VwGH vom 20.09.2012, 2012/06/0106
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der A K in G, vertreten durch Mag. Erwin Schweighofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Tummelplatz 6/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 27. Jänner "2009" (richtig: 2010), Zl. 023277/2008-6, betreffend ein Baugesuch (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Vorbringens in der (ergänzten) Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides und der vom Verfassungsgerichtshof mit der Beschwerde abgetretenen Verwaltungsakten geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstückes in G, das an drei öffentliche Verkehrsflächen grenzt. Mit dem am eingebrachten Baugesuch (vom ) kam sie um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zum Abbruch einer bestehenden Einfriedung und zur Neuerrichtung einer Grundstückseinfriedung entlang dieser drei öffentlichen Verkehrsflächen ein.
Nach Erhebungsschritten hielt die erstinstanzliche Behörde der Beschwerdeführerin mit Erledigung vom vor, im Bereich der H-Gasse sowie im Kreuzungsbereich dieser Gasse mit dem H-Weg sowie mit der M-Gasse bestünden Straßenfluchtlinien, die sich nicht mit den Grundgrenzen des Bauplatzes deckten, sondern um ca. 1,50 m rückspringend hinter der Grundgrenze, nämlich auf dem Bauplatz, verliefen. Damit käme jedoch die beantragte Einfriedung in diesen Bereichen vor diesen Straßenfluchtlinien zu liegen, was rechtlich unzulässig sei (wurde näher ausgeführt). Die Beschwerdeführerin werde daher aufgefordert, binnen vier Wochen ab Erhalt der Mitteilung dem zuvor angeführten Sachverhalt (angepasste) entsprechende Projektunterlagen vorzulegen bzw. das vorhandene Projekt abzuändern. Nach ungenütztem Ablauf dieser Frist wäre das Baugesuch abzuweisen.
Eine Äußerung der Beschwerdeführerin ist dem Akt nicht zu entnehmen.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde das Baugesuch insofern abgewiesen, als es die Errichtung einer Grundstückseinfriedung betraf. Zusammengefasst wurde dies damit begründet, dass die Errichtung der Einfriedung vor der Straßenfluchtlinie gemäß § 12 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) nicht zulässig sei.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.
Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, führte die belangte Behörde zur Begründung aus, es sei unstrittig, dass das Vorhaben in den genannten Bereichen vor der Straßenfluchtlinie errichtet werden solle, die im Lageplan auch richtig eingezeichnet sei. Es handle sich im Beschwerdefall um die Neuerrichtung einer Einfriedung. Mit dem Abbruch wesentlicher Teile einer alten baulichen Anlage gehe jedenfalls eine bis dahin bestehende Baubewilligung unter (Hinweis auf hg. Judikatur). Dies treffe im Beschwerdefall zu. Projektgemäß würden nicht nur die Fundamente sondern auch die Säulen und das Maschendrahtgeflecht bzw. die Metallgitter neu errichtet, also "alles" (im Original unter Anführungszeichen) und nicht nur wesentliche Teile, und dies genau an jener Stelle, an der die alte Einfriedung situiert gewesen sei. Die vorgesehene Einfriedung sei gemäß § 11 Abs. 1 Stmk. BauG unzulässig.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der nach Durchführung eines Vorverfahrens mit Beschluss vom , B 392/10-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Begründung heißt es insbesondere, der Landegesetzgeber "darf auch bei der Erlassung von Normen, die die Bewilligung zur Errichtung von Baulichkeiten regeln, im öffentlichen Interesse und im Interesse der Bauwerber Vorsorge treffen, dass nicht Baulichkeiten errichtet werden, die voraussichtlich wieder abzutragen sein werden" (Zitat im Original unter Hinweis auf VfSlg. 7658/1975). Wenn eine derartige Einschränkung nur neu zu errichtende Baulichkeiten betreffe, so sei das nicht unsachlich, selbst dann nicht, wenn diese nur bereits bestehende Anlagen ersetzten (Hinweis auf VfSlg. 14044/1995).
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten (verbesserten) Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichthof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen.
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 27/2008 anzuwenden.
Die §§ 11 und 12 leg. cit. lauten (§ 11 auszugsweise):
"§ 11
Einfriedungen und lebende Zäune
(1) Einfriedungen und lebende Zäune sind so auszuführen bzw. zu erhalten, daß weder das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt noch eine Gefährdung von Personen und Sachen herbeigeführt wird. Einfriedungen dürfen nicht vor der Straßenfluchtlinie errichtet werden.
