VwGH vom 18.10.2012, 2012/06/0125

VwGH vom 18.10.2012, 2012/06/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des A S in W, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B-12.10-W127/2012-29, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: K S in W, vertreten durch Dr. Gerhard Petrowitsch, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Kadagasse 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines bebauten Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde und beantragte mit Eingabe vom die Erteilung der (nachträglichen) baubehördlichen Bewilligung zu einem Zubau zum bestehenden Wohnhaus (es gibt einen weiteren, früheren Zubau, der aber nicht Gegenstand des Bauverfahrens ist). Das Grundstück des Beschwerdeführers grenzt, soweit für den Beschwerdefall erheblich, im Nordosten an das Grundstück Nr. 175/3 des Mitbeteiligten. Es handelt sich dabei um ein langgestrecktes, schmales, an seinem nordwestlichen Ende spitz zulaufendes Grundstück (von dem im Verwaltungsverfahren festgestellt wurde, dass es im relevanten Bereich zwischen 50 cm und 1 m breit ist), das seinerseits an eine Gemeindestraße grenzt. In der Natur handelt es sich dabei (im hier relevanten Bereich) um einen Teil der vom Baugrundstück zur Gemeindestraße abfallenden Böschung.

Den gemeindebehördlichen Akten ist zu entnehmen, dass der Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Mitbeteiligten zunächst unklar war, sodass die Baubehörde den Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens abwartete. Nach dem Verlauf der Katastergrenze ragt der bereits tatsächlich errichtete Zubau zum Teil (mit einer Ecke) in das Grundstück des Mitbeteiligten. Es handelt sich (auch projektgemäß) um einen eingeschossigen, teilweise unterkellerten Zubau mit Fenstern in der zum Grundstück des Mitbeteiligten gerichteten Front. Diese Front verläuft schräg zur genannten Katastergrenze (und ragt, wie gesagt, mit einer Ecke über die Katastergrenze).

Der Mitbeteiligte wendete im Bauverfahren zunächst ein, der Zubau befinde sich teilweise auf seinem Grundstück, er habe hiezu niemals seine Zustimmung erteilt. Er spreche sich deshalb gegen die Bauführung aus, wobei auch der erforderliche Abstand von der Grenze nicht eingehalten worden sei.

Nach dem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens erteilte der Bürgermeister mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung und erachtete die Einwendungen des Mitbeteiligten als unbegründet. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, heißt es zur Begründung, auf Grund der ungeklärten Grenzsituation sei das Bauverfahren zunächst bis zur Entscheidung eines (im Jahr 2003 anhängig gemachten) gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt worden. Nunmehr lägen das erstinstanzliche bezirksgerichtliche Urteil vom sowie die Berufungsentscheidung vom vor. Für die Baubehörde seien die Ergebnisse dieses zivilgerichtlichen Verfahrens bindend. Im gerichtlichen Verfahren sei festgestellt worden, es habe sich auf Grund des Gutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen DI S. ergeben, dass ein (anderer) Zubau (nicht der nun verfahrensgegenständliche) ca. 35 cm, und der nun gegenständliche, bereits errichtete Zubau ca. 50 cm in das Grundstück des Mitbeteiligten ragten. Weiters sei (aber) festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer redlicher Bauführer im Sinne des § 418 ABGB sei und daher außerbücherlich Eigentum nicht nur an der verbauten, sondern auch an der zur bestimmungsgemäßen Benützung des Hauses (gemeint sind auch die Zubauten) unentbehrlichen Fläche erworben habe. Hiedurch sei "zivilrechtlich festgestellt worden", dass der erfolgte Zubau rechtmäßig wegen redlicher Bauführung im Sinne des § 418 ABGB erfolgt sei und er jedenfalls auch den Abstandsbestimmungen des § 13 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) in Bezug auf das Grundstück des Mitbeteiligten entspreche.

Mit dem genannten erstinstanzlichen Urteil vom wurde ein Feststellungs- und Unterlassungsbegehren des Mitbeteiligten gegenüber dem Beschwerdeführer, wonach der Mitbeteiligte mit Ausnahme näher bezeichneter Belastungen unbeschränkter Eigentümer unter anderem des Grundstückes Nr. 175/3 sei, sowie, dass der Beschwerdeführer schuldig sei, die Nutzung und Pflege unter anderem des Grundstückes Nr. 175/3 insoweit zu unterlassen, als dies nicht mit den näher genannten Belastungen bzw. Berechtigungen in Verbindung stehe, abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ging das Erstgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der "Grenzüberbauten" (das sind die Teile der beiden Zubauten, die in das Grundstück des Mitbeteiligten ragen) Eigentum an der verbauten Fläche sowie auch an der zur bestimmungsgemäßen Benützung des Hauses unentbehrlichen Fläche erworben habe.

