VwGH vom 02.06.2005, 2004/16/0135

VwGH vom 02.06.2005, 2004/16/0135

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der D Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Peter Schütz, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Brauhausstraße 10/4/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 3 (K), vom , Zl. ZRV/0322-Z3K/02, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom teilte das Hauptzollamt Wien der Beschwerdeführerin für die im Zeitraum von 1986 bis aus dem näher bezeichneten Zolllager ohne zollrechtliche Behandlung entfernten einfuhrabgabenpflichtigen und damit der zollamtlichen Überwachung entzogenen Waren die Eingangsabgabenschuld gemäß Art. 203 Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechtsdurchführungsgesetz (ZollR-DG) im (im Bescheid nach Art der Abgaben näher aufgeschlüsselten) Gesamtbetrag von S 872.431,-- mit. In der Begründung heißt es, anlässlich der am durch das Hauptzollamt Wien durchgeführten Lagerbestandsaufnahme seien Waren als fehlend festgestellt worden. Durch das Entfernen der einfuhrabgabenpflichtigen Waren aus dem Zolllager, ohne dass diese einer zollrechtlichen Bestimmung zugeführt worden seien, sei die Zollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3 erster Anstrich ZK entstanden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin die Entfernung der Waren aus dem Zolllager, ohne dass sie einer zollrechtlichen Bestimmung zugeführt worden seien.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom gab das Hauptzollamt Wien der Berufung teilweise statt und änderte die Festsetzung der Eingangsabgabenschuld auf insgesamt S 661.958,--.

Der Berufungssenat der Region Innsbruck gab der gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde statt und hob die Berufungsvorentscheidung auf; dies mit der Begründung, nach Ansicht des Senates hätte Art. 203 Abs. 3 Anstrich 4 ZK zur Anwendung kommen müssen, weil der Beschwerdeführerin die Verletzung von Pflichten im Zolllagerverfahren als Lagerhalterin bzw. Verfahrensinhaberin zuzurechnen gewesen sei. Da dem erkennenden Berufungssenat mangels Sachidentität eine Abänderungsbefugnis verwehrt gewesen sei, sei die Berufungsvorentscheidung aufzuheben gewesen.

Im zweiten Rechtsgang teilte das Hauptzollamt Wien der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom die nach Art. 204 Abs. 3 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG für die aus dem Zolllager entfernten Waren die Eingangsabgabenschuld von insgesamt S 661.958,-- mit. In der Begründung führte das Hauptzollamt Wien aus, anlässlich der am durchgeführten Lagerbestandsaufnahme seien Waren, welche im Zeitraum von 1988 bis 1994 eingelagert worden seien, als fehlend festgestellt worden. Eine Beendigung des Zolllagerverfahrens sei bislang unterblieben. Die nicht mehr im Zolllager befindlichen Waren seien der durch die Einlagerung begonnenen zollamtlichen Überwachung entzogen worden. Da der Lagerhalter dafür verantwortlich sei und er diese Verpflichtung nicht eingehalten habe, sei ein Fall des Art. 101 ZK vorgelegen. Für den Inhaber der Bewilligung sei die Zollschuld gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK entstanden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Eingangsabgabenschuld sei verjährt. Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre und der Abgabenbescheid sei erst danach ergangen. Im Übrigen seien die eingelagerten Waren der entsprechenden zollrechtlichen Bestimmung zugeführt worden. Weiters habe die Behörde die amtswegige Ermittlungspflicht sowie das Parteiengehör verletzt und der Bescheid sei mangelhaft begründet.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab und änderte den ersten Satz des Spruches des bekämpften Bescheides erster Instanz wie folgt:

