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VwGH vom 27.09.2010, 2009/22/0036

VwGH vom 27.09.2010, 2009/22/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 147.257/3-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem indischen Staatsangehörigen, am - noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 (FrG) - eingebrachten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Über diesen sei mit Bescheid vom "rechtskräftig negativ entschieden" worden. Der Beschwerdeführer sei nach asylrechtlichen Bestimmungen vorläufig zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Seit Abschluss des Asylverfahrens halte er sich unrechtmäßig in Österreich auf.

Am habe der Beschwerdeführer in Wien die österreichische Staatsbürgerin S geheiratet. Er sei seit beinahe durchgehend unselbständig beschäftigt.

Nach § 21 Abs. 1 NAG - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - hätte der Beschwerdeführer seinen Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen. Die Voraussetzungen für die Anwendung eines der Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 2 NAG lägen nicht vor. Da sich der Beschwerdeführer seit , dem "Folgetag der rechtskräftigen Asylentscheidung", und auch im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Entscheidung über seinen Antrag nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG der Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen.

Bei der nach den §§ 72, 74 NAG vorzunehmenden Überprüfung seien humanitäre Gründe nicht festzustellen gewesen. In Anbetracht der Abweisung des Asylantrages stehe fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 ausgesetzt sei. In der Berufung sei lediglich allgemein und gänzlich unkonkret vorgebracht worden, dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr nach Indien unmöglich. Infolge des gänzlich unkonkreten Vorbringens seien daher weitere Erhebungen unterblieben. Auch könnten in der aus dem bisherigen Aufenthalt resultierenden Integration keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG gesehen werden. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei zum überwiegenden Teil unrechtmäßig. Dem Gewicht einer Integration komme zudem auf Grund des langjährigen Aufenthalts, der lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen sei, bloß geminderter Stellenwert zu. Auch stelle die Ehe mit einer Österreicherin keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG dar. Sohin werde die Inlandsantragstellung nicht nach § 74 NAG zugelassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles mit Blick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.

Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag (§ 2 Abs. 2 Z 13 NAG) handle, begegnet sohin keinen Bedenken. Dem in § 21 Abs. 1 NAG verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte der Beschwerdeführer jedenfalls - dies wurde ihm von der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht - die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abwarten müssen.

Soweit sich der Beschwerdeführer inhaltlich auf die Ausnahmebestimmung des § 21 Abs. 2 Z 2 NAG beruft, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich ein nur nach asylrechtlichen Vorschriften vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesener ehemaliger Asylwerber auf diese Ausnahmebestimmung nicht berufen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2008/22/0264, und vom , 2008/22/0265 bis 0267, jeweils mwN). Auch ist dem Beschwerdeführer, der mit seinem weiteren Vorbringen die Ausnahmebestimmung des § 21 Abs. 2 Z 1 NAG vor Augen hat, entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung hier schon mangels rechtmäßiger Einreise keine Anwendung finden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/18/0015).

Das Recht den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel im Inland stellen und - fallbezogen relevant - die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 iVm § 72 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0287, mwN).

Art. 8 EMRK verlangt eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des besagten persönlichen Interesses ist aber auch auf die Auswirkungen, die die fremdenpolizeiliche Maßnahme auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ebenfalls das bereits genannte Erkenntnis 2008/22/0287, mwN).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den im Bescheid enthaltenen Teil der Begründung wendet, dass ein "weiteres Eingehen auf Ihre persönlichen Verhältnisse, auch im Hinblick auf Art. 8 MRK, entbehrlich" sei, so ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde trotz dieses im Bescheid (auch) enthaltenen Begründungsduktus eine Prüfung nach Art. 8 EMRK vorgenommen hat. In solchen Fällen kann dem zitierten Teil der Bescheidbegründung kein eigenständiger Begründungswert zugemessen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2009/22/0022, und vom , 2008/22/0688).

Zwar ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde der familiären Bindung an einen österreichischen Ehepartner bei der Interessenabwägung großes Gewicht beizumessen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis 2008/22/0287, mwN). In Anbetracht dessen, dass der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers weniger als fünf Jahre betrug, als stets unsicher einzustufen war und der Beschwerdeführer daher nicht auf einen Verbleib im Bundesgebiet hoffen durfte, kann aber weder der bisherigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers noch der seit September 2005 aufrechten Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, ein derart ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden, sodass die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels infolge eines aus Art. 8 EMRK resultierenden Anspruches geboten wäre.

Wenn der Beschwerdeführer unter dem Aspekt fehlender Feststellungen vorbringt, die belangte Behörde hätte sich hinsichtlich des von ihr angenommenen Fehlens einer Verfolgung in seinem Heimatland nicht auf eine von der Asylbehörde getroffene Entscheidung stützen dürfen, weil er den Asylantrag zurückgezogen und es somit keine Grundlage für eine Entscheidung im Asylverfahren gegeben habe, so kommt dem schon deswegen keine Relevanz zu, weil in der Beschwerde nicht dargelegt wird, welche für den Beschwerdeführer günstigen Feststellungen zu Treffen gewesen wären. Dies gilt auch für das (schon im Verwaltungsverfahren und nunmehr auch) in der Beschwerde gänzliche unkonkretisiert gebliebene Vorbringen, die belangte Behörde hätte Feststellungen dazu treffen müssen, welche Bindungen der Beschwerdeführer noch zu seinem Heimatland aufweise.

Demnach kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigenden Falles im Sinn des § 72 NAG verneint, (fallbezogen) das Abwarten der Entscheidung über den Antrag im Inland nicht gemäß § 74 NAG von Amts wegen zugelassen, und die Antragsabweisung auf § 21 Abs. 1 NAG gestützt hat.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-69959