Soweit im Beschwerdefall erheblich, wurde mit dem Berufungsurteil vom der Berufung des Mitbeteiligten gegen das erstinstanzliche Urteil keine Folge gegeben (der Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 508 Abs. 1 ZPO sowie seine ordentliche Revision wurden in der Folge vom Berufungsgericht zurückgewiesen).

Der Mitbeteiligte erhob Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom und brachte vor, das Vorhaben entspreche nicht den Bestimmungen des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG, wonach in jenem Bereich, in welchem die Bauführung an der Grundstücksgrenze erfolge, keine Fenster vorhanden sein dürften oder, wenn Fenster vorhanden seien, die erforderlichen Gebäudeabstände eingehalten werden müssten. Mangels eines eingeräumten Fensterrechtes hätte jene Front, welche sich direkt an der Grundstücksgrenze befinde, nur "in einer geschlossenen Bauweise ohne Errichtung von Fenstern errichtet" werden dürfen. Es hätte daher das Verschließen der Fenster, welche sich "direkt an der Grundstücksgrenze" befänden, angeordnet werden müssen. Die erteilte Bewilligung sei daher rechtswidrig.

Diese Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom als unbegründet abgewiesen. § 13 Abs. 3 Stmk. BauG sei im Beschwerdefall nicht anwendbar. Diese Bestimmung werde vom Mitbeteiligten unrichtig verstanden, denn sie normiere lediglich, dass bei einem Gebäude mit Öffnungen der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten sei. Wenn daher der Mitbeteiligte auf seinem Grundstück Nr. 175/3 ein Gebäude errichten wolle, so habe es den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Die genannte Bestimmung bedeute daher keinesfalls, dass Gebäude an der Grundgrenze keine Fensteröffnungen aufweisen dürften. Das Grundstück des Mitbeteiligten weise im Bereich des Wohngebäudes (gemeint ist nach dem Zusammenhang wohl der Zubau) eine durchschnittliche Breite von 50 cm bis 100 cm auf, wobei es einen Dachvorsprung von ca. 50 cm gebe. Eine Bebauung des Grundstückes des Mitbeteiligten sei zwar schon auf Grund der schmalen Grundstücksform nicht möglich und selbst wenn man hypothetisch betrachtet ein Bauwerk errichten dürfte, könnte dessen Ausführung nur unter dem Vordach erfolgen. Der Mitbeteiligte sei daher durch die verfahrensgegenständlichen Bauführung nicht beeinträchtigt. Das vom Mitbeteiligten geforderte Verschließen der Fenster würde für den Beschwerdeführer nicht nur unbillig sein, sondern auch dem Mitbeteiligten aus den zuvor genannten Gründen überhaupt keine Vorteile bringen, weil er ja durch das genehmigte Bauwerk mit Fensteröffnungen keine Nachteile habe. Abschließend sei nochmals festzustellen, dass die mangelnde Zustimmung zum beantragten Zubau sowie zum gehörigen Abstand von der Grenze und zum Überbau der Grenze durch die zivilgerichtlichen Urteile "geheilt" sei. Durch die Entscheidung der Zivilgerichte sei festgestellt worden, dass der Mitbeteiligte auf Grund der redlichen Bauführung (im Sinne des § 418 ABGB) des Beschwerdeführers in seinen Rechten nicht verletzt worden sei. Dies könne man nur dahingehend interpretieren, dass hier ein Bauwerk mit Fensteröffnungen an der Grundgrenze durch ein zivilrechtliches Urteil "entstanden" sei, "oder nicht nur die bebaute Fläche ersessen wurde, sondern auch der gesetzliche Abstand gemäß dem § 13 des Stmk. BauG."