"Im Zeitraum von bis sind eingangsabgabenpflichtige Waren, die vor Beitritt in das Zolllager der (Beschwerdeführerin) eingelagert worden sind, durch bisher unbekannt gebliebene Personen der zollamtlichen Überwachung entzogen worden."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., die Festsetzung der Eingangsabgabenschuld sei am mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien erfolgt. Der im bekämpften Bescheid angegebene Zeitraum von 1988 bis 1994 sei der Zeitraum der Einlagerung der Waren in das Zolllager und nicht der Zeitraum, in dem die Zollschuld für diese Waren entstanden sei. Die Abgabenbehörde gehe bei der Erhebung des Zollschuld-Entstehungszeitpunktes davon aus, dass dieser knapp vor Abschluss der Lagerbestandsaufnahme gelegen sei. Daraus ergebe sich, dass die Vorschreibung der Abgabenschuld am innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ergangen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, die Eingangsabgabenschuld sei verjährt. Die Abgabenbehörde gehe bei der Erhebung des Zollschuld-Entstehungszeitpunktes ohne nähere Begründung davon aus, dass dieser knapp vor Abschluss der Lagerbestandsaufnahme gelegen sei. Diese Ansicht der Behörde sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wurde das Berufungsvorbringen wiederholt. Es wurden Beweisanträge gestellt und u.a. die Einvernahme eines Zeugen beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides vertritt sie die Ansicht, könne der Zeitpunkt, in dem die Zollschuld entstanden sei, nicht genau bestimmt werden, so sei gemäß Art. 214 Abs. 2 ZK für die Bestimmung der für die betreffende Ware geltenden Bemessungsgrundlage der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Zollbehörden feststellten, dass diese Ware sich in einer Lage befinde, die eine Zollschuld habe entstehen lassen. Könnten die Zollbehörden jedoch aus ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld vor dem Zeitpunkt entstanden sei, in dem sie diese Feststellung getroffen hätten, so werde der Betrag der auf die betreffende Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausgangsabgaben anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für die Waren in dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt galten, für den das Bestehen der sich aus dieser Lage ergebenden Zollschuld anhand der verfügbaren Angaben festgestellt werden könne. Die Einrede der Verjährung der Einfuhrzollschuld sei unberechtigt. Das Hauptzollamt Wien habe mit der Bestandsaufnahme (Erkenntniszeitpunkt der Verwaltung) hinsichtlich der zwischen 1988 und 1994 im Zolllager der Beschwerdeführerin eingelagerten Waren festgestellt, dass eine Zollschuld entstanden sein könnte und dass es damit über die im Verfahren notwendigen Unterlagen verfügt habe, um der Beschwerdeführerin die Abgaben vorschreiben zu können. Der Bescheid, mit dem der Beschwerdeführerin die Eingangsabgaben angelastet worden seien, stamme vom . Damit liege das Datum der Bestandsaufnahme innerhalb der ab diesem Zeitpunkt rückzurechnenden dreijährigen Verjährungsfrist. Von hinterzogenen Abgaben mit einer zehnjährigen Verjährungsfrist könne nicht ausgegangen werden. Im Einzelfall könne die Ermittlung des Entstehungszeitpunktes von Zollschuldigkeiten schwierig sein. In diesen Fällen bedürfe es spezieller Regelungen für die Bezugspunkte bei den Bemessungsgrundlagen und für Bezugspunkte einer Zollschuldentstehung. Dass der Erkenntniszeitpunkt der Verwaltung im Sinne von Art. 214 Abs. 2 ZK nicht nur für die Bemessungsgrundlagen, sondern auch für die Entstehung der Zollschuld heranzuziehen sei, habe die Lehre herausgearbeitet (Witte, Kommentar zum Zollkodex3, Rz 15 bis 17 zu Art. 214 ZK, und Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht-Kommentar3, Rz 10 zu

