Gebiet, dass ein Zusammenwachsen mit diesem auf längere Zeit nicht erwartet werden kann) handelt; |
- | es sich um Vorhaben, die unter § 36 ROG 2009 fallen, handelt; oder |
- | eine Einzelbewilligung gemäß § 46 ROG 2009 oder ein Fall des § 47 ROG 2009 vorliegt; |
b) | … |
d) | eine entsprechende Verkehrsverbindung der Grundfläche mit den öffentlichen Verkehrsflächen nicht sichergestellt ist. Als geeignet gilt hiebei nur eine selbst öffentliche Verkehrsfläche oder eine Verkehrsfläche, die in einer den Aufschließungsbestimmungen entsprechenden und gesicherten Weise die Verkehrsverbindung dauernd gewährleistet; |
e) | … |
(2) Liegen Gründe für eine Versagung nicht vor, so hat die Baubehörde die Bauplatzerklärung auszusprechen.
(3) …"
§ 7 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Baupolizeigesetz (BauPolG), LGBl. Nr. 40/1997, in der Fassung LGBl. Nr. 20/2010, lauten:
"Parteien
§ 7
(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber und außerdem
1. als Nachbarn
a) bei den im § 2 Abs 1 Z 1 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als die nach § 25 Abs 3 BGG maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 m3 haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung. Bei unterirdischen Bauten oder solchen Teilen von Bauten haben die Eigentümer jener Grundstücke Parteistellung, die von den Außenwänden weniger als zwei Meter entfernt sind;
…
2. die Eigentümer der Hauptversorgungseinrichtungen, die oder deren Sicherheitsabstand durch die geplante bauliche Maßnahme unmittelbar erfaßt werden.
(1a) Der Eigentümer des Grundstückes, auf dem die bauliche Maßnahme geplant ist, hat im Bewilligungsverfahren das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG).
(2) ...
Entscheidungen über das Bewilligungsansuchen
§ 9
(1) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig erscheint. Dies ist der Fall, wenn
1. die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung oder der jeweiligen Kennzeichnung widerspricht, sofern es sich nicht um eine im Einzelfall zulässige Verwendung (§§ 40 Abs 4, 46 und 47 ROG 2009) handelt;
2. die bauliche Maßnahme mit einem Bebauungsplan oder der Bauplatzerklärung nicht im Einklang steht;
2a. für die Grundfläche trotz Erfordernis keine Bauplatzerklärung besteht, es sei denn, die Bauplatzerklärung wird als Teil der Baubewilligung erteilt;
3. die bauliche Maßnahme den Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz zuwiderläuft;
4. die bauliche Maßnahme den sonstigen baurechtlichen Vorschriften, insbesondere den bautechnischen sowie den die gesundheitlichen Anforderungen und die Belange von Gestalt und Ansehen betreffenden, widerspricht;
5. die bauliche Maßnahme den von den Parteien gemäß § 7 Abs 1 Z 2 wahrzunehmenden Interessen erheblich widerspricht;
6. durch die bauliche Maßnahme ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz;
7. der Eigentümer eines von einem allfälligen Abbruchauftrag gemäß Abs 2 dritter und vierter Satz betroffenen Baues oder Bauteiles dem Abbruch widerspricht.
Liegen solche Gründe nicht vor, hat die Baubehörde die Bewilligung zu erteilen.
(1a) …"
§ 62 Bautechnikgesetz (BauTG), LGBl. Nr. 75/1976, in der Fassung LGBl. Nr. 31/2009, lautet:
"Subjektiv-öffentliche Rechte
§ 62
Folgende Bestimmungen dieses Gesetzes stellen im Baubewilligungsverfahren für Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte dar:
1. § 8 Abs. 1 hinsichtlich des Vortretens von Bauteilen in den Mindestabstand von den Grenzen des Bauplatzes;
2. § 8 Abs. 3 hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung der Straßenverwaltung bzw. der Gemeinde;
3. § 11 Abs. 2 hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung des Grundeigentümers;
4. § 15 Abs. 1 hinsichtlich der Einhaltung der Mindestentfernung von 1 m;
5. § 25 Abs. 5 hinsichtlich der Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände von der Bauplatzgrenze sowie hinsichtlich einer allfälligen Unterschreitung derselben;
6. § 34 Abs. 4 sowie § 53 Abs. 1 hinsichtlich der Einhaltung des Mindestabstandes von 2 m sowie hinsichtlich einer allfälligen Unterschreitung desselben;
7. § 39 Abs. 2 hinsichtlich der das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen der Nachbarn;
7a. § 39d Abs. 3 hinsichtlich der das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen der Nachbarn;
8. § 51 hinsichtlich einer Unterschreitung des Abstandes von 8 m;
9. § 52 Abs. 7 hinsichtlich einer Unterschreitung des Abstandes von 3 m;
10. § 56 Abs. 1 und 3, ausgenommen hinsichtlich der Interessen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes;
11. § 57 hinsichtlich der erheblich nachteiligen Wirkungen für benachbarte Grundstücke;
12. § 59, soweit in den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte verankert sind;
13. § 60, ausgenommen hinsichtlich der Interessen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes;
14. § 61, soweit es sich um Ausnahmen von Vorschriften handelt, die subjektiv-öffentliche Rechte berühren."