…"
"§ 12
Bauteile vor der Straßenflucht-, Bauflucht- oder Baugrenzlinie
(1) Sofern ein Bebauungsplan nichts anderes bestimmt, dürfen folgende Bauteile über die Straßenflucht- oder Baugrenzlinie vortreten:
1. Zierglieder, Gebäudesockel, Schaufenster u.dgl. bis 20 cm, bei Gehsteigen über 2,0 m Breite bis 40 cm;
2. Hauptgesimse, Dachvorsprünge, nach außen öffenbare Fensterflügel, Gitter, Beleuchtungskörper, Werbeeinrichtungen u. dgl. bis 1,0 m, Balkone, Erker, Schutzdächer, Markisen u.dgl. bis 1,5 m; sie müssen jedoch mindestens 4,5 m über der Verkehrsfläche liegen; über Gehsteigen mit einer Breite von über 2,0 m genügt eine Mindesthöhe von 3,0 m;
3. Luftschächte, Lichteinfallsöffnungen, Kellereinwurföffnungen, Putzschächte u.dgl. bis 1,0 m.
(2) Für Bauteile untergeordneten Ausmaßes sind Überschreitungen zulässig.
(3) An Bauten, die zum Zeitpunkt der Festlegung der Baufluchtlinie schon bestehen und ganz oder teilweise vor der Baufluchtlinie liegen, dürfen an den vor der Baufluchtlinie liegenden Teilen nur Instandsetzungsarbeiten und innere Umbauten vorgenommen werden."
Die projektierte (mehr als 1,50 m hohe) Einfriedung ist im Grunde des § 19 Z. 4 Stmk. BauG baubewilligungspflichtig, was auch zutreffend unstrittig ist.
Bei der von der Beschwerdeführerin gerügten Datierung des angefochtenen Bescheides mit 27. Jänner "2009" handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler, richtig ist nach dem zeitlichen Ablauf fraglos "2010". Diesem Fehler kommt daher keine entscheidende Bedeutung zu.
Inhaltlich wiederholt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr Vorbringen an den Verfassungsgerichtshof. Ihr Einwand, die Neuerrichtung der Einfriedung sei deshalb erforderlich gewesen, weil die frühere Einfriedung durch einen Sturm schwer beschädigt worden sei, vermag daran nichts zu ändern, dass die Neueinfriedung projektgemäß in den von der Behörde bezeichneten Bereichen vor die verordnete - und daher verbindliche - Straßenfluchtlinie zu liegen kommt, was gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz Stmk. BauG unzulässig ist. Als Instandsetzungsarbeit im Sinne des § 12 Abs. 3 leg. cit. kann das Vorhaben nicht verstanden werden, weil es sich projektgemäß um eine Neuerrichtung handelt. Dass möglicherweise bei der tatsächlichen Bauausführung (es handelt sich hier, wie sich auch aus den Lichtbildern im Akt ergibt, zumindest zum Teil um eine angestrebte nachträgliche Baubewilligung) Fundamente der früheren Einfriedung verwendet wurden, vermag daran nichts zu ändern, dass es sich projektgemäß um eine Neuerrichtung handelt, wie von der belangten Behörde zutreffend hervorgehoben wurde (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0260), zumal nach § 4 Z 44 Stmk. BauG ein Neubau auch dann vorliegt, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente ganz oder teilweise wiederverwendet werden (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0060).
Die Beschwerdeführerin erachtet sich weiters dadurch als beschwert, dass die Straßenfluchtlinie zwar die H-Gasse und somit die Einmündungsbereiche des H-Weges und der M-Gasse entlang ihrer Grundstücksgrenze betreffe, jedoch die übrigen Bereiche der M-Gasse sowie des H-Weges überhaupt nicht, weshalb eine Abweisung des Baugesuches hinsichtlich letzterer Bereiche unbegründet sei.
Dem ist zu entgegnen, dass ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes ist (was insbesondere für Einfriedungen gilt) und die Beschwerdeführerin weder im erstinstanzlichen Verfahren (trotz gebotener Gelegenheit) noch in ihrer Berufung aufgezeigt hat, dass nach ihrem Bauwillen eine solche Teilbarkeit in Betracht käme (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2010/06/0023 ua., betreffend ebenfalls Einfriedungen, die teilweise vor einer Straßenfluchtlinie errichtet werden sollten, und vom , Zl. 2008/06/0087). Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass das Baugesuch betreffend die Errichtung der Einfriedung zur Gänze abgewiesen wurde. Es steht der Beschwerdeführerin immer noch frei, ein entsprechend abgeändertes Baugesuch einzubringen.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am