Artikel 214 ZK). In beiden Literaturstellen werde für den Fall, dass der Zeitpunkt der Zollschuldentstehung nicht genau feststellbar sei, nach Art. 214 Abs. 2 ZK auf den Zeitpunkt verwiesen, in dem die Zollbehörden feststellten, dass eine Zollschuld entstanden sei. Nach Witte sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Zollbehörden feststellten, dass eine Zollschuld entstanden sei. Derjenige der den Wegfall der Folgen einer Zollzuwiderhandlung anstrebe, habe dies geltend zu machen und das Vorliegen der hiefür maßgebenden Voraussetzungen der Zollbehörde nachzuweisen. Wenn der Nachweis nach den Umständen nicht zumutbar sei, genüge Glaubhaftmachung. Zu all den Gegenstand des Verfahrens bildenden Waren sei festzustellen, dass für diese im Rahmen der Lagerbestandsaufnahme als fehlend festgestellten Waren vor allem der Nachweis für eine ordnungsgemäße Beendigung des Zolllagerverfahrens nicht erbracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, dass ihr verjährte Abgaben nicht mitgeteilt werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid mit der Einrede der Verjährung.

Gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Konnten die Zollbehörden jedoch auf Grund einer strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln, so kann die Mitteilung noch nach Ablauf der genannten Dreijahresfrist erfolgen, sofern dies nach geltendem Recht vorgesehen ist.

Nach § 74 Abs. 2 erster Satz ZollR-DG, in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 61/2001, betrug die Verjährungsfrist bei Eingangs- und Ausgangsabgaben drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld.

Die belangte Behörde ist nicht davon ausgegangen, dass eine Hinterziehung von Eingangsabgaben vorliegt und hat angenommen, dass die Einfuhrzollschuld nach Art. 204 ZK entstanden ist.

Eine Einfuhrzollschuld entsteht nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK, wenn in anderen als in Art. 203 ZK genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehenden Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

Die Zollschuld entsteht nach Art. 204 Abs. 2 ZK in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht mehr erfüllt wird, oder dem Zeitpunkt, in dem die Ware in das betreffende Zollverfahren überführt worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung dieser Ware in das Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht wirklich erfüllt war.

Gemäß Artikel 101 ZK ist der Lagerhalter dafür verantwortlich, dass

a) die Waren während ihres Verbleibs im Zolllager nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen werden,

b) die Pflichten, die sich aus der Lagerung der Waren im Zolllagerverfahren ergeben, erfüllt werden und

c) die in der Bewilligung festgelegten besonderen Voraussetzungen erfüllt werden.

Die im Zolllager als fehlend beanstandeten Waren wurden nach den Feststellungen der belangten Behörde ohne weiteres Zollverfahren aus dem Zolllager entfernt. Damit wurden zollrechtliche Pflichten nicht erfüllt, die zur Entstehung der Zollschuld führten. Der genaue Zeitpunkt der widerrechtlichen Verbringung der Waren aus dem Zolllager und der damit verbundenen Nichterfüllung der Pflichten wurde nicht festgestellt.

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, die Zollschuld sei mit der Bestandsaufnahme - dies sei der Erkenntniszeitpunkt der Zollbehörde - entstanden.

Die Zollschuld entstand im Beschwerdefall nach Art. 204 Abs. 2 ZK mit der Nichterfüllung der Pflichten. In dieser Bestimmung ist nicht geregelt, dass die Zollschuld abweichend davon auch zu einem späteren Zeitpunkt und im Zuge einer Bestandsaufnahme, bei der Pflichtverletzungen festgestellt werden, entstehen könnte.

Die belangte Behörde leitet aus der Bestimmung des Art. 214 ZK den Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld mit der Bestandsaufnahme im Zolllager ab. Art. 214 Abs. 1 und 2 ZK lautet:

"(1) Sofern in diesem Zollkodex nichts Gegenteiliges bestimmt ist, wird der Betrag, der auf eine Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben unbeschadet Absatz 2 anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für diese Ware zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gelten.

(2) Kann der Zeitpunkt, in dem die Zollschuld entsteht, nicht genau bestimmt werden, so ist für die Bestimmung der für die betreffende Ware geltenden Bemessungsgrundlage der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Zollbehörden feststellen, dass diese Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen.