Der Mitbeteiligte erhob Vorstellung und brachte vor, wenngleich auf Grund der zivilgerichtlichen Entscheidungen der Überbau privatrechtlich saniert sei, verkenne die Berufungsbehörde, dass dadurch die Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 nicht außer Kraft gesetzt werden könnten. Durch die zivilgerichtlichen Urteile sei lediglich die redliche Bauführung festgestellt worden, was zur Folge habe, dass aus dem (zivilrechtlichen) Nachbarrecht eine Räumung (Entfernung) des Überbaus nicht mehr erzwungen werden könne und der in Anspruch genommene Liegenschaftsteil dem redlichen Bauführer anwachse. Die Bestimmungen des § 13 Stmk. BauG stellten hingegen zwingendes öffentliches Recht dar. Den Gerichten komme keine Kompetenz im Hinblick darauf zu, ob nach dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 Fenster an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn errichtet werden dürften. Die Regelung des § 13 leg. cit. über die einzuhaltenden Abstände stelle zwingendes Recht dar, wobei lediglich die Wahl bestehe, entweder an der Grundstücksgrenze zu bauen oder in einer bestimmten Entfernung vom Grundstück. Keinesfalls berechtigt sei somit eine "schräge" Verbauung (wie im Beschwerdefall), wobei das Grundstück sowohl an der Grundstücksgrenze bebaut werde als auch in weiterer Folge im schrägen Winkel zur Grenze, sodass erst nach einigen Metern der im Gesetz vorgeschriebene Mindestabstand zur Grundstücksgrenze erreicht werde. Das projektierte Bauwerk wäre nur dann genehmigungsfähig, wenn die Mindestabstände von der gesamten Grundmauer ausgehend gegenüber dem Grundstück des Mitbeteiligten gegeben wären oder das Bauwerk (der Zubau) in seiner gesamten Länge an der Grundstücksgrenze stehe (dies sei aber nicht der Fall).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges heißt es zur Begründung, zu Recht bringe der Mitbeteiligte vor, dass das öffentliche Recht Vorrang vor privatrechtlichen Vereinbarungen habe. Demzufolge könne von den zwingenden Abstandsbestimmungen des Stmk. BauG durch zivilgerichtliche Entscheidungen nicht abgegangen werden. Ebensowenig könne ein eventuell den baurechtlichen Abstandsbestimmungen widersprechender und bereits errichteter Zubau an einem bestehenden Wohnhaus durch ein gerichtliches Urteil baurechtlich saniert werden. Die gesetzlichen Abstandsvorschriften seien grundsätzlich zwingendes Recht und privatrechtlichen Dispositionen nicht zugänglich.

Im Beschwerdefall sei zu prüfen, ob beim bereits errichteten (nun verfahrensgegenständlichen) Zubau die baurechtlichen Abstandsbestimmungen eingehalten worden seien und demnach die Baugenehmigung zu Recht erteilt worden sei.

Es ergebe sich aus den gemeindebehördlichen Akten, dass die beiden Zubauten (nur der nördliche sei hier verfahrensgegenständlich) ursprünglich auf dem Grundstück des Mitbeteiligten errichtet worden seien (gemeint: in das Grundstück des Mitbeteiligten ragten). Gemäß den zivilgerichtlichen Entscheidungen sei durch den Beschwerdeführer nicht nur an den überbauten Flächen, sondern auch an der zur bestimmungsgemäßen Benützung des Hauses unentbehrlichen Fläche außerbücherlich Eigentum erworben worden. Des Weiteren ergebe sich aus den Einreichungsunterlagen, dass der nun verfahrensgegenständliche Zubau nicht direkt an der Nachbarsgrenze zur Ausführung gelange. Es sei daher im Sinne des Vorbringens des Mitbeteiligten von einem "Schrägbau" auszugehen. Allerdings sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, weshalb der Gebäudeabstand im Sinne des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG im Beschwerdefall von Relevanz sein könne.

Im Beschwerdefall sei nämlich nur der Grenzabstand im Sinne des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG von Bedeutung, weil sich auf dem schmalen Grundstreifen des Mitbeteiligten kein Gebäude befinde und auch nicht davon auszugehen sei, dass dort zukünftig eines errichtet werden solle bzw. auf Grund der geringen Breite des Grundstreifens errichtet werden könne. Demzufolge hätte im Beschwerdefall die Situierung des Zubaues, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben seien, direkt an der Nachbargrenze bzw. in einem Abstand von zumindest 3 m von dieser erfolgen müssen. Zum Vorbringen des Mitbeteiligten, wonach im Beschwerdefall die Einräumung eines Fensterrechtes notwendig gewesen wäre, sei festzuhalten, dass ein solches Erfordernis bei einer Grenzbebauung dem Stmk. BauG nicht zu entnehmen sei.

