VwGH 21.02.2013, 2012/06/0105
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Anders als für die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 2 AVG ist es für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ohne Belang, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist oder das Verhalten des Beschwerdeführers die Erlassung des versäumten Bescheides unmöglich gemacht hat (Hinweis E vom , 94/12/0298). |
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RS 2 | Zwar sind die Baubehörden verpflichtet, den Projektwerber zu einer entsprechenden Modifikation seines Vorhabens zu verhalten, wenn es dadurch einer Bewilligung zugeführt werden kann. Die Nichtvorlage von Änderungsplänen, selbst wenn diese vom Projektwerber bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in Aussicht gestellt worden sein sollten, vermag aber an der Entscheidungspflicht über das ursprüngliche Bauvorhaben nichts zu ändern. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des FB in G, vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde G, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen ausgehend von der Rechtsanschauung zu erlassen, dass die Nichtvorlage von Änderungsplänen kein Entscheidungshindernis darstellt.
Die Marktgemeinde G hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit dem bei der erstinstanzlichen Behörde am eingelangten Einreichplan samt Baubeschreibung die Bewilligung zur Errichtung einer Garage für zwei Pkw-Plätze auf einem näher genannten Grundstück im Gemeindegebiet der Marktgemeinde G.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom , eingelangt bei der Marktgemeinde G am , einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat. Nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens (Unterfertigung der Einreichunterlagen durch die Grundstückseigentümer) fand am eine mündliche Verhandlung über das Bauansuchen vor der belangten Behörde statt. In der "Verhandlungsschrift gemäß § 18 Bgld. Baugesetz 1997" wurde nach Protokollierung der Einwendungen von Nachbarn Folgendes festgehalten (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Der Vertreter der Bauwerber bestreitet das Vorbringen der Parteien H. und verweist darauf, dass es keine Verpflichtung gibt ein bewilligtes Bauvorhaben auszuführen. Entscheidung muss über neuen (geänderten) Antrag gefällt werden.
Die Baubehörde unterbricht das Bauverfahren in Erwartung einer geänderten Ausführungsplanung, die bis Ende vorliegen soll.
Die bisherigen Bauarbeiten werden nicht weitergeführt. Dauer der Verhandlung ..."
Mit der am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde vom machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde in Bezug auf seinen Antrag vom geltend. Er brachte vor, dass die belangte Behörde - "sieht man davon ab, dass am eine Bauverhandlung stattfand" - keinen Bescheid erlassen habe, und beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen und die Baubewilligung für sein Bauansuchen vom erteilen.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an die beschwerdeführende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
Die belangte Behörde holte den versäumten Bescheid nicht nach und brachte in ihrer Gegenschrift im Wesentlichen vor, in der Bauverhandlung vom sei allseits vereinbart worden, dass die Garage zwar wie in der "alten" Variante situiert sein solle, die Dachkonstruktion jedoch so abgeändert werde, dass die Belichtungsöffnungen der Anrainer H. erhalten blieben. Gleichzeitig sei vereinbart worden, dass der Beschwerdeführer bis entsprechende Änderungspläne einreiche, weshalb das Bauverfahren am auch bis auf weiteres unterbrochen worden sei. Der Beschwerdeführer habe bis zum vereinbarten Zeitpunkt keine Änderungspläne eingereicht. Die Baubehörde sehe auf Grund dieser Umstände keine Veranlassung, das Bauverfahren durch Erlassung eines Bescheides weiterzuführen, weil sie noch immer auf die Projektänderung warte. Die Säumnisbeschwerde sei daher unbegründet.
In seiner Äußerung vom bestritt der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Vereinbarung über die Vorlage von Änderungsplänen bis .
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 18 Bgld BauG 1997 idF LGBl. Nr. 53/2008 lautet (auszugsweise):
"Baubewilligung und Bewilligungsverfahren
…
(9) Über ein Ansuchen um Baubewilligung ist binnen drei Monaten mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
…"
Unstrittig ist, dass der über Devolutionsantrag zuständig gewordene Gemeinderat der Marktgemeinde G über den Antrag des Beschwerdeführers vom nicht bescheidmäßig abgesprochen hat. Dies wird mit der Nichtvorlage von Änderungsplänen, die in der Bauverhandlung vom glaublich in Aussicht gestellt worden seien, durch den Beschwerdeführer begründet.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist damit jedoch die vorliegende Beschwerde nicht "unbegründet":
Anders als für die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 2 AVG ist es für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ohne Belang, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist oder das Verhalten des Beschwerdeführers die Erlassung des versäumten Bescheides unmöglich gemacht hat (vgl. dazu durch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/12/0298 zur damaligen gleichgelagerten Rechtslage, mwN).
Bereits diese Ausführungen zeigen, dass die belangte Behörde die Entscheidung ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung unterlassen hat. Zwar sind die Baubehörden verpflichtet, den Projektwerber zu einer entsprechenden Modifikation seines Vorhabens zu verhalten, wenn es dadurch einer Bewilligung zugeführt werden kann (siehe dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 112, 126f, mwN). Die Nichtvorlage von Änderungsplänen, selbst wenn diese - was der Beschwerdeführer allerdings bestreitet - vom Beschwerdeführer bis in Aussicht gestellt worden sein sollten, vermag aber an der Entscheidungspflicht über das ursprüngliche Bauvorhaben nichts zu ändern.
Da somit die für die Verletzung der Entscheidungspflicht maßgebende Rechtsfrage geklärt wird, wird der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, die versäumte Entscheidung unter Zugrundelegung der im Spruch zusammengefassten Rechtsanschauung zu erlassen.
Zum Beschwerdevorbringen, das Verfahren sei nicht vom Gemeinderat, sondern vom Bürgermeister geführt worden, ist zu bemerken, dass nach den vorliegenden Verwaltungsakten die Verhandlung am jedenfalls auf Anordnung des Gemeinderates erfolgt ist und die Verhandlung auch nicht vom Bürgermeister geleitet wurde.
Dass Gegenschrift sowie Replik nicht (explizit) im Namen des Gemeinderates unterfertigt wurden, kann gegenständlich dahingestellt bleiben, ändert dies doch keineswegs etwas daran, dass der Gemeinderat der Marktgemeinde G die ihm zukommende Entscheidungspflicht verletzt hat.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 VwGG, iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ausschlussgründe im Sinne des § 55 Abs. 2 VwGG wurden nicht dargetan.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Bauverfahren vor dem VwGH (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) VwGH Beschwerde BauRallg11/3 Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2012060105.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-69893