Können die Zollbehörden jedoch aus ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld vor dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sie diese Feststellung getroffen haben, so wird der Betrag, der auf die betreffende Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für die Ware, in dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt galten, für den das Bestehen der sich aus dieser Lage ergebenden Zollschuld anhand der verfügbaren Angaben festgestellt werden kann."

Art. 214 ZK regelt entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht das Entstehen der Zollschuld - das Entstehen der Zollschuld ist in den Artikeln 201 bis 204 ZK abschließend normiert -, sondern den Zeitpunkt, der für die Bemessungsgrundlage bei der Berechnung der Einfuhrabgaben maßgebend ist.

Nach Art. 214 Abs. 1 und 2 ZK gilt das Leitprinzip, dass der Bemessungszeitpunkt der Zollschuld der Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld ist, allerdings mit Ausnahmen. Kann der Zeitpunkt, in dem die Zollschuld entstanden ist, nämlich nicht genau bestimmt werden, dann sind nach Art. 214 Abs. 2 ZK für die Bemessungsgrundlagen bestimmte andere Zeitpunkte maßgebend. Daraus ergibt sich eindeutig, dass zwischen dem für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Zeitpunkt und dem der Entstehung der Zollschuld zu unterscheiden ist, sowie dass letzterer nicht zwingend mit ersterem ident ist.

Die im angefochtenen Bescheid zitierten Literaturstellen in Witte und Schwarz/Wockenfoth stützen nicht die Ansicht der belangten Behörde, wonach im Erkenntniszeitpunkt (Bestandsaufnahme) auch die Zollschuld entsteht. Witte vertritt in Zollkodex, Kommentar3, in den Rzlen 15 bis 18 erster Satz folgende Ansicht:

"Im Einzelfall kann die Ermittlung des Entstehungszeitpunktes von Zollschulden schwierig sein. Insbesondere beim vorschriftswidrigen Verbringen gem. Art. 202, beim Entziehen gem. Art. 203 und bei Pflichtverletzungen gem. Art. 204 ist vielfach der genaue Tathergang schwer zu rekonstruieren.

Soweit das first in-first out-Prinzip des Art. 520 (1) DVO zur Anwendung kommt oder bei gemeinsamer Lagerung gem. Art. 520

(2) DVO abgerechnet wird, können für bestimmte Zugänge ordnungsgemäße Beendigungstatbestände fingiert werden.

Im Übrigen bleibt jedoch häufig Unklarheit. Folglich bedarf es in diesen Fällen spezieller Regelungen für die Bezugspunkte bei den Bemessungsgrundlagen.

1. Erkenntniszeitpunkt der Verwaltung (Satz 1)

Art. 214 (2) S. 1 stellt auf dem Zeitpunkt ab, in dem (nicht: zu dem) die Zollbehörden feststellen, dass die Zollschuld entstanden ist. Entscheidend ist also der Erkenntniszeitpunkt der Verwaltung. Das folgt auch aus der englischen Fassung: '... shall be the time when the customs authorities conclude that the goods are ...'.

2. Frühestmöglicher Zeitpunkt (Satz 2)

Regelmäßig werden jedoch irgendwelche, wenn auch ungenaue Anhaltspunkte für eine Zollschuldentstehung zu einem früheren Zeitpunkt als dem der eigenen Feststellungen vorliegen. Dann ist gem. Art. 214 (2) S. 2 auf den frühestmöglichen Zeitpunkt abzustellen. Es gelten die Bemessungsgrundlagen im am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt, zu dem alle verfügbaren Angaben vorliegen. Vereinfacht lässt sich sagen: Es gilt der Zeitpunkt zu dem, spätestens der in dem die Bemessungsgrundlagen festgestellt werden können.

3. Rückdatierte Amtsblätter

Mit der Ermittlung des Entstehungszeitpunktes darf die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nicht verwechselt werden."