Die belangte Behörde hat den auf § 38 AVG gestützten, angefochtenen, (Aussetzungs )Bescheid auf Grund der Berufung der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid erlassen.
Die Berufungswerber (hier: erst- und zweitmitbeteiligte Parteien) sind in diesem Baubewilligungsverfahren Nachbarn und stützen ihre Parteistellung auf § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a BauPolG.
Allen österreichischen Bauordnungen ist gemeinsam, dass die Rechtsstellung des Nachbarn im baubehördlichen Bewilligungsverfahren beschränkt ist; der Nachbar hat nur dort ein durchsetzbares Mitspracherecht, wo seine durch baurechtliche Vorschriften geschützte Rechtssphäre bei Verwirklichung des Bauvorhabens beeinträchtigt werden könnte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0235, VwSlg. 17.343/A). Auch nach den baurechtlichen Vorschriften des Bundeslandes Salzburg ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/06/0303, u.v.a.). Soweit Bestimmungen des Sbg. Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976 (BauTG), in Betracht kommen, ist daher das Mitspracherecht des Nachbarn auf die in § 62 BauTG taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0091, m.w.N.).
Aus dem beschränkten Mitspracherecht des Nachbarn folgt, dass die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Baubewilligungsverfahren bei der Berufung eines Nachbarn auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieser ein Mitspracherecht besitzt. Die Berufungsbehörde ist nicht berechtigt, aus Anlass der Berufung eines Nachbarn andere Fragen als Rechtsverletzungen des Nachbarn aufzugreifen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/05/0104, und , Zl. 2000/06/0205, VwSlg. 15.823/A, u.v.a.).
Die Beschränkung des Mitspracherechtes des Nachbarn im Bauverfahren bringt es also mit sich, dass die Berufungsbehörde infolge einer Berufung des Nachbarn keine Aspekte aufgreifen darf, zu denen der Nachbar kein Mitspracherecht hat. Die Berufungsbehörde ist daher in solchen Fällen nicht berechtigt, den bekämpften Bescheid deshalb aufzuheben (oder abzuändern), weil er ihrer Ansicht nach bestimmten, ausschließlich von der Behörde wahrzunehmenden (im öffentlichen Interesse liegenden) Vorschriften widerspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0063).
Ausgehend davon erweist sich der angefochtene Bescheid aus folgenden Gründen als rechtswidrig:
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, selbst zu beurteilen oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Bei einer Vorfrage handelt es sich um eine Frage, für deren Lösung die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Schlussfassung berücksichtigt werden muss; die Beantwortung der Vorfrage liefert ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die Entscheidung in der Hauptsache (vgl. die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 1 und E 5 zu § 38 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde setzte das Bauverfahren gemäß § 38 AVG aus, weil ihrer Ansicht nach die Entscheidung gemäß § 40 LStG 1972, ob die Privatstraße auf der Grundparzelle 111/11 dem öffentlichen Verkehr dient, als Vorfrage präjudiziell für das gegenständliche Bauverfahren sei.
Die Frage der Anbindung eines Baugrundstückes an das öffentliche Verkehrsnetz ist jedoch nicht im Rahmen einer Entscheidung über das Bewilligungsansuchen gemäß § 9 BauPolG zu beurteilen, sondern ist Gegenstand des Verfahrens über die Bauplatzerklärung (§ 14 Abs. 1 lit. d BGG). Aus § 14 Abs. 1 lit. d BGG lassen sich keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG ableiten (vgl. die Ausführungen in Giese , Salzburger Baurecht, Rz 33 zu § 9 BauPolG, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/06/0089).