Jedenfalls sei der gegenständliche Zubau weder vollständig an der Nachbarsgrenze noch entsprechend dem gesetzlichen Grenzabstand errichtet worden, weshalb er in dieser Form nicht konsensfähig sei. Der Mitbeteiligte sei daher durch den Berufungsbescheid in seinen Rechten verletzt worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der Mitbeteiligte, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), soweit hier erheblich, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 33/2002 anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG bzw. des § 27 Stmk. BauG die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;


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2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
4.
die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
5.
die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6.
die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
§ 4 Stmk. BauG enthält Definitionen; nach Z 45 leg. cit. ist
eine "Nachbargrenze" die "Grenze zwischen Grundstücken verschiedener Eigentümer".
§ 13 Abs. 2, 3 und 13 leg. cit. lauten:

"(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(13) Die Abs. 1 bis 12 gelten nicht für


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-
Gebäude gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen;
-
Wirtschaftsobjekte, die der urkundlichen Ausübung eines Einforstungsrechtes nach dem Einforstungslandesgesetz dienen;
-
Almhütten und Almstallungen, die der bestimmungsgemäßen Nutzung nach dem Almschutzgesetz dienen;
-
Wirtschaftsobjekte der Stammsitzliegenschaften auf Privatgrundstücken innerhalb des Agrargemeinschaftsgebietes."
Eine Gemeindestraße ist gemäß § 7 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154 - LStVG. 1964 (das Gesetz zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 60/2008) eine öffentliche Straße.
Die §§ 2 und 24 LStVG. 1964 lauten auszugsweise:
(§ 2) "(2) Als Bestandteile der öffentlichen Straßen im Sinne dieses Gesetzes gelten neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh und Radwege, Parkflächen, Abstellflächen, Haltestellenbuchten, Bankette, der Grenzabfertigung dienende Flächen und Anlagen zum Schutze vor Beeinträchtigung durch den Verkehr, insbesondere gegen Lärmeinwirkung, sowie bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Straßengräben, Böschungen und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer."
"§ 24
Bauliche Anlagen und Einfriedungen

(1) Für bauliche Anlagen, Veränderungen des natürlichen Geländes und Einfriedungen an Straßen gilt Folgendes:

1. An Durchzugsstrecken ist die Baufluchtlinie, insofern eine solche schon festgesetzt ist, einzuhalten.

2. Innerhalb der angeführten Grenzen dürfen folgende Maßnahmen nicht vorgenommen werden:

(Im Gesetz folgt eine Tabelle; danach beträgt die 'Grenze bei Gemeindestraßen' bei 'Errichtung von und Zubau an baulichen Anlagen sowie Veränderungen des natürlichen Geländes' 5 m, bei ' Errichtung und Änderung von Einfriedungen, ausgenommen Zäune, welche die Ablagerung von Schnee nicht behindern' 2 m.)

3. Die zuständige Straßenverwaltung hat auf Antrag Ausnahmen von den in Z. 1 und 2 enthaltenen Vorschriften zuzustimmen, soweit dadurch Rücksichten auf den Bestand der Straßenanlagen, die Verkehrssicherheit und Rücksichten auf die künftige Verkehrsentwicklung nicht beeinträchtigt werden.

4. Wird die Zustimmung nicht binnen sechs Wochen nach Einlagen des Antrages erteilt, so entscheidet auf Antrag die Landesregierung bzw. die Gemeinde über die Ausnahmebewilligung. Die Straßenverwaltung ist in diesem Verfahren Partei.

5. Die einschlägigen straßenpolizeilichen Vorschriften bleiben unberührt.

(2) Die Entfernung der im Abs. 1 genannten Zonen ist zu messen:


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1.
vom äußeren Rand des Straßengrabens,
2.
bei aufgedämmten Straßen vom Böschungsfuß,
3.
bei im Gelände eingeschnittenen Straßen von der oberen Einschnittböschungskante,
4.
in Ermangelung von Gräben und Böschungen von der äußeren Begrenzungslinie der Straßenbankette.

(3) …"

Beim Grundstück des Mitbeteiligten handelt es sich um einen schmalen, spitz zulaufenden Grundstreifen, der nach den (unbestrittenen) Feststellungen der Berufungsbehörde im fraglichen Bereich ca. 50 cm bis 100 cm breit ist und sich in der Natur (wie sich aus den vorliegenden Lichtbildern ergibt) als Teil der zur Gemeindestraße abfallenden Böschung darstellt. Bei diesem Sachverhalt ist der strittige Zubau des Beschwerdeführers als "Gebäude gegenüber einer öffentlichen Verkehrsfläche" im Sinne des § 13 Abs. 13 erster Fall Stmk. BauG zu qualifizieren, womit die Bestimmung des § 13 Abs. 2 leg. cit. nicht zur Anwendung kommt. Aus baurechtlicher Sicht begegnet es nach dem Gesagten auch keinen Bedenken, dass der verfahrensgegenständliche Zubau Fenster zum Grundstreifen des Mitbeteiligten aufweist. Angesichts dessen war auf die vom Beschwerdeführer thematisierte Frage der Geltung der Abstandsvorschriften gegenüber unbebaubaren Grundstücken nicht einzugehen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am