Stiele in Schwarz/Wockenfoth vertritt folgende Ansicht:

"3. Bemessungsgrundlagen bei nicht feststellbarem Zeitpunkt der Zollschuldentstehung (Abs. 2)

Ist der Zeitpunkt der Zollschuldentstehung nicht genau feststellbar, so wird nach Abs. 2 auf den Zeitpunkt verwiesen, in dem die Zollbehörden feststellen, dass die Zollschuld entstanden ist. Dabei ist der Erkenntniszeitpunkt der Zollbehörde entscheidend. Mit diesem Auffangtatbestand ist es möglich, streitige Zeitbestimmungen nach den 'Erkenntnissen und Ermessen' der Zollbehörden auszuräumen. Das schließt auch UA 2 des Abs. 2 ein, dass die Zollbehörden nicht gebunden sind an den Zeitpunkt der Selbstfeststellung. Sie können auf Grund bekannter Umstände schlussfolgern, dass die Zollschuldentstehung vor diesem Zeitpunkt gelegen haben muss und ihnen wird dann die Möglichkeit eingeräumt, den weitesten zurückliegenden Zeitpunkt für die Bemessungsgrundlagen der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben festzusetzen. Das kann aber nicht willkürlich erfolgen, sondern muss durch Fakten beweisbar sein. ...".

Für den Beginn der Verjährung nach Art. 221 Abs. 3 ZK ist allein der Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld und nicht der Zeitpunkt heranzuziehen, der für die Bemessungsgrundlagen maßgebend ist. Die Mitteilung an einen Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Dieser Zeitpunkt ist von der Zollbehörde in einem gesetzmäßig geführten Verfahren festzustellen und nicht vom Zollschuldner nachzuweisen.

Mit Bescheid vom erging die Mitteilung des Hauptzollamtes Wien mit der Vorschreibung der Zollschuld. Nach Art. 221 Abs. 3 ZK durfte dabei nur die Zollschuld vorgeschrieben werden, die innerhalb der letzten drei Jahre entstanden war. Der Zeitpunkt, in dem die Zollbehörden die Zollschuld feststellte (Bestandsaufnahme) ist im Beschwerdefall allerdings entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht der Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld für die schon vor diesem Zeitpunkt aus dem Zolllager verbrachten Waren.

In der Berufungsvorentscheidung vom ging das Hauptzollamt Wien davon aus, dass der Zeitpunkt der Zollschuldentstehung "knapp vor Abschluss der Lagerbestandsaufnahme" gelegen gewesen sei und hat im Spruch dieses Bescheides - der von der belangten Behörde durch die Abweisung der Beschwerde übernommen wurde - die Entziehung der beanstandeten Waren aus der zollamtlichen Überwachung im Zeitraum " bis " angenommen. Eine nachvollziehbare Begründung dafür fehlt allerdings in der Berufungsvorentscheidung.

Die belangte Behörde geht in Verkennung der Rechtslage von einer mit der Bestandsaufnahme entstandenen Zollschuld aus und begründet - ebenfalls in Verkennung der Rechtslage - den mit der Abweisung der Beschwerde übernommenen Spruch ihrer Entscheidung, wonach die Zollschuld im Zeitraum " bis " entstanden sei, nicht weiter.

Der angefochtenen Bescheid enthält somit keine gesetzmäßige Feststellung über den Zeitpunkt bzw. Zeitraum, in dem die Zollschuld für die widerrechtlich aus dem Zolllager verbrachten Waren entstanden ist, von dem ausgehend der Eintritt der Verjährung berechnet werden könnte. Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Am Regelungsinhalt des Zollkodex besteht, soweit die Bestimmungen dieser Verordnung im Beschwerdefall angewendet wurden, kein vernünftiger Zweifel. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der EG nicht verpflichtet (vgl. das -283/81, C.I.L.F.I.T., 1982, 3415).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am