Im Baubewilligungsverfahren ist gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 BauPolG zu prüfen, ob die bauliche Maßnahme mit dem Bebauungsplan oder der Bauplatzerklärung im Einklang steht. Im vorliegenden Fall erfolgte die Bauplatzerklärung als selbständiger Verwaltungsakt (§ 12a Abs. 1 lit. a BGG) mit Bescheid des Landeshauptmannes S vom . In einem solchen selbständigen Bauplatzerklärungsverfahren hat nur der Eigentümer der betroffenen Grundfläche - im gegenständlichen Verfahren somit die beschwerdeführenden Parteien - Parteistellung. Diese verzichteten jedoch ausdrücklich auf ein Rechtsmittel, sodass mit diesem Bescheid - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - eine rechtskräftige Bauplatzerklärung für das verfahrensgegenständliche Baugrundstück erlassen wurde.
Da Nachbarn gemäß § 12a Abs. 2 BGG im Verfahren zur selbständigen Bauplatzerklärung keine Parteistellung haben, entfaltet die Bauplatzerklärung ihnen gegenüber auch keine Rechtswirkungen. Sie sind daher berechtigt, ihre mit der Bauplatzerklärung im Zusammenhang stehenden subjektiv-öffentlichen Einwendungen im Baubewilligungsverfahren zu erheben. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die baulichen Anlagen ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Wurden in der Bauplatzbewilligung Bestimmungen vorgesehen, die auch dem Interesse der Nachbarn dienen, können sie sich auf diese Bestimmungen im Baubewilligungsverfahren berufen (vgl. Hauer , Der Nachbar im Baurecht6, S. 487, mit Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 123/97, Slg. 15123 zu § 18 Steiermärkische Bauordnung). Sie sind jedoch nicht darauf beschränkt, bloß die Einhaltung der Festlegungen in der Bauplatzerklärung zu verlangen (vgl. Giese , a.a.O., Anm. 8 zu § 12a BGG; sowie Hauer , a.a.O., S. 486, zu der Oberösterreichischen Bauordnung). Subjektiv-öffentliche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht der Nachbarn auf die in § 62 BauTG taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt.
Im vorliegenden Fall brachten der Erst- und Zweitmitbeteiligte in ihrer Berufung vom lediglich vor, die Bebauungsgrundlagen bzw. der Bebauungsplan seien gesetzwidrig, wodurch ihre Grundstücke insbesondere hinsichtlich Besonnung negativ beeinflusst würden; die Privatstraße auf dem Straßengrundstück 111/11 sei keine Privatstraße mit öffentlichem Verkehr; die Grundstücke 111/10 und 112 verfügten über keine Zufahrtsberechtigung, somit liege keine Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz vor; im erstinstanzlichen Verfahren sei auch nicht beurteilt worden, ob die Bestimmungen des Bautechnikgesetzes zur projektgegenständlichen Tiefgarage mit immerhin 48 Stellplätzen eingehalten würden; durch die geplante Ein- und Ausfahrt in die bzw. aus der gegenständlichen Tiefgarage werde die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt.
Mit diesem Berufungsvorbringen machten der Erst- und Zweitmitbeteiligte keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte geltend. Weder hinsichtlich einer ausreichenden Versorgung mit Tages- bzw. Sonnenlicht noch der Schaffung von KFZ-Pflichtstellplätzen oder der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs besteht ein Mitspracherecht von Nachbarn im Baubewilligungsverfahren (vgl. dazu die in Giese , aaO, Anm. 5 zu § 62 BauTG zitierte hg. Judikatur). Auch in Bezug auf das Vorliegen einer entsprechenden Verkehrsverbindung des Grundstückes mit den öffentlichen Verkehrsflächen (§ 14 Abs. 1 lit. d BGG) besteht kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/06/0226, mwN). Selbst wenn der Erst- und Zweitmitbeteiligte in ihren Einwendungen - was nicht abschließend beurteilt werden kann, weil diese den Verwaltungsakten nicht beiliegen - noch subjektivöffentliche Nachbarrechte geltend gemacht haben sollten, stützten sie sich in der Berufung jedenfalls ausschließlich auf Gründe, hinsichtlich derer ihnen keine Parteistellung und somit auch keine Rechtsmittelbefugnis zukommt. Der Berufung wäre daher jedenfalls der Erfolg zu versagen gewesen (vgl. dazu die Ausführungen bei Hauer , a.a.O., S. 163).
Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass der Ausgang des Verfahrens gemäß § 40 LStG 1972 auf die Rechtsstellung der berufenden Nachbarn keinen Einfluss haben kann. Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, das anhängige Verfahren deshalb gemäß § 38 AVG auszusetzen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am