VwGH vom 11.05.2010, 2009/22/0034
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 147.939/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die - im Devolutionsweg zuständig gewordene - belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am (noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) eingebrachten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag sei auf Grund der seit geltenden Rechtslage des NAG als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gerichtet zu werten.
Der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Im Juni 2005 sei der von ihm gestellte Asylantrag in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen worden.
Den hier gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am im Inland gestellt. Er habe sich sowohl vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten. Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung nach den damals geltenden Bestimmungen des FrG den Antrag im Inland habe einbringen dürfen, hätte er jedenfalls nach Änderung der Rechtslage ab den Abschluss des Verfahrens im Ausland abwarten müssen. Er sei jedoch weiter im Inland geblieben. Somit stehe der Bewilligung des gegenständlichen Antrages § 21 Abs. 1 NAG, wonach (u.a.) die Entscheidung über einen Erstantrag im Ausland abgewartet werden müsse, entgegen.
Bei der nach § 74 iVm § 72 NAG durchzuführenden Überprüfung seien keine humanitären Gründe zu erkennen gewesen. Solche seien im Verfahren vom Beschwerdeführer auch nicht angeführt worden. Sohin sei die Inlandsantragstellung auch nicht von Amts wegen gemäß § 74 NAG zuzulassen gewesen.
Des Weiteren sei "aus dem gesamten Akteninhalt nicht ersichtlich", dass die Ehefrau des Beschwerdeführers das ihr nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zukommende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte, weshalb der Beschwerdeführer auch aus gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen kein Recht auf Aufenthalt ableiten könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:
Vorweg ist anzumerken, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.
Der Beschwerdeführer bringt vor, sowohl hinsichtlich der Annahme der belangten Behörde, seine Ehefrau hätte ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen, als auch zur Frage des Vorliegens humanitärer Gründe habe die belangte Behörde es unterlassen, ihm zum von ihr angenommenen Sachverhalt Parteiengehör einzuräumen.
Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge trifft diese Behauptung des Beschwerdeführers zu. Im vorliegenden Fall führt dies allerdings nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer legt nämlich überhaupt nicht dar, welche Feststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers hätte treffen können, weshalb nicht ersichtlich ist, worin die Relevanz des der belangten Behörde vorgeworfenen Verfahrensfehlers liegen sollte.
Der Beschwerdeführer behauptet in der Beschwerde bloß gänzlich unsubstantiiert, seine die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Ehefrau hätte von dem ihr gemeinschaftsrechtlich zustehenden Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht. Welcher Sachverhalt aber vorgelegen wäre, der eine derartige rechtliche Beurteilung ermöglicht hätte, wird vom Beschwerdeführer in keiner Weise ausgeführt.
Die Ansicht der belangten Behörde, der von ihm gestellte Antrag sei daher einer Beurteilung nach § 47 Abs. 2 NAG zu unterziehen, begegnet sohin keinen Bedenken, zumal sich auch aus dem sonstigen im Verwaltungsverfahren (insbesondere auch im Devolutionsantrag) erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers kein Hinweis darauf findet, er habe die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte begehrt.
Gemäß § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des § 47 Abs. 1 NAG (solche sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt) sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Der - im 1. Teil des NAG enthaltene - § 21 Abs. 1 NAG legt fest, dass Erstanträge - ein solcher liegt hier vor - vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
Da sich der Beschwerdeführer unstrittig im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet aufgehalten hat, hat er, worauf die belangte Behörde zu Recht abgestellt hat, dem Erfordernis des Abwartens der Entscheidung über den von ihm gestellten Erstantrag im Ausland nach § 21 Abs. 1 zweiter Satz NAG nicht entsprochen.
Gemäß § 74 NAG kann die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden. Nach § 72 Abs. 1 NAG kann den im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1 NAG), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0412, mwN).
Das oben zur (unterbliebenen) Darstellung der Relevanz des Verfahrensfehlers Gesagte gilt auch für die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei weder seiner Ehefrau noch deren zwei Kindern (sohin den Stiefkindern des Beschwerdeführers) zuzumuten, dass er die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abwarten müsse. Auch in diesem Zusammenhang legt der Beschwerdeführer nicht konkret dar, auf Grund welcher Umstände die von ihm behauptete Unzumutbarkeit gegeben sei und ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Zulassung der Inlandsantragstellung resultieren sollte.
Der während des Aufenthalts geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin kommt demgegenüber fallbezogen mit Blick auf die kurze Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers von nicht einmal drei Jahren und seines bisherigen unsicheren Aufenthaltsstatus kein entscheidendes Gewicht zu (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom ). Weitere Anhaltspunkte, die für eine besonders starke Integration des Beschwerdeführers sprechen würden, wurden - wie bereits oben ausgeführt - auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
Somit hat die belangte Behörde im Ergebnis den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht wegen des Fehlens der in § 21 Abs. 1 zweiter Satz NAG enthaltenen Voraussetzung abgewiesen